Klaus Werner-Lobo, Hans Weiss: "Schwarzbuch Markenfirmen"

Die Welt im Griff der Konzerne


Im Jahr 2001 hat das "Schwarzbuch Markenfirmen" für tüchtigen Widerhall gesorgt. Wie nun der aktualisierten Version zu entnehmen ist, hat es aber kein Unternehmen gegeben, das die Vorwürfe bzw. Feststellungen dementiert hätte. Die Unternehmer wissen also ganz genau, welche Konsequenzen ihr Verhalten hat.

Dementsprechend ist die wichtigste Frage im Kontext der Ausgabe 2014: Hat sich denn irgendetwas in positiver Hinsicht getan? Leider muss diese Frage verneint werden, ganz im Gegenteil sind die Vorgehensweisen der Unternehmen durch gewisse Deckmäntel "abgesichert" teilweise noch dreister, und insbesondere sind nicht wenige weitere Markenfirmen hinzugekommen, die gehörig aufmischen und fröhlich Gewinnmaximierung durch Missachtung von Menschenrechten, Zerstörung der Umwelt, famose Steuerersparnis und einige Unarten mehr anstreben und auch erzielen.

An dieser Stelle soll gar nicht auf einzelne Unternehmen eingegangen werden, weil dies den Eindruck vermitteln könnte, die anderen Unternehmen wären nicht ganz so schlimm. Es geht mehr darum, die Gemeinsamkeiten darzustellen. Zuvorderst ist hier die Steuerflucht bzw. "legale" Steuerersparnis zu nennen. Die Multis können es sich erlauben, Experten anzustellen, deren einzige Aufgabe darin besteht, "legale" Methoden anzuwenden, die Steuer sparen hilft. Wobei die Logik leicht zu durchschauen ist. Nachdem die Multis eine Menge Töchtergesellschaften in aller Herren Länder installiert haben, wird so vorgegangen, dass in Ländern mit hohen Steuersätzen der Gewinn sehr gering ausfällt oder sogar gar nicht "gegeben" ist, dafür aber in den so hochdekorierten Steuerparadiesen umso höher ausfällt. Wie dann mit den Zahlen jongliert wird bzw. die Gewinne gegeneinander verrechnet werden, ist Sache der Experten. Ergebnis ist auf alle Fälle, dass nicht wenige Unternehmen in einigen Ländern sogar Steuergeld zurück erhalten, weil eben kein Gewinn erzielt worden ist. Einfach, nicht wahr?

Im Grunde passieren Dinge, die nicht zu fassen sind. Der Neoliberalismus spielt hierbei den multinationalen Unternehmen sehr gut in die Karten. Sie bestimmen zu gut 80 Prozent den Markt, vielleicht ist es sogar noch mehr. Das beginnt bei der Finanz, geht über die Pharmabranche bis zu Textilien und Lebensmitteln. Einige wenige, die aber seit 2001 eben mehr geworden sind, insgesamt 150 Multis, regieren sozusagen die Wirtschaft und haben somit das Sagen. Denn wenn Töchter dieser Unternehmen in einzelnen Ländern Konkurs anmelden oder sich gar auflösen würden, wo bliebe dann das Wirtschaftswachstum? Sollte irgendein verantwortlicher Politiker ein Unternehmen zur Verantwortung rufen und etwa darauf bestehen, dass mehr Steuer bezahlt werden möge (was nichts Anderes bedeuten würde, als Multis mit kleineren und mittleren Unternehmen gleichzustellen!), dann wird irgendein Konzernsprecher sofort damit drohen, etwa den Standort Österreich zu verlassen.
Nachdem diese Unternehmen sehr viele Arbeitsplätze "schaffen", reicht diese Drohung aus, um ein Verstummen dieses Politikers zur Folge zu haben.

Die Zulieferbetriebe dieser Multis beschäftigen Menschen, die in Entwicklungsländern zu Hungerlöhnen und bei miserablen Arbeitsbedingungen ihr Arbeitsleben fristen, das meist nicht einmal zum Überleben ausreicht. 12, 14, gar 16 Stunden tägliches Schuften mit dem Ergebnis, dass die Gesundheit früher oder später ruiniert ist und die dahinter stehenden Unternehmen ihren Gewinn auf Kosten dieser armen, bedürftigen Menschen mehr und mehr maximieren. An dieser Stelle sei auf den Roman "Eine Billion Dollar" von Andreas Eschbach hingewiesen, der diese Verflechtungen sehr geschickt darstellt. Auch wenn es sich "nur" um einen Roman handelt, zeigt er sehr drastisch, wie es so in der Wirtschaft heutzutage läuft. Dieser Roman ist - ein "Zufall" - im selben Jahr veröffentlicht worden wie die Erstausgabe des "Schwarzbuch Markenfirmen".

Niemand kann sich dieser Unternehmen voll und ganz entziehen. Boykott ist, wie die Autoren schreiben, sicher eine ehrenwerte Sache, doch wichtiger ist es, durch Bündelungen von Kräften gegen die Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur vorzugehen. Hierfür gibt es jede Menge Internetadressen, die der geneigte Leser aufrufen und wo er sich zunächst einmal informieren kann. Die Macht dieser wenigen Multis ist so enorm, dass sie wohl nicht gebrochen werden kann. Gleichzeitig scheint dies die einzige Möglichkeit zu sein, um den Teufelskreis des Wirtschaftswachstums um jeden Preis endlich zu beenden. Denn eines steht fest: Der Kapitalismus ist derart ausgeufert, dass er nicht mehr zu bändigen ist. Die Verursacher sind zum Großteil eben jene "Markenfirmen", die am liebsten die ganze Welt und also alles, was sich darauf bewegt oder nicht bewegt und in ihr verborgen ist, besitzen wollen. Jetzt wird schon in der Wüste (!) nach Öl gebohrt, und die Arktis hat angesichts einiger heraufbeschworener "Ölkatastrophen" in den letzten Jahren mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Wo immer ein Tropfen Öl zu finden ist, dort wird er herausgequetscht. "Fracking", also die Förderung von Schiefergas, ist auch "modern" geworden. Hierbei werden hochgiftige Substanzen in Gestein eingespritzt, was Lebensraum und Trinkwasser für Mensch und Tier unbrauchbar macht.

Dass Medikamentenversuche mit Menschen hochlukrativ für die Pharmabranche sind und manchen Ärzten ein nettes Nebengeschäft einbringen, ist längst bekannt. Dass in Bangladesch eine Textilfabrik ausgebrannt ist und 1100 Menschen elendiglich zu Tode kamen, zudem viele weitere Menschen schwere Verletzungen erlitten, und es für die Betroffenen bzw. Hinterbliebenen keine oder höchstens geringfügige Entschädigungszahlungen seitens der "Mutterkonzerne" gibt, ist ein weiterer unfassbarer Skandal. Doch es ist Realität: Die Wirtschaft wird von wenigen Unternehmen regiert, die sich alles herausnehmen können, weil sie wissen, sozusagen am "längeren Hebel" zu sitzen.

Die Situation hat sich also seit dem Jahr 2001 zugespitzt, wobei gerade die Multis von der Wirtschaftskrise kaum betroffen waren, und nicht wenige (insbesondere Banken) auch noch mit Geld zugeschüttet wurden, obzwar sie diese Krise mitverursacht haben. Wenn diese 150 Multis, welche die Weltwirtschaft weitgehend bestimmen, für jene Zerstörungen aufkommen müssten, die sie Tag für Tag begehen, und zwar ohne die Portokassa zu bemühen, wie es bislang der Fall ist, sondern im Sinne der tatsächlichen Zerstörung, dann könnte dieses Geld wunderbar in alternative Wirtschaftsformen gesteckt werden, welche die Welt retten würden. Dass dies so schnell nicht oder nie passieren wird, ist das Drama an der Geschichte. Märchen werden selten wahr, und ein Schauermärchen regiert die Welt.
Nichtsdestotrotz sei dieses "Schwarzbuch Markenfirmen" allen Menschen ans Herz gelegt, die bereit sind, einen kleinen Teil beizutragen, damit die Welt nicht ganz so schnell untergeht. Denn dass die Welt oder aber jedenfalls die Menschheit untergehen muss, wenn der Wahnsinn weiter in dieser schrecklichen Weise regiert, ist vorprogrammiert. Noch ist es nicht zu spät, doch die Uhr tickt.

Wer die Markenfirmen und deren konkrete Umtriebe genauer studieren will, der sei auf die Netzseite http://www.markenfirmen.com verwiesen.

(Jürgen Heimlich; 10/2014)


Klaus Werner-Lobo, Hans Weiss: "Schwarzbuch Markenfirmen.
Die Welt im Griff der Konzerne"

Deuticke, 2014. 336 Seiten.
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