Filaret von Moskau:
"Ausführlicher christlicher Katechismus der rechtgläubigen,
katholischen,
morgenländischen Kirche"
"Frage. Was ist der
rechtgläubige Katechismus?
Antwort. Der rechtgläubige Katechismus ist die Unterweisung im
orthodoxen christlichen Glauben, in welchem jeder Christ, zum
Wohlgefallen Gottes und zum Heil seiner Seele, unterrichtet werden
muss.
Frage. Was bedeutet das Wort "Katechismus"?
Antwort. Es ist von einem griechischen Wort abgeleitet, das V e r k
ü n d i g u n g, mündliche Unterweisung bedeutet.
Nach dem Sprachgebrauch wird von der Apostel Zeit her unter diesem
Namen der
Elementarunterricht im orthodoxen christlichen Glauben verstanden, der
jedem Christ nottut."
Der seinen Katechismus mit diesen Worten beginnt, Filaret
von Moskau, hieß mit bürgerlichem Namen Vasilij
Michailovic Drozdov
(1783–1867) und entstammte einer Priesterfamilie. Durch
seinen Vater kam er nicht nur früh mit Theologie,
sondern auch mit anspruchsvollen Philosophen wie Christian Wolff und
Gottfried
Wilhelm Leibniz in Berührung, erhielt
darüberhinaus vorzüglichen Lateinunterricht
von ihm, der in späteren Jahren durch Hebräisch und
Griechisch ergänzt wurde. Seine kirchliche Laufbahn begann er
in dem berühmten Dreifaltigkeitskloster in Sergiew Possad, einem
traditionellen Zentrum
der Russischen Orthodoxie. 1808 wurde er zum Mönch geweiht und nahm
den Namen Filaret, "Tugendfreund", an, 1817 wurde er zum Bischof
ernannt, seit 1826 war er Metropolit von Moskau, seit 1994 gilt er in
der Russischen Orthodoxen
Kirche als Heiliger, sein Schrein befindet sich heute in der
Erlöserkathedrale in
Moskau.
Man möchte meinen, die steile klerikale Karriere war dem Filaret von
Moskau in die
Wiege gelegt, doch lief bei weitem nicht alles so reibungslos ab, wie es
die Daten der äußeren Lebensstationen nahelegen.
Sein ausgeprägter Hang zur Schweigsamkeit und sein bisweilen
autoritärer Führungsstil brachten ihm ebenso wie sein
selbstbewusstes Beharren auf Minderheitenpositionen im Heiligen Synod
viel Gegnerschaft ein, seine theologische Kompetenz, seine Verdienste
und guten Absichten als
Mann der Kirche wurden dabei nicht in Zweifel gezogen. Selbst vor
Konflikten mit dem Zaren scheute er nicht
zurück, den vielleicht allzu genussfreudigen Zar Alexander I. etwa
verärgerte er mit einer scharfen
Trennung von Welt- und Gottesliebe.
1822/1823 entstand das von besagtem Alexander, der eine Reform des
russischen
Erziehungs- und Ausbildungssystems anstrebte, in Auftrag gegebene Werk
und hatte in der Folge die Gegnerschaft der traditionalistisch
gesinnten Geistlichkeit zu überwinden, die immerhin vorläufig
durchzusetzen vermochte, dass
die in dem Buch enthaltenen Bibelzitate nicht der
neuen russischen Bibelübersetzung, an der Filaret selbst maßgeblich
mitgewirkt hatte, entnommen waren, sondern weiterhin im
sogenannten Altkirchenslawischen geschrieben standen. 1839 erreichte der
Katechismus des Filaret seine endgültige Gestalt und
verbreitete sich so rasant, dass er bald zum wichtigsten Lehrbuch der
Russischen Orthodoxie wurde. Schon 1840 wurde er erstmals ins Deutsche
übersetzt, von Filaret selbst, dem die Ökumene ein
großes Anliegen war, gutgeheißen und
unterstützt. 1872 folgte dann die Übersetzung, die dem vorliegenden
Buch zu Grunde liegt,
durch den Präsidenten des Evangelisch-Lutherischen Konsortiums in
Moskau,
Dr. Heinrich Blumenthal, ein Mann der Ökumene auch er, der so den vielen
damals in Russland
lebenden Deutschen die orthodoxe Gedankenwelt vermittelte, zu
interkonfessionellem Verständnis einen
wertvollen Beitrag leistete. Ein ausführliches Nachwort von Martin
Tamcke zu Leben und Werk des Filaret, zahlreiche Stellenkommentare, ein
Stellenregister der gesamten Bibelzitate und ein Quellenverzeichnis
vervollständigen die Ausgabe.
Eine weitere Leseprobe daraus, zum
Bilderverbot, einem heißen Eisen in der Orthodoxie,
das schon im alten Byzanz immer wieder die Gemüter erhitzt hat:
"Frage. Ist der Gebrauch der Bilder mit dem zweiten Gebot
verträglich?
Antwort. Nur dann wäre er mit demselben
unverträglich, wenn sich jemand einfallen ließe, die
Bilder zu vergöttern oder anzubeten. Dies Gebot steht jedoch
dem keineswegs entgegen, dass man die Bilder ehrt als geheiligte
Abbildungen und sie gebraucht zur andächtigen Erinnerung an
die Taten Gottes und seiner Heiligen; denn in diesem Fall sind die
Bilder Bücher, die statt der Buchstaben in Gestalten und
Gegenständen geschrieben sind."
Zur Götzendienerei rechnet Filaret übrigens auch Geiz,
übermäßiges Essen und Trinken, Hochmut und
Stolz, und rückt die rein äußerliche
Befolgung der kirchlichen Gebräuche mit dem Zweck, die Achtung
seiner Mitmenschen zu erwerben, zumindest in ihre
Nähe.
Der Katechismus des Filaret führt den deutschsprachigen Leser
mittenhinein in Lehre und Geist der Russischen Orthodoxie. Orthodoxen
ist er als
Seelenführer, der Herz und Hirn gleichermaßen
anspricht, gedacht. Für die Lektüre von Katholiken und Protestanten mag
das Wort
des Paulus,
des im Katechismus des Filaret mit großem Abstand meistzitierten
Kirchenmannes, stehen:
"Prüft alles, das Treffliche behaltet!" (1.Thess., 5/21)
(Esquilin; 05/2015)
"Filaret von Moskau. Ausführlicher
christlicher Katechismus
der rechtgläubigen, katholischen, morgenländischen
Kirche"
Auf der Grundlage der Übersetzung von Heinrich Ludwig Johann
Blumenthal (1872),
neu herausgegeben und kommentiert von Martin Tamcke.
Verlag der Weltreligionen, 2015. 150 Seiten.
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Buchtipp:
Vatikan / Deutsche Bischofskonferenz: "Katechismus der Katholischen
Kirche"
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