Jo Nesbø: "Der Sohn"
"Aber
dann wären auch Francks Frau und die Kinder in die Schusslinie
geraten." "Unschuldige. Er will keine Unschuldigen treffen."
Menschlicher Kriminalroman mit mörderischem Potenzial
Der zurückgezogene Sonny Lofthus sitzt seit seinem 18.
Lebensjahr wegen zweifachen Mordes im Gefängnis und gilt als
hoffnungsloser Junkie, aber auch eine Art
Beichtvater für seine Mitgefangenen. Doch eine brisante
Beichte eines Häftlings reißt Sonny aus seiner
Apathie. Er erfährt, dass sein Vater Ab kein korrupter
Polizist und der vorgetäuschte Selbstmord ein grausamer Mord
war. Ab war sogar einem Maulwurf in den Reihen der Polizei auf der Spur
und musste deshalb sterben. Sonny schafft es, aus dem
Gefängnis auszubrechen. Er will seinen Vater rächen
und dessen Namen reinwaschen.
Auf seinem gerechten Rachefeldzug stattet er all jenen einen
tödlichen Besuch ab, die es aufgrund ihrer grausamen Taten und
der Beihilfe zum Mord seines Vaters verdienen, geht dabei aber fast
rücksichtsvoll vor. Er will auch den Hintermann, genannt "Zwilling",
und den wahren Maulwurf finden und ihrer gerechten Strafe
zuführen. Bei seinem kalkulierten Feldzug für die
Gerechtigkeit verliert er dieses Ziel nie aus den Augen und macht auch
vor Staatsbeamten nicht Halt. Nur die die schöne und
gütige Martha lenkt ihn etwas ab und weckt völlig
unbekannte Gefühle in ihm.
Sonnys Morde werden von dem engagierten Kriminalbeamten Simon Kefas und
seiner jungen Kollegin bald in Zusammenhang gebracht, und ein
Katz-und-Maus-Spiel beginnt. In dessen Verlauf behält Sonny
auf amüsant dreiste Art stets die Oberhand und liefert den
Beamten sogar Beweise für die Schuld seiner Opfer. Je
näher Sonny dem großen Hintermann kommt, desto
gefährlicher wird es aber auch für ihn selbst. Nicht
nur die Polizei hat einen Ruf zu verlieren, auch der "Zwilling"
will seine eigene Vorstellung von Bestrafung verwirklichen. Die
Ereignisse überschlagen sich, und langsam kommt die ganze
Wahrheit ans Licht - auf einem Weg, der gepflastert ist mit Intrigen,
Verrat, Korruption, Verbrechen und Leichen ...
"Der Sohn" hat viele verschiedene Schauplätze und noch mehr
Figuren, die dort agieren. Kapitel für Kapitel fügt
sich das Bild zu einem Gesamtkunstwerk und lässt den Leser
"alte Bekannte" in verschiedenen Kapiteln wiedererkennen. Die grandiose
Handlung wird nur von den fantastischen, vielfältigen
Charakteren übertroffen, die Nesbø in seinem Werk
zum Leben erweckt. Er schafft es, im Leser Mitgefühl und
Solidarität für den verletzlichen
Mehrfachmörder Sonny zu wecken und lässt seinen
Gerechtigkeitssinn schwanken. Jeder einzelne Charakter ist mit Hingabe
und Raffinesse zusammengesetzt, die Handlung ist kunstvoll konstruiert
und bietet einige Überraschungsmomente.
Mit Ironie und Witz werden die zeitweise grausamen Passagen, in denen
Verbrechen wie Mord
und Folter
beschrieben werden, gekonnt umspielt und schaffen so ein perfektes
Verhältnis zwischen Spannung, kontrollierter Grausamkeit und
berührenden Lebensgeschichten. Das packende
Lesevergnügen verliert auf keiner der 521 Seiten an
Anziehungskraft und ist schlicht ein bombastisches Meisterwerk. Der
Kriminalroman ist nicht nur für eingefleischte Genreleser
absolut empfehlenswert, denn die unschönen Passagen werden bei
Weitem von der überlegten und "gütigen"
Vorgehensweise des Racheengels aufgewogen.
Fazit:
Beeindruckend, packend und aufregend - absolutes
Verkaufsschlagerpotenzial. Ein Krimi, den man gelesen haben muss!
(Alexandra Gölly; 11/2014)
Jo
Nesbø: "Der Sohn"
(Originaltitel "Sønnen")
Aus
dem
Norwegischen übersetzt von Günther Frauenlob.
Ullstein, 2014. 521 Seiten.
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