Michel Bergmann: "Weinhebers Koffer"
Eine
Novelle für die Toleranz
Der Schriftsteller Leonhard Weinheber sieht sich Ende der 1940er-Jahre
Schikanen ausgesetzt und muss sich eingestehen, dass er in Deutschland
keinen Erfolg haben wird. Schweren Herzens verlässt er seine
Heimat und begibt sich auf ein Schiff in Marseille, das ihn nach
Palästina bringen soll. Einzig sein Koffer trifft im Heiligen
Land ein.
Als der Journalist und Zyniker Elias Ehrenwerth auf der Suche nach
einem Geburtstagsgeschenk bei einem Trödler einen Koffer mit
den Initialen L.W. entdeckt, packt ihn die Neugierde. Er folgt der Spur
des Schriftstellers nach Israel, in der Hoffnung, Hinweise auf den
Verbleib des Mannes zu finden ...
In der Novelle befindet sich der Leser auf drei verschiedenen Ebenen:
Er begibt sich mit Elias Ehrenwerth auf die Suche nach dem Verbleib
Leonhard Weinhebers, erfährt Einzelheiten aus dem
Gefühlsleben jenes Mannes, der seine Existenz in der Heimat
aufgeben musste. Außerdem erhält der Leser einen
Einblick in das schriftstellerische Talent Weinhebers, der mit seinem
Roman den Zeitgeist und die politische Problematik der 1930er-Jahre
aufgegriffen hat.
Die Geschichte ist auf eine Weise konstruiert, die es einem
unmöglich macht, das Buch wegzulegen.
Der Autor überschreitet mit dieser Novelle eine sensible
Grenze zwischen Religionen: Er verfolgt das Schicksal der Juden im
Deutschland der Vorkriegszeit, untersucht das kontroverse
Verhältnis zwischen Juden und Arabern in Israel und versucht,
Vorurteile aus dem Weg zu räumen. In "Weinhebers Koffer"
werden unterschiedliche Sichtweisen, Überzeugungen und
Vorstellungen im Zusammenhang mit einem der kontroversesten und
sensibelsten Themen angesprochen und einander
gegenübergestellt.
Die Figur des Elias Ehrenwert erlaubt sich, Grenzen zu
überschreiten und Meinungen zu vertreten, die in der Gegenwart
kaum beim Namen genannt werden. Seine Ansichten scheinen wie ein
Plädoyer für gegenseitige Akzeptanz und Toleranz.
Selbstsicher äußern Figuren ihre Ansichten und
sprechen den Leser auf eine Weise an, die selten in einem Buch
vorzufinden ist. Sie erlauben ihm, seine eigenen Überzeugungen
zu überdenken und eröffnen neue Meinungsperspektiven
über
religiöse Konflikte.
Fazit:
Eine Lektüreerfahrung, die es wert ist, gemacht zu werden.
(Sabrina Brugner; 01/2015)
Michel
Bergmann: "Weinhebers Koffer"
Edition Kattegat, herausgegeben von Nikolaus Hansen.
Dörlemann, 2015. 144 Seiten.
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Michel
Bergmann wurde 1945 als Kind jüdischer Eltern in einem
Internierungslager in der Schweiz
geboren. Seine Kindheit verbrachte er in
Paris, seine Jugend in
Frankfurt am Main. Er absolvierte eine Ausbildung bei der "Frankfurter
Rundschau", später arbeitete er als freier Journalist, Autor,
Regisseur, Produzent und als Drehbuchautor für Film und
Fernsehen. Zahlreiche Veröffentlichungen (Filme,
Beiträge in diversen Zeitungen, Zeitschriften, Anthologien,
Romane) und Filmpreise.
Weitere Bücher des
Autors:
"Machloikes"
Frankfurt 1953: Zu ihrer Verwunderung haben die Teilacher, die
jüdischen Handelsvertreter, sich eingerichtet im
Nachkriegsdeutschland. Manche von ihnen sind sogar sesshaft
geworden:
Robert Fränkel, die Berliner Stimmungskanone, zum Beispiel.
Doch eines Tages steht die "CIA" vor seiner Tür - er soll mit
den Nazis kollaboriert haben, in SS-Akten taucht sein Name auf.
Dabei
hat er im Lager doch nur Witze erzählt, bis jemand fand, er
könne Hitler Humor beibringen. Und so fangen die Machloikes (jiddisch:
Streit, Durcheinander) an. (dtv)
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"Herr Klee und
Herr Feld"
Mit dem Weggang von Frau Stöcklein müssen die
jüdischen Brüder Kleefeld sich nach einer neuen
Haushaltshilfe umsehen. Moritz (77) ist emeritierter Professor
für Psychologie,
sein Bruder Alfred (75) hat einst in
mittelmäßigen "Dracula"-Filmen mitgewirkt. Bevor die
beiden auch nur die Chance haben, in Rentner-Routine zu versinken,
erscheint Zamira - mit jugendlichem Charme und Klugheit erobert sie die
Herzen der alten Männer, und das Leben könnte einfach
und schön sein, wäre Zamira nicht ausgerechnet
Palästinenserin ... (dtv)
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"Alles
was war"
Ein alter Mann beobachtet heimlich ein Kind. Wie der
Zehnjährige morgens zur Schule geht, wie er zu Hause am Bett
des kranken Vaters sitzt, der trotz schwerster Misshandlungen das KZ
überlebt hat. Wie der Junge "Moby
Dick" liest, am Zeitungsstand neben der "Quick" und "Revue"
die Comics entdeckt, im Café Kranzler
Kakao trinkt und aus dem Klassenzimmer auf die Werbung für
"Creme Mouson" schaut, daneben Frankfurt am Main in Trümmern.
Wie die Jahre vergehen, das Kind zum Mann wird und gegen die
übermächtige Mutter aufbegehrt, während das
Land sich allmählich verändert und doch stets mit
seiner dunklen Vergangenheit leben wird. Wer ist der Alte, der so viel
über das Leben des Jungen weiß? Michel Bergmann
erzählt eine berührende Geschichte voller Magie
über eine Jugend im Nachkriegsdeutschland und über
das Kind in uns, das nie alt wird. (Arche)
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"Die
Teilacher"
1946 hatten sie noch in ausrangierten Güterwaggons gehaust, in
Kellern und halben Ruinen. Die Treppen baufällig, die Nachbarn
grimmig, das politische Klima frostig. Bermann, Fajnbrot,
Verständig, Krautberg und die Anderen waren
zurückgekehrt, oft als einzige Überlebende ihrer
Familie. Bei jedem Wetter, mit Horch, VW oder Tempo Dreirad waren
sie
Tag für Tag unterwegs, verkauften
Weißwäsche in Aussteuerpaketen und fanden das
Unerwartete: die Kraft, wieder an Liebe, Nestbau und Zukunft zu
glauben. (dtv)
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