Matteo Civaschi, Gianmarco Milesi: "Der ganze Film in 5 Sekunden"
150 große Kinomomente von Psycho bis Avatar
Filmgeschichten
im Kostüm eigenartiger Ratespiele
Zeit ist bedauerlicherweise heutzutage für viele Menschen rund
um die Uhr und den Globus Mangelware, wohingegen die Informationsflut
immer gewaltigere Ausmaße annimmt, und diese ungesunde
Beschleunigung macht auch vor der Freizeit nicht Halt.
Wer - außer eingefleischten Filmfanatikern - hat zum Beispiel
schon tatsächlich sämtliche sogenannte Filmklassiker
gesehen und deren Verlauf oder auch nur bedeutendste Momente bei Bedarf
quasi vor dem inneren Auge parat?
Unter "Kino" vermerkt das Nachschlagewerk "DUDEN, Das
Herkunftswörterbuch":
"(...) Das seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gebräuchliche
Substantiv ist eine volkstümliche Kürzung aus
Kinematograph (...). Der Kinematograph - das aus frz. cinématographe
entlehnte Wort bezeichnet eigentlich einen Apparat zur
Vorführung bewegter Bilder - ist eine Erfindung der
französischen Brüder Lumière. Sie
benannten ihn mit einer aus griechischen Wortelementen gebildeten
Zusammensetzung (griech. kínema
'Bewegung' und griech. gráphein
'schreiben'), die also wörtlich 'Bewegungsschreiber' bedeutet
(...)".
Im renommierten Fischer Verlag erscheinen neuerdings immer wieder
witzig
illustrierte, kurzweilig-unterhaltsame Büchlein von
im weiteren Sinn allgemeinbildungstauglichem Wert, Freude am Entdecken
sowie an äußerst minimalistischen Szenerien
unbedingt vorausgesetzt.
Matteo Civaschi und Gianmarco Milesi versprechen unter dem wohl
absichtlich etwas verwegen-reißerisch anmutenden Titel "Der
ganze Film in 5 Sekunden", Prägnantes in extrem kompakter Form
zu präsentieren - und begeben sich damit
gewissermaßen in dunkle Abgründe. Nicht von
ungefähr krault auf dem Titelbild die Filmfigur "Darth Vader"
in voller Montur durch sanfte Meereswellen, während sich von
unten ein riesiger weißer Hai mit weit aufgerissenem Maul
nähert ...
In ungeahnter Kürze, anhand jeweils nur weniger
piktogrammartiger Abbildungsanordnungen, diese zumeist mit Pfeilen
verknüpft, wurde versucht, grundlegende Fakten darzustellen,
wie man sie über Filmklassiker bislang wohl nie zuvor zu
Gesicht bekommen hat.
Die Verfasser bezeichnen ihren Ansatz übrigens als "Shortology".
Im Vorwort heißt es: "Dieses Buch ist angelegt wie
ein Quiz, und die Aufgabe ist es, den Film anhand der Abbildungen zu
erraten. (...) So, und jetzt genießen Sie die Filme, aber ein
bisschen schnell!" Glücklicherweise werden die
Lösungen auf den Seiten 190 und 191 mitgeliefert.
Unter den abstrahiert nachgestalteten Filmen befinden sich
beispielsweise folgende: "Schindlers Liste", "Der Zauberer von Oz",
"Der Herr der Ringe" (reduziert auf ganze zwei Symbole und einen Pfeil
- was hätte wohl
J.R.R
Tolkien dazu gesagt?), "Zurück in die Zukunft",
"Planet der Affen", "Fluch der Karibik", "Metropolis", "Grease", "Krieg
der Sterne" und "Der große Diktator" - um nur einige wenige
zu nennen.
Im Versuch mit freiwilligen Testpersonen wurde freilich leider kein
einziger (!) dieser Filme tatsächlich anhand der Abbildungen
erkannt oder auch nur erraten! Aber immerhin sorgten die
Interpretationsansätze für
Heiterkeitsausbrüche.
Ein Beispiel: Die erste Abbildung zum gesuchten Film auf Seite 39 ist
eine rauchende Pistole, der anschließende Pfeil zeigt auf ein
Gespenst, der folgende Pfeil auf eine sich drehende Vase, und der
letzte Pfeil auf einen Engel mit Heiligenschein, der auf einer Wolke
steht. Um welchen Film handelt es sich? ("Ghost - Nachricht von Sam").
Haben Sie richtig getippt?
Noch eine Kostprobe? Auf Seite 131 beginnt die Abfolge mit einem
urinierenden Männchen, das offenbar schimpft; Pfeil; dem weit
geöffneten Mund einer anderen Figur entströmen
Punkte; Pfeil; ein Männchen uriniert (diesmal ohne
"Sprechblase"); Pfeil; elektrischer Stuhl. Welcher Film wurde
dergestalt zusammengefasst? ("The Green Mile")
Auf Seite 189 erfährt man Aufschlussreiches: "(...)
Dieses Buch geht auf ein Projekt zurück, bei dem wichtige
historische, künstlerische und literarische Geschichten auf
ihre entscheidenden Passagen reduziert und mithilfe von grafischen
Icons dargestellt wurden."
Die Seiten 182 bis 186 bieten drei Bastelbögen mit allerlei
Objekten samt Anleitungen, die den Betrachter dazu animieren sollen,
selbst kreativ zu werden. Der erste präsentiert Kriegsmotive,
der zweite Zutaten für einen Mafiafilm, der dritte
Bestandteile einer Filmromanze.
Fazit:
"Daumenkino" der etwas anderen Art, das der Erzählkraft des
Kinos naturgemäß nicht das Wasser reichen kann.
Kritisch anzumerken ist jedenfalls, dass die Bedeutung vieler
stilisierter Darstellungen, die eine bestimmte Information vermitteln
sollen, rätselhaft bleibt.
Die Verfasser merken auf Seite 189 an: "Gehen Sie ins Kino,
Filme anschauen ist noch immer die zweitschönste Sache, die
man machen kann, wenn das Licht aus ist."
(Irmgard Ernst; 10/2014)
Matteo
Civaschi, Gianmarco Milesi: "Der ganze Film in 5 Sekunden.
150 große Kinomomente von Psycho bis Avatar"
(Originaltitel "Film in Five Seconds")
Übersetzt von Klaus Herber.
Fischer, 2014. 192 Seiten.
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Ein weiteres Buch des kreativen Duos:
"Das Leben in 5 Sekunden. 200 Biografien von Gott bis Pippi
Langstrumpf"
"Das Leben in 5 Sekunden" ist eine einmalige Kombination aus Humor,
prägnanter Optik und Ratespaß. Ganz ohne Worte, nur
mit ein paar Männchen und Pfeilen, werden Biografien und die
wichtigsten Ereignisse der Weltgeschichte erzählt, von Madonna
bis Maradona, von Hulk bis Hitler,
von Schumi bis Schwarzenegger, von Rotkäppchen bis zum
Aussterben der Dinosaurier.
Mit den Biografien von Che
Guevara, Cinderella, Al Capone, Dracula,
Mozart,
George W. Bush, Jimi Hendrix, Superman, Mark Zuckerberg, Harry
Potter, John Travolta, Einstein,
Elvis Presley, Mutter Teresa, Michael Jordan, Caesar,
Alien, Beethoven,
Jack the Ripper, Hannibal
Lecter, Dschingis
Khan, Moses,
Moby
Dick, Satan, Tiger Woods, Picasso,
Batman, King Kong, Gott
und vielen Anderen mehr. (Fischer)
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Weitere
Buchtipps:
Florian Henckel von Donnersmark: "Kino!"
Als Fünfjähriger geriet Florian Henckel von
Donnersmarck versehentlich in eine Kinovorstellung des deutschen
Stummfilmdramas "Varieté" - Erotik, Eifersucht und Mord im
Artistenmilieu. Seither bestimmt eine Leidenschaft sein Leben: Kino!
Hier erzählt er, wieso es sich manchmal lohnt, einen tiefen
Blick in die Popcorntüte zu werfen; wann ein Filmkomponist die
Anweisungen seines Regisseurs ignorieren sollte; warum David Hockney
das Kino revolutionieren wird; und weshalb es angesichts der
Marktmacht
der us-amerikanischen Studios vielleicht an der Zeit wäre,
eine deutsche Kulturquote einzuführen.
Mit "Oscar"-Regisseur Donnersmarck ins Kino: Essays über die
ehrliche Kunst der Schauspielerei, über Thomas Demand und
Quentin Tarantino, über den Erfolgsfilm "Das Leben der
Anderen", über Tom Cruise im Bendlerblock und die Problematik
des "Paten III" - gestochen scharf, bewegt und immer mit
überraschenden Einstellungen. (Suhrkamp)
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Norbert Grob: "Fritz Lang. 'Ich bin ein
Augenmensch'"
Seine Filme erfanden die Kinowelt neu, sein Name steht für
Meisterschaft.
Fritz Lang, der Erschaffer von "Metropolis", "M - Eine Stadt sucht
einen Mörder" oder "Dr. Mabuse", ist eine Legende:
Geschichtenerzähler und Bildkompositeur, Schauspieler, Autor,
Bonvivant und vor allem begnadeter Regisseur. Er war ein obsessiver
Visionär, als Künstler so innovativ wie unerbittlich,
als Privatmann gern geheimnisumwittert.
Norbert Grob, einer der besten Kenner von Fritz Langs Leben und
Werk,
legt die erste umfassende Biografie des Filmgenies vor.
(Propyläen)
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Michael
Althen: "Liebling, ich bin im Kino. Texte über Filme,
Schauspieler und Schauspielerinnen"
Herausgegeben von Claudius Seidl.
Einen solchen Film- und Kunstkritiker gab es in Deutschland sonst
kaum:
einen, der nicht seine Brillanz und Pointensicherheit zur Schau
stellte
oder uns belehrte, sondern der uns ebenso passioniert wie charmant
auf
die kleinen Gesten aufmerksam machte, die uns bei großen
Filmen bis ins Herz treffen können: Michael Althen,
Filmredakteur erst der "Süddeutschen Zeitung", dann der
"Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Dieses Buch sammelt Texte, die
über ihren unmittelbaren Anlass hinaus Bestand haben.
"Mittlerweile sind wir wahrscheinlich vollständig
verdorben, aber das macht nichts, weil wir im Kino ein zweites
Leben
gefunden haben, das viel besser ist als das unsere und ihm doch
aufs
Haar gleicht. Darin liegt die doppelte Natur des Kinos: dass es
stets
Auskunft gibt über das, was ist, und das, was möglich
wäre, darüber, wer wir sind und wer wir gerne
wären." (Michael Althen) (Karl Blessing)
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Digitalbuch
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