Hans-Dieter Gelfert: "William Shakespeare in seiner Zeit"
Eine in erster Linie für
Laien gedachte Einführung in die Welt und die Werke William
Shakespeares
"Seit über zwei Jahrhunderten ist er (Shakespeare) der
meistbeforschte Dichter aller Zeiten", informiert uns Hans-Dieter
Gelfert in seinem Vorwort. Und Gelfert kann, wie er sich und seinen
Lesern eingesteht, keineswegs mit neuen biografischen Erkenntnissen
aufwarten. Warum dann also schon wieder ein Buch über William
Shakespeare?
Gelferts Buch wendet sich in erster Linie an den
literarisch interessierten Laien, den er an den Dichter und an die Welt
heranführen will, in der dieser gelebt und gewirkt hat. Natürlich haben
auch vorher schon andere Autoren mit dem gleichen Anspruch über
Shakespeare geschrieben, denn nur aus der Zeit und den damaligen
Umständen heraus lässt sich die Größe Shakespeares hinreichend deuten
und verstehen. Und trotz der schier unübersehbaren Fülle an
Shakespeare-Sekundärliteratur und Shakespeare-Biografien ist Hans-Dieter
Gelferts Publikation eine Bereicherung für den Büchermarkt.
Aber wer war denn eigentlich der wahre Schöpfer der William Shakespeare
zugeschriebenen Werke? Diese Frage scheint für viele Forscher bis heute
nicht geklärt, und mittlerweile kursieren über 60 Namen, von deren
Trägern behauptet wird, der wahre Shakespeare gewesen zu sein. Erst im
Jahr 2011 erschien von dem deutschen Autor Bastian Conrad ein über 700
Seiten starker Wälzer, in welchem er eine Lanze für Christopher Marlowe
bricht. Gelfert allerdings zieht Shakespeares Autorschaft keineswegs in
Zweifel und schreibt die Spekulationen um "den wahren Shakespeare" der
latenten Faszination zu, die Verschwörungstheorien auf die meisten
Menschen ausüben. Diese Frage nach der tatsächlichen Urheberschaft der
Shakespeareschen Werke ist zentrales Thema im Vorspann des Buches.
Dann geht es ans eigentliche Sujet: die Lebenszeit William Shakespeares
mit ihren politisch und sozial relevanten Aspekten. Das erste Kapitel
bzw. der erste Hauptteil des Buches beleuchtet zunächst die Zustände,
wie sie damals in England geherrscht haben. Da gab es die religiösen
Wirren in der Dreiecksbeziehung von Protestantismus, Katholizismus und
der von Heinrich dem Achten gegründeten englischen Staatskirche; dann
gab es die ökonomischen Probleme im Gefolge von Inflation, Missernten
und Pestepidemien, und nicht zuletzt spielten auch die damaligen
politischen Gegebenheiten für Shakespeares Werdegang eine nicht
unwesentliche Rolle. In diesem Zusammenhang werden sowohl Elisabeth I.
als auch Jakob I. jeweils ein eigenes kurzes Kapitel gewidmet.
Aber auch der Konflikt zwischen Wissenschaft und Aberglaube prägte das
gesellschaftliche Leben zu Shakespeares Zeiten. Recht viel Text widmet
Hans-Dieter Gelfert logischerweise den kulturellen Entwicklungen der
damaligen Zeit, dabei wird vor allem die Rolle des Theaters ausführlich
behandelt, der Welt eben, in welcher Shakespeare zuhause war.
Nach den allgemeinen Verhältnissen in England sowie den dortigen
kulturellen Gegebenheiten beschert der dritte Teil des Buches dem Leser
mit vielen Fragezeichen versehenes Biografisches zu William Shakespeare.
Im Anschluss daran folgen die Werkbetrachtungen, beginnend mit den
Sonetten, von denen etwa dreißig sowohl im englischen Original als auch
in der deutschen Übersetzung abgedruckt sind.
Eine allgemein gehaltene Charakteristik von Shakespeares Werken liefert
das Kapitel "Shakespeares Weltsicht"; eine Sicht, die man nur versuchen
kann, seinen Werken zu entnehmen, da andere Zeugnisse Shakespeares nicht
überliefert sind. Es folgen
Kurzeinführungen bzw. Inhaltsangaben der Dramen, beginnend mit den
Historien oder history plays wie z. B. "Falstaff" oder "Heinrich
VIII.", Komödien, Tragödien und Romanzen schließen sich an, wobei
Gelfert dem "Hamlet"
berechtigterweise eine Sonderstellung einräumt.
In seiner Abschlussbetrachtung versucht der Autor, das Wesen von
Shakespeares Kunst zu charakterisieren; einer Kunst, die in der Vielfalt
von Charakterdispositionen besteht, in der überzeugenden Darstellung der
inneren Entwicklung von Menschen; und viele von Shakespeares
Protagonisten dienten späteren Psychologen gar als Musterbeispiele
menschlicher Verhaltensweisen. Die Welten, in denen Shakespeares Stücke
spielen, aber scheinen in sich zerrissen zu sein und somit durchaus
vergleichbar mit unserer modernen Welt.
Mit der Hoffnung, "neben dem historisch dokumentierten Bild des
großen Dichters auch das Bewundernswerte an seinem Werk gezeigt zu
haben", schließt Hans-Dieter Gelfert seine Ausführungen über
William Shakespeare in seiner Zeit, und ich denke nicht, dass seine
diesbezügliche Hoffnung trügt. Das Buch ist zudem übersichtlich
gegliedert, so dass sich der Leser bestens darin zurechtfindet, auch ist
es verständlich und sprachgewandt geschrieben und ermöglicht so einen
ungestörten, ungetrübten Lesefluss.
Im Anhang finden sich noch eine Stammtafel der Familie Shakespeare, eine
Bibliografie der Werke Shakespeares, eine Zeittafel, eine Auswahl von
Sekundärliteratur sowie ein Personenregister.
(Werner Fletcher; 04/2014)
Hans-Dieter
Gelfert: "William Shakespeare in seiner Zeit"
C.H. Beck, 2014. 472 Seiten, mit 94 Abbildungen und 1 Stammtafel.
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Weitere Buchtipps:
William Shakespeare: "Dramen"
Nach der Schlegel-Tieck-Ausgabe letzter Hand herausgegeben von Dietrich
Klose. Nachwort: Peter
von Matt.
Die beliebtesten Dramen Shakespeares in schöner Ausstattung und
bewährter Reclam-Qualität: "Romeo und Julia", "Ein
Sommernachtstraum", "Der Kaufmann von Venedig", "Viel Lärmen um
nichts", "Was ihr wollt", "Hamlet", "Othello", "König Lear", "Macbeth",
"Der Sturm". Alle Texte - in den klassischen Übersetzungen von
Baudissin, Schlegel und Tieck - wurden für diese Ausgabe durchgesehen,
mit dem Originaltext verglichen und wo nötig kommentiert. Das Nachwort
schrieb der Zürcher Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Peter
von Matt. (Reclam)
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Tobias Döring (Hrsg.):
"Wie er uns gefällt. Gedichte an und auf William Shakespeare"
Dieser stets brisante, stets amüsante Klassiker begeistert Generation um
Generation aufs Neue. Kein Anderer ist in Theatern rund um den Globus
derart präsent. Nach Gott, so meinte Alexandre Dumas einmal, hat
Shakespeare am meisten erschaffen. Und nach Gott, so ließe sich
ergänzen, wird Shakespeare am meisten verehrt. Höchste Zeit für eine
dichterische Würdigung über alle Epochen und Kulturkreise hinweg.
Diese Sammlung offenbart, welchen Reim sich Lyriker in vier
Jahrhunderten, acht Sprachen und mehr als zwanzig Ländern auf
Shakespeares Werk und seine Figuren gemacht haben: ein Gipfeltreffen der
Weltpoesie und eine universelle Wechselrede mit dem "Stern der
schönsten Höhe" (Goethe). Unter den zahllosen Würdigungen sind
auch Exklusivbeiträge deutschsprachiger Lyrikerinnen und Lyriker,
darunter Friederike
Mayröcker, Ursula
Krechel oder Durs Grünbein. (Manesse)
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Neil MacGregor:
"Shakespeares ruhelose Welt"
Während Shakespeare unvergängliche Werke wie "Romeo und Julia",
"Hamlet", "Othello" oder "König Lear" schrieb, ging die Welt durch ein
Zeitalter tiefgreifender Veränderungen. Seit der Entdeckung
Amerikas hatten sich die Horizonte Europas dramatisch erweitert.
Ein ganzes Weltbild geriet ins Wanken. Neil MacGregor führt uns anhand
von zwanzig Objekten mitten hinein in diese Zeit - und hinein in die
Stücke Shakespeares.
Ob er uns das Schwert eines Edelmanns oder die Wollmütze eines
Handwerksburschen, einen Glaskelch aus Venedig oder Münzen aus
Marrakesch vorstellt - immer weiß er eines der Themen zu illuminieren,
die Shakespeares Zeitalter prägten: die Globalisierung, die
Glaubenskämpfe, die
Pest, der Islam, die Magie - und uns zugleich mit einem der
aufregendsten Dichter der Weltliteratur vertraut zu machen. Das Resultat
ist ein hinreißend lebendiges, glänzend geschriebenes und in vielem
überraschendes Porträt der gefährlich aufgewühlten Welt von William
Shakespeare. (C.H. Beck)
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Isaac
Asimov: "Shakespeares Welt. Was man wissen muss, um Shakespeare
zu verstehen"
Mit einem Vorwort von Tobias Döring.
Höchst fundiert - und dennoch allgemein verständlich - erklärt Asimov
die literarischen, historischen und mythologischen Hintergründe
einzelner Shakespeare-Stücke. Von seinen 40 Essays erscheint erstmals
eine Auswahl von zwölf Texten: "Ein Sommernachtstraum", "Romeo und
Julia", "Othello", "Macbeth", "Hamlet", "Der Sturm", "Viel Lärm um
nichts", "König Lear", "Wie es euch gefällt", "Der Kaufmann von
Venedig", "Was ihr wollt", "Richard III.".
"Die meisten Leser sind mit der griechischen Mythologie
oder der römischen Geschichte nicht mehr vertraut. Und noch schlechter
kennen sie sich in der englischen Geschichte aus. Wenn man genauer
weiß, was die Stücke behandeln, kann das neue Dimensionen eröffnen.
Das möchte ich mit diesem Buch erreichen." (Isaac Asimov)
(Alexander)
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Heinrich
Heine: "Shakespeares Mädchen und Frauen"
Julia, Ophelia, Lady Macbeth oder Helena - Shakespeare hat ihnen und
vielen Anderen in seinen Theaterstücken eine Stimme verliehen und sie
unvergesslich gemacht. Heinrich Heine, ein großer Bewunderer des
englischen Dramatikers, befasst sich mit jeder Einzelnen und lässt sie
in einem neuen Licht erscheinen. Illustriert mit zeitgenössischen
Illustrationen der Erstausgabe von 1838. (Hoffmann und Campe)
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Frank Günther: "Unser
Shakespeare"
Im Kampf um und mit Shakespeare und dessen Werken hat Frank Günther seit
fast vierzig Jahren manche Schlacht geschlagen: Gemordet hat er dabei
nur in seinen Übersetzungen, und sein Florett wird gefürchtet und
bewundert. Denn wenn es um den englischen Dramatiker geht, fliegen auch
bei ihm die "WortFetzen".
Wer war denn dieser weltberühmte Dramatiker und Lyriker überhaupt? War
er vielleicht schwul? War er ein singulärer Künstler oder nur ein
genialer Handwerker? Ist Shakespeare "unser" wie Goethe oder Schiller
und quasi ein Zeitgenosse, der "moderne" Bühnenspektakel liefert? Gegen
diese Art der unreflektierten Einvernahme helfen verbürgte Fakten zum
Autor und seiner Rezeptionsgeschichte.
Aus der Übersetzerwerkstatt gibt Frank Günther spannende Einblicke in
das "Phänomen Shakespeare". Seine Anregungen lesen sich mit Vergnügen
und zugleich mit großem Wissensgewinn. (dtv premium)
Buch
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Leseprobe:
(...) Der zweite Irrtum ist die Annahme, dass nur der Besuch einer
Universität Shakespeare das große Bildungswissen vermittelt haben kann,
das aus seinen Werken spricht. In seinem Fall gilt eher das Gegenteil.
Diejenigen seiner Konkurrenten, die ein Universitätsstudium hinter sich
hatten und die schon damals als university wits bezeichnet
wurden, waren teils durch die klassischen Vorbilder, teils durch
tradierte Geschmacksnormen in Stil und Darstellungsweise viel stärker
auf Konventionen fixiert als ein Autor, der sich ausschließlich an der
Wirkung auf das Publikum orientierte. Im Übrigen brauchte Shakespeare
keine Universität, weil er in einer Stadt lebte, die schon von seinen
Zeitgenossen als "dritte Universität Englands" bezeichnet wurde. Hier
gab es nicht nur die vier bedeutendsten Rechtsschulen des Landes,
sondern darüber hinaus Bildungseinrichtungen für fast alle Bereiche. Die
Stadt war ein Schmelztiegel der intellektuellen Moderne, bereichert
durch Immigranten vom Kontinent, die vor dem Druck der Gegenreformation
und der physischen Bedrohung durch die spanische Besatzungsmacht aus den
Niederlanden geflohen waren. Hier war ein freierer Austausch von Ideen
möglich als an den Universitäten von Oxford und Cambridge, die unter
kirchlicher Kontrolle standen. Wer glaubt, dass ein Schauspieler nicht
fähig gewesen sein soll, sich selber geistig auszubilden, der sollte
sich fragen, wie der schlesische Schuhmacher Jakob Böhme Gedanken
niederschreiben konnte, die ihn zu einem Großen der deutschen
Philosophie machten, und wie der Amsterdamer Linsenschleifer Benedictus
de Spinoza eine rationalistische Philosophie entwickeln konnte, die ihn
ebenbürtig neben Descartes und Leibniz stehen lässt. Dabei wäre bei
diesen beiden eine akademische Schulung viel eher nötig gewesen als bei
einem Dichter, dessen Kreativität auf angeborenem Genie beruht. Ein
Autodidakt war auch Thomas
Mann, der in seinem "anstößigen Lebenslauf" ironisch zerknirscht
bekennt, nicht einmal das Abitur geschafft zu haben. Im Vergleich mit
seinen Altersgenossen hatte er wahrscheinlich eine schlechtere
Schulbildung als Shakespeare.
Der dritte Irrtum beruht auf der stillschweigenden Annahme, dass ein Schauspieler
nur das reproduktive Medium für Texte sei, die von kreativeren Köpfen
außerhalb der Bühne produziert wurden. Das entspricht der späteren
Praxis, doch für Shakespeare gilt es ebenso wenig wie für die großen
Dramatiker des antiken Athen. Man stelle sich einmal vor, Schiller
wäre ein begabter Schauspieler gewesen und hätte damit seinen
Lebensunterhalt verdient. Spricht nicht alles dafür, dass seine Stücke
dann reicher, bunter und psychologisch glaubwürdiger geworden wären? Er
hätte seinen Charakteren dann nicht nur die eigenen Ideen in den Mund
gelegt, sondern wäre in ihre Rollen geschlüpft und hätte sie das sagen
lassen, was ihrem Charakter entsprach. Genau das tat Shakespeare, und
eben das zeichnet ihn vor Marlowe und den anderen aus. Als Schauspieler
konnte er sich in edelmütige Helden wie in Schurken, in Weise wie in
Narren, in von Vernunft geleitete Denker wie in leidenschaftliche Täter
hineinversetzen, und er konnte sich sogar wie kein anderer in Frauen
einfühlen, die damals auf der Bühne von Knaben gespielt wurden. An
dichterischer Sprachkraft stand ihm Marlowe nicht nach, doch der war
kein Schauspieler, dafür aber geistig auf der Höhe der Zeit und kannte
seinen Machiavelli.
Deshalb spricht aus seinen Haupthelden nur der Machiavellist. Aus
Shakespeares Bühnenpersonal spricht ein vielstimmiger Chor, in dem fast
alle menschlichen Regungen und alte wie neue Weltsichten hörbar werden.
(...)