Max Brod: "Tycho Brahes Weg zu Gott"
Mit einem Vorwort von Stefan Zweig
"Den
Sinn, mein Gott und Herr, den Sinn"
Max Brod, der dem heutigen Leser dank seiner Freundschaft zu Kafka
und
seiner Nichtbeachtung der letzten Verfügung Franz Kafkas, laut
der er das komplette Werk Kafkas hätte vernichten sollen,
bekannt ist, war ein äußerst interessanter und
spannender Schriftsteller. In den zwanziger und dreißiger
Jahren des 20. Jahrhunderts war er ein sehr bekannter und viel
gelesener Schriftsteller. Seine Bücher sind heutzutage
vergriffen und oft nur über Antiquariate oder Bibliotheken
erhältlich. Dementsprechend groß ist daher das Lob,
das hier dem Wallstein Verlag dafür gilt, dass er
ausgewählte Werke Max Brods in schön ausgestatteten
Ausgaben neu herausbringt.
Inkludiert in dieser Ausgabe sind auch ein Vorwort von Stefan Zweig aus
dem Jahr 1927 sowie eine editorische Notiz und Informationen
über den Autor.
"Tycho Brahes Weg zu Gott" ist der erste von drei historischen Romanen
Max Brods, die zusammen eine Trilogie bilden, welche den Titel "Kampf
um Wahrheit" trägt. Die anderen beiden Romane sind "Reubeni.
Fürst der Juden" und "Galilei in Gefangenschaft". Die
Erstveröffentlichung des Romans fand in sechs Tranchen in
René Schikeles Zeitung "Die weißen
Blätter" statt. Obschon diese Werk den historischen Duktus gut
trifft, ist Max Brods Interesse nicht auf historische
Genauigkeit gerichtet, sondern auf die Schaffung von Parallelen
zwischen der Renaissance und der Gegenwart Brods. So geht es dem Roman
naturgemäß um die wichtigen Themen schlechthin:
Suche nach Identität, Liebe, Wissenschaft und die Frage ums
Sein per se.
Anhand einiger Punkte versteht man auch, dass dieser Roman, obwohl in
der Renaissance angesiedelt, doch auch ein teilweise autobiografischer
Roman ist, in dem Max Brod versucht, seine Lebenssituation
aufzuarbeiten. Der Roman wurde auch ungefähr zu der Zeit
geschrieben, in der sein Wandel aus seinem Dasein als
jüdischer Außenseiter zum Zionismus erfolgt ist. Bei
Ausbruch des Zweiten Weltkriegs anno 1939 ist Max Brod nach
Palästina emigriert. Dort begann er, die Werke Franz Kafkas zu
verbreiten und ihnen so zu dem Weltruhm zu helfen, den sie verdient
haben.
Gegen Ende von Tycho Brahes Leben trifft er erstmals seinen Kollegen
Johannes Kepler. Das Treffen findet auf Schloss Benatek statt. Tycho
Brahe ist in Max Brods Darstellung ein talentierter, vielseitiger
Mensch, auf der Suche nach seiner Stellung in der Prager Gesellschaft,
in seiner Familie und der Wissenschaft. Er ist begeistert von Kepler,
als er dessen Bedeutung erkennt. Keplers Dasein beschränkt
sich, seinen Mitmenschen gegenüber, nur auf Forschung und
Rechnen.
Die Sinnsuche Tycho Brahes gipfelt in den Worten "Den Sinn,
mein Gott und Herr, den Sinn". Ausgehend von diesen
religiösen Gedanken, spinnt Max Brod eine spannende Sinnsuche,
die ebenso eine Suche nach der Wahrheit wird. Gespickt ist der Roman
mit vielen Zitaten aus der Bibel.
Obwohl sich das Werk nur mit dem letzten Lebensjahr Tycho Brahes
beschäftigt, kann man diesen Text auch als eine Art
Entwicklungsroman lesen, denn die Entwicklung, die der Protagonist
durchmacht, ist beeindruckend. Er trifft auch auf den
berühmten Rabbi Löwe ben Bazalel, der ihm dabei
hilft, das Volk der Juden zu verstehen. Als heimatlos und auf der
Flucht, was ebenso auf Tycho Brahe zutrifft. Er versteht, dass die
Religion und Lehre der Juden ebenso nicht akzeptiert wird, was sie
jedoch nicht daran hindert, eisern an dieser Lehre festzuhalten.
Zusätzlich verwebt Max Brod eine amüsante
Liebesgeschichte von Tycho Brahes Tochter mit den Fäden dieser
Erzählung.
"Tycho Brahes Weg zu Gott" ist ein starker und interessanter Roman, der
allerdings nicht ganz an die besten Werke dieses viel zu wenig
beachteten Autors herankommt, zu denen z.B. "Jüdinnen",
"Die
Frau nach der man sich sehnt" oder "Der Meister" zählen.
Eine wirkliche Wiederentdeckung ist er allemal.
Starke Empfehlung.
(Roland Freisitzer; 07/2015)
Max
Brod: "Tycho Brahes Weg zu Gott"
Mit einem Vorwort von
Stefan
Zweig.
Wallstein Verlag, 2013. 328 Seiten.
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Weitere
Bücher des Autors (Auswahl):
"Stefan Rott oder Das Jahr der Entscheidung"
Mit einem Vorwort
von
Dževad Karahasan.
Die Welt kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs: Max Brods Prager
Variante des "Zauberbergs" aus dem Jahr 1931.
Dieser Roman wurde oft als Max Brods "Zauberberg" bezeichnet, spielt er
doch 1914,
in den letzten Monaten vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, welcher das
alte Europa zum Einsturz brachte. Aber nicht ein entlegenes Sanatorium,
sondern die kleine deutsche Gemeinde in Prag ist bei Brod das Modell
der bürgerlichen Gesellschaft vor dem Kriege. Im Mittelpunkt
steht der Gymnasiast Stefan Rott, ein junger Mann aus guter Familie,
der sich die Welt zu erklären sucht und seine erste Liebe
erlebt - er verehrt Phyllis, die Mutter eines Klassenkameraden und wird
schließlich sogar von ihr erhört. Hinter der
gutbürgerlichen Fassade aber verbergen sich Lüge und
Korruption, wie Stefan nach und nach erkennen muss. Die schöne
Phyllis ist dem reichen Advokaten Urban zugetan, und Geld spielt dabei
durchaus eine Rolle.
Mit dem Attentat von Sarajevo stürzt auch diese kleine Prager
deutsche Welt in den Abgrund: Frau Phyllis schießt auf ihren
Ehemann, der Anarchist Dlouhy, Stefans Klassenkamerad, wird zum Tode
verurteilt. Private und politische Entwicklung sind am selben Punkt
angelangt: es wird nicht mehr geredet, es wird geschossen. (Wallstein)
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"Der
Meister"
Mit einem Vorwort von Patrick Roth.
Dass Max Brod auch ein religiöser Denker ganz eigener Art war,
zeigt sein wohl bedeutendstes Buch, das er in Tel Aviv schrieb: Es ist
ein historischer Roman über das Jerusalem zur Zeit Jesu,
über das Judentum dieser Zeit und über die brutale
Herrschaft der Römer. Brod erzählt hier eine
spannende Geschichte mit Intrigen und Kämpfen, die uns auch
die konkurrierenden Strömungen des Judentums vor Augen
führt. Held des Romans ist der gebildete griechische Sklave
Meleagros; mit den Augen dieses Fremden zeichnet Brod die historische
Situation nach. Die Ziehschwester Jesu, Schoschana, zieht den Griechen
in ihren Bann. Durch sie erfährt er - und der Leser - alles
Wichtige über Jeshua, den "Meister", wie Jesus auch in den
Evangelien genannt wird. Dieser tritt hier auf als ein Rabbiner wie
andere vor ihm -, aber als ein außerordentlicher, ein
herausgehobener, wie es nur wenige gab. (Wallstein)
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"Heinrich
Heine"
Mit einem Vorwort von Anne Weber.
Diese sorgfältige und elegant geschriebene Biografie handelt
nicht
nur von Heine, sondern auch von Brod und vom Schicksal der
deutschen Juden; als Brod den Text 1934 veröffentlichte, waren
die Nazis schon ein Jahr an der Macht, das Publikum in Deutschland
nicht mehr erreichbar. Das Buch kam im Exil-Verlag Allert de Lange in
Amsterdam heraus und erlebte bereits 1935 eine zweite verbesserte
Auflage. Dann gingen die schrecklichsten Ereignisse darüber
hinweg. In einem kurzen Vorwort zur neuen Auflage 1956, die dieser
Ausgabe zugrunde liegt, macht Brod darauf aufmerksam: Er musste einiges
ändern nach der Vernichtung des deutschen Judentums.
(Wallstein)
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Weitere
Buchtipps:
Jürgen Reichert (Hrsg.): "Die Rudolphinischen Tafeln"
Übersetzt von Herbert Holler, Karl-Friedrich Mohrenstein,
Ernst Reichert, Jürgen Reichert und Michael Wibel.
Das astronomische Hauptwerk
Keplers,
in dem er auf der Grundlage der Beobachtungen Tychos alle seine Gesetze
und seine Rechenkunst anwendet, um Sonne Mond und Planeten für
Tausende von Jahren zu berechnen. Mit ausführlichen
Anleitungen, Logarithmentafeln, einem Sternkatalog von 1000 Sternen,
einem Katalog von über 500 Orten und vielen historischen
Zusammenhängen. Erste Übersetzung aus dem
Lateinischen ins Deutsche, lateinischer und deutscher Text in einem dem
Original nahekommenden Satz auf mehr als 600 Seiten.
(Königshausen & Neumann)
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Franz
M. Wuketits: "Außenseiter in der Wissenschaft. Pioniere -
Wegweiser - Reformer"
Dilettanten, Grenzgänger, Querdenker, unerwünschte
Reformer - in der Wissenschaftsgeschichte sind sie vielfach vertreten,
als Außenseiter, die mit unkonventionellen Ideen die
Wissenschaft bereichert haben. Johannes Kepler und Paracelsus,
Charles
Darwin und Alexander
von
Humboldt, Alfred Wegener, Barbara McClintock und Hoimar
von Ditfurth - ihnen und vielen anderen Forschern und Gelehrten ist
gemeinsam, dass sie Neuland betreten oder sich mit Problemen in
Disziplinen befasst haben, die nicht ihre eigenen waren. Sie waren
Abenteurer, "Amateure" (im besten Sinn des Wortes), haben herrschende
Paradigmen in Frage gestellt, außerhalb der jeweils
etablierten Wissenschaft geforscht oder einfach einen ungewohnten
Blickwinkel eingenommen. Viele von ihnen sind bei ihren Zeitgenossen
auf Argwohn und Ablehnung gestoßen, ignoriert oder
bekämpft worden und haben erst nach ihrem Tod die ihnen
gebührende Anerkennung gefunden (wovon sie dann nichts mehr
hatten).
Dieses Buch porträtiert Wissenschaftler aus mehreren
Jahrhunderten, die als Außenseiter gewirkt, letztlich aber
der Wissenschaft unverzichtbare Dienste erwiesen haben. Es handelt von
sehr verschiedenen - teils tragischen - Schicksalen und zeigt, dass die
Wissenschaft von unterschiedlichen Temperamenten lebt. Auf sehr gut
lesbare Weise liefert der Autor damit nicht nur einen Beitrag zur
Wissenschaftsgeschichte, sondern gibt auch Einblicke in den
Wissenschaftsbetrieb einst und jetzt und hilft, manche Vorurteile zu
beseitigen, die sich nach wie vor um die Wissenschaft ranken. Das Buch
ist daher keine bloße Sammlung interessanter
(wissenschaftlicher) Biografien, sondern auch ein bemerkenswerter
kritischer Beitrag zum Verständnis der Wissenschaft insgesamt,
deren Entwicklung sich nicht geradlinig, sondern als Zickzackweg
vollzieht. Außenseiter sind dabei unerlässlich.
(Springer Spektrum)
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