Lee Smolin: "Im Universum der Zeit"

Auf dem Weg zu einem neuen Verständnis des Kosmos


Eine faszinierende Reise durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Handelt es sich bei unserem Zeitempfinden um eine Illusion, oder ist die Zeit tatsächlich etwas Fundamentales, wenn nicht gar der einzige wirklich fundamentale Aspekt unserer Alltagserfahrung, wie Lee Smolin uns glauben machen möchte? Schon seit Jahrhunderten debattieren Wissenschaftler und Philosophen über diese Frage. Alle Rätsel, die Quantenphysik, Kosmologie und andere Zweige der Naturwissenschaft uns aufgeben, scheinen irgendwie mit dem Wesen der Zeit zu tun zu haben. Auch Lee Smolin glaubte früher an die Unwirklichkeit der Zeit, bevor er dann im Laufe seiner weiteren Forschungsarbeiten zur gegenteiligen Ansicht gelangte.

Vieles scheint in der Tat für die Unwirklichkeit der Zeit zu sprechen, wobei Einsteins Relativitätstheorien wohl das größte Gewicht in diese Waagschale werfen. Und mit den Argumenten, die nahelegen, dass das menschliche Zeitempfinden auf einer Illusion beruht, setzt sich Lee Smolin im ersten Teil seines Buches auseinander, um im zweiten Teil dann die Argumente der Gegenseite zu diskutieren.

Nach eigenem Bekunden schreibt unser Autor für den Durchschnittsleser, der eben nicht über ein detailliertes physikalisches Hintergrundwissen verfügt. Und aus diesem Grunde verzichtet Lee Smolin denn auch auf Gleichungen und Formeln, bringt auch bewusst einfache Vergleiche und Beispiele, um doch recht komplizierte Sachverhalte deutlich zu machen. Dennoch wird es für den Durchschnittsleser oft nicht einfach sein, den Ausführungen des Autors zu folgen. Zu komplex ist das Gelände, das der Leser mit der Lektüre dieses Buches betritt.

Man muss allerdings auch nicht alles verstehen, um dieses Buch mit Interesse und Gewinn zu lesen. Es stellt eine spannende Reise in das vermutete Wesen der Zeit dar, und es geht auch nicht nur um trockene, lehrbuchhafte Wissenschaft, auch Philosophie und Science Fiction geben sich im Buch ein Stelldichein. Und Lee Smolin steuert seine manchmal utopistisch anmutenden Gedanken dazu bei, beispielsweise zum Verständnis der Quantentheorie, zu welchem Thema er anmerkt: "Es wurden viele Ansätze zu einem besseren Verständnis dieser Theorie vorgeschlagen. Ich glaube jetzt, dass sie alle danebenliegen. Wenn wir die Wirklichkeit der Zeit annehmen, eröffnen wir einen Weg zum Verständnis der Quantentheorie, der ihre Geheimnisse erhellt und sie auch auflösen kann." An anderer Stelle postuliert der Autor, dass es im Grunde nur ein einziges Gesetz gibt, das in der Natur wirksam ist und das er als das "Prinzip der Präzedenz" bezeichnet. Einschränkend schickt er allerdings hinterher: "Was auch immer das Schicksal dieser neuen Ideen sein mag - genau wie bei jeder anderen spekulativen Vermutung müssen wir darauf gefasst sein, dass sie sich als falsch erweisen ..." Eine weitere kühne These des Autors legt dem Leser nahe, dass die Zeit wirklich, der Raum aber eine Illusion ist und nichts Anderes als ein dynamisches Netzwerk ähnlich dem Internet.

Auf die letzten Fragen aber weiß auch Lee Smolin keine Antwort zu geben: "Warum es etwas und nicht vielmehr nichts gibt, ist wahrscheinlich eine Frage, auf die es keine Antwort gibt." Oder zur Frage nach der Natur des Bewusstseins: "Das Problem des Bewusstseins scheint von der Wissenschaft nicht beantwortet werden zu können, weil es ein Aspekt der Welt ist, der nicht erfasst wird, wenn wir alle physikalischen Interaktionen zwischen Teilchen beschreiben."

Fazit:
Lee Smolins "Im Universum der Zeit" ist ein manchmal provozierend wirkendes aber überaus anregendes Buch. Und das nicht nur zum Nachdenken.

(Werner Fletcher; 07/2014)


Lee Smolin: "Im Universum der Zeit.
Auf dem Weg zu einem neuen Verständnis des Kosmos"

(Originaltitel "From the Crisis in Physics to the Future of the Universe")
Aus dem Englischen von Jürgen Schröder.
DVA, 2014. 412 Seiten.
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Lee Smolin, geboren 1955 in New York, ist Professor für theoretische Physik und einer der Mitbegründer des kanadischen "Perimeter-Instituts für theoretische Physik".

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