Mikael Niemi: "Die Flutwelle"
Schockierend-spannende
Dramatik inmitten einer vernichtenden Flut
"Als er den Damm erklommen hatte, blieb er abrupt stehen. Vor ihm,
quer durch den Asphalt, verlief ein gewundener Riss. Ziemlich breit,
einige Zentimeter. Er war sich ganz sicher, dass der am Morgen noch
nicht da gewesen war."
Wochenlanger Regen führt in Schweden zu einer unvorstellbaren,
unglaublich schrecklichen Katastrophe: Ein Staudamm im Norden des Landes
bricht, und die Wassermassen bahnen sich rücksichtslos und grausam einen
Weg durch das Land, die Menschen und deren Leben. Völlig überrascht von
der großen, kalten, dunklen Flutwelle findet sich eine Gruppe von
Menschen, die der Leser bei ihrem Überlebenskampf begleitet.
Da wäre zum Beispiel Barney mit seinen zwei Kolleginnen, die direkt am
Staudamm arbeiten, als das Unglück seinen Lauf nimmt. Am Schluss werden
zwei dieser drei tot sein. Außerdem ist da die junge Lovisa. Sie ist
schwanger und versucht in einem Haus, sich und ihr ungeborenes Kind zu
beschützen, während sie von den Wassermassen mitgerissen werden. Ihr
Vater Vincent ist Pilot und wollte sich an diesem Tag, geschieden und
einsam, eigentlich umbringen. Sein Hubschrauber erweist sich im letzten
Moment jedoch als Rettung und nicht als Waffe. Viele weitere Menschen
ereilt ein ähnliches Schicksal.
Von Vergewaltigung bis Mord, von Hilfsbereitschaft bis Selbstlosigkeit -
"Die Flutwelle" hat alles zu bieten, was ein berührendes Drama ausmacht.
Auf bedrückende, eindrucksvolle und schockierende Art baut der Autor
Schicksale rund um diese Extremsituation auf und nimmt eine Hand voll
Opfer in den Mittelpunkt.
Diese haben nicht nur mit dem Wasser, sondern auch mit sich selbst und
ihrem Gewissen zu kämpfen, sie stoßen nicht nur an ihre körperlichen
Grenzen, sondern müssen auch seelischem Druck standhalten.
Als Leser urteilt man vielleicht vorschnell über die verschiedenen
Verhaltensweisen der Protagonisten: der Mann, der eine Frau vergewaltigt
und Morde begeht, ein alter Mann, der mit letzter Kraft einen Freund
rettet und droht, dabei selbst zu sterben, und eine Frau, die einen
verhassten Kollegen zu retten versucht. Das Buch ist so kontrovers wie
intensiv. Jedes Kapitel endet spannend und macht Lust auf mehr. Dieses
"Mehr" kommt oft auf sehr drastische Weise.
Schilderungen von Wunden, Vergewaltigung, Sex und Schmerz sind nicht für
jedes Alter und Nervenkostüm geeignet, auch wenn sich diese Passagen in
Grenzen halten. Prägend für die Lektüre ist jedoch der bedrückende,
erschreckende und damit auch spannende Charakter des Buches. Die
Spannung zwischen Neugierde und Abstoßung korreliert mit den wechselnden
Szenen von Schrecken und herzzerreißender Nächstenliebe.
"Die Flutwelle" ist dramatisch und nichts für Romantiker. Das Buch
vermittelt ein eigenartiges Gefühl, resultierend aus den
Grenzerfahrungen dieser Menschen. Wen das nicht abschreckt, dem wird
Mikael Niemis Buch gefallen. Es ist jedoch kein heroisches
Liebesgeplänkel mit hundertprozentig glücklichem Ende.
(Alexandra Gölly; 04/2014)
Mikael Niemi:
"Die Flutwelle"
(Originaltitel "Fallvatten")
Aus
dem Schwedischen von Christel Hildebrandt.
btb, 2014. 317 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Digitalbuch bei amazon.de bestellen
Weitere Lektüretipps:
Hjalmar Bergman:
"Skandal in Wadköping"
Der 6. Juni 1913 ist ein Tag, den ganz Wadköping so schnell nicht
vergessen wird. Schlag auf Schlag offenbaren sich der schwedischen
Kleinstadt sorgsam bemäntelte Geheimnisse: zwei heikle Affären, ein
unehelicher Sohn, ein verschleppter Bankrott ...
Der Machtkampf zwischen den neureichen Markurells und den altehrwürdigen
de Lorches gipfelt in einer Schulhofprügelei ihrer Sprösslinge.
Ausgerechnet am Tag des Abiturs werden die Zukunftspläne beider Familien
in Frage gestellt.
Hjalmar Bergmans tragikomischer Roman, einer der beliebtesten Klassiker
der schwedischen Literatur, amüsiert mit schrulligen Charakteren und
köstlichen Dialogen. (Manesse)
Buch bei amazon.de bestellen
Axel Bojanowski: "Die Erde
hat ein Leck. Und andere rätselhafte Phänomene unseres Planeten"
Wie schon beim erfolgreichen Vorgänger "Nach zwei Tagen Regen folgt
Montag" versteht es Axel Bojanowski auch in diesem Buch, unglaubliche,
mysteriöse, haarsträubende und spannende Rätsel der Erde auf der Höhe
der aktuellen Forschung zu erzählen. Warum etwa kippt die
Erde? Steht ein Erdbebensturm bevor? Wo schießen Feuerraketen aus
dem Boden? Und sind Biowetter-Vorhersagen wirklich Unsinn?
Präzise, unterhaltsam und verständlich erzählt der Autor von den großen
Fragen der Geowissenschaft und der Klimaforschung - mit wunderbarem
Gespür für die schrägen Details. (DVA)
Buch
bei amazon.de bestellen
Andreas
Wolfsteiner, Günter Wittmann: "Nur Egoismus kann das Klima retten.
Warum ökologisches und ökonomisches Handeln kein Widerspruch sein
muss"
Nur wenn CO2 einen Preis bekommt und sich damit Klimaschutz für
Unternehmen und für Bürger aus egoistischen Motiven rechnet, besteht
eine Chance, den CO2-Ausstoß nachhaltig zu reduzieren. So das Resümee
der beiden Autoren nach ihrer differenzierten Analyse sämtlicher
Alternativen. Ihr Plädoyer: Ein realistisches Menschenbild und eine
realistische Vorstellung darüber, wie Wirtschaft funktioniert, sind
Voraussetzungen für einen gelingenden Klimaschutz.
Dieses Buch begnügt sich nicht mit abstrakten Forderungen: Konkrete
Vorschläge auf nationaler, EU- und internationaler Ebene werden ebenso
vorgestellt wie die sozialen Aspekte des Klimaschutzes und die
technischen Potenziale. (Gütersloher Verlagshaus)
Buch
bei amazon.de bestellen
Hans-Werner
Sinn: "Das grüne Paradoxon. Plädoyer für eine illusionsfreie
Klimapolitik"
Alle nationalen Maßnahmen von Ökosteuer bis zur staatlichen Förderung
grüner Energien gehen nicht nur zu Lasten der Steuerzahler, sondern
beschleunigen auch noch den Klimawandel. Hans-Werner Sinn, Präsident des
"ifo Instituts", klärt über die fatalen Irrtümer der Umweltpolitik auf
und beseitigt die blinden Flecken in einer lebenswichtigen Debatte.
(Ullstein Taschenbuch)
Buch
bei amazon.de bestellen
"Schicksale
des Klimawandels"
Von Mathias Braschler, Monika Fischer, Text von Jonathan Watts,
Gestaltung von Peter Zimmermann.
Ein Buch gegen die Gleichgültigkeit angesichts ökologischer
Katastrophen. Erschütternde Porträts von Menschen, die mit den Folgen
des weltweiten Klimawandels leben müssen.
Eine der größten Überschwemmungen in der Geschichte der Region zerstörte
Haus und Geschäft von Yang Gengbao und seiner Frau aus der Provinz
Guangxi in China. Durch die enorme Austrocknung des Tschadsees kann
Abakar Maydocou Mahamat als Fischer nicht mehr überleben. Margaret
Aliurtuq Nickerson aus Westalaska muss ihr Dorf Newtok bald verlassen,
da der Boden in der Permafrostzone taut und dadurch Häuser und Straßen
absacken.
Das Klima unseres Planeten erwärmt sich aufgrund von
Treibhausgasemissionen. Während die Experten noch über die möglichen
Folgen diskutieren und die Politiker scheinbar machtlos sind, etwas
dagegen zu tun, haben heute schon viele Menschen unter den Auswirkungen
des Klimawandels zu leiden.
Mathias Braschler und Monika Fischer reisten im Jahr 2009 in 16 Länder
auf der ganzen Welt und fotografierten und befragten Menschen, deren
Existenz durch die Folgen des Klimawandels bedroht ist. (Hatje Cantz
Verlag)
Buch
bei amazon.de bestellen
Gregor
Taxacher: "Apokalypse ist jetzt. Vom Schweigen der Theologie im
Angesicht der Endzeit"
Der Zusammenbruch der globalen Zivilisation kann in Wahrscheinlichkeiten
ausgerechnet werden. Wenn wir bleiben wollen, müssen wir uns ändern.
Wahrhaben wollen wir das aber lieber nicht. Und auch die Kirchen
schweigen.
Dabei verfügt gerade das Christentum in seiner Tradition der Apokalypse
über Quellen der Weltdeutung, die einen rettenden Paradigmenwechsel mit
herbeiführen könnten.
Gregor Taxacher macht deutlich, was es bedeutet, diese heute zu
aktivieren: Theologie
und Kirche müssen ihre faktische Koalition mit einer Religion
bürgerlicher Stabilität aufgeben. Es gilt, gegen ein bloß
technokratisches Krisenmanagement einen Habitus des Überlebens zu
entwickeln, die biblische Gesellschaftskritik für eine Vision der Welt
von morgen neu zu entdecken und auszulegen. Ein Buch, das der
Gesellschaft die Wahrheit zumutet, die sie aus der Erstarrung befreien
kann. (Gütersloher Verlagshaus)
Buch
bei amazon.de bestellen
Fritz
Vahrenholt, Sebastian Lüning: "Die kalte Sonne. Warum die
Klimakatastrophe nicht stattfindet"
Entgegen den Prognosen ist die Erderwärmung seit zehn Jahren zum
Stillstand gekommen. Neueste Erkenntnisse belegen, dass dies maßgeblich
durch Ozeanzyklen und durch die Sonne verursacht ist, die in eine
strahlungsarme Phase getreten ist. In großer Anschaulichkeit zeigen zwei
Experten die weitreichenden Konsequenzen für unser Klima auf.
Der Weltklimarat ist sich sicher: Die Klimaerwärmung ist vom Menschen
verschuldet. Doch sind die berüchtigten Treibhausgase tatsächlich
vornehmlich für unser Klima verantwortlich?
Und warum wird es nicht mehr wärmer? Vahrenholt und Lüning haben sich im
Laufe ihrer Untersuchungen intensiv mit den verschiedenen Klimamodellen
beschäftigt. Sie kommen zu der Auffassung, dass die Erderwärmung der
letzten 150 Jahre Teil eines natürlichen Zyklus ist, der überwiegend von
der Sonne geprägt wird. Die nächsten Jahrzehnte werden eher zu einer
leichten Erdabkühlung als zu einer weiteren Erwärmung führen. Das bietet
Zeit, erneuerbare Energieträger zielgerichtet auszubauen und diese
Umstellung in ökonomisch vernünftiger Weise und nachhaltig zu gestalten.
(Hoffmann und Campe)
Buch
bei amazon.de bestellen
Roman
Brinzanik, Tobias Hülswitt: "Werden wir die Erde retten? - Gespräche
über die Zukunft von Technologie und Planet"
Angeblich ist die Zeit der großen Erzählungen vorüber. Tatsächlich aber
verbinden sich Zukunftsszenarien der Ressourcenknappheit und des Klimawandels
zur großen Katastrophenerzählung unserer Zeit - zu einer Geschichte, die
sich auf empirische Daten und naturwissenschaftliche Modelle stützt. Der
Physiker Roman Brinzanik und der Schriftsteller Tobias Hülswitt
diskutierten mit dem Chemie-Nobelpreisträger Paul J. Crutzen, Stefan
Rahmstorf, einem Mitarbeiter des Weltklimarats, und weiteren führenden
Forschern über diese Bedrohungen und über neuartige Lösungsansätze des
Geo-