Andreas Eschbach: "Der Jesus-Deal"


"Das Jesus-Video" hat Andreas Eschbach in das Bewusstsein vieler Leser und auch der Fernsehgemeinde gebracht, als die Verfilmung dieses Romans die Bildschirme erreichte. Die Jagd nach einem Video und der dazugehörigen Kamera durch den jungen Stephen Foxx im Auftrag des Multimilliardärs John Kaun hat viele bewegt und gefesselt und die Milleniumsinteressenten unterhalten. Denn diese Kamera, auf die eine 2000 Jahre alte Gebrauchsanweisung hinwies, war zur Zeit Jesu in Palästina, ja in Jerusalem, gewesen und könnte also Aufnahmen vom Heiland selbst gemacht haben. Viele hatten großes Interesse daran, zumindest das Video zu finden.

Einige Jahre später hat sich John Kaun aus der Welt der Hochfinanz zurückgezogen und lebt nun mit seiner Frau als Teilhaber einer Kartoffelchipsfabrik, deren Produkte sie lieber ein wenig gesünder gestalten würden. Das Anschauen eines bestimmten Videos hat in John einiges losgetreten, weswegen er aus der verlogenen Welt, in der er früher einer der Bekanntesten war, herausgetreten ist, um dann ein "normales" Leben zu führen. Zusammen mit seiner überaus rationalen Frau und seiner süßen Tochter Kathy scheint dies auch zunächst einmal zu gelingen. Bis eine reguläre Untersuchung, gefolgt von einer irregulären Observation, weil er glaubt, jemanden aus einem alten Video wiedererkannt zu haben, zu der Erkenntnis führt, dass Kathy schwer an Leukämie erkrankt ist. Sofort verschieben sich seine Prioritäten von aufkommendem Mystizismus zur knallharten Realität von Kathedern, Chemotherapie und Warten auf gute Nachrichten - oder auch andere.

Stephen Foxx hat in Israel nicht nur ein bestimmtes Video gefunden, sondern auch die Liebe seines Lebens, und mit dieser lebt er nun glücklich und zufrieden in den USA, wo er immer wieder ausgefallene, aber nie illegale, Geschäfte vermittelt. Er hat jeden Kontakt mit seinem alten Leben abgebrochen, und John Kaun und dessen Leben sind nur noch eine ferne Erinnerung für ihn. Da erreicht ihn plötzlich aus Israel die Botschaft, dass sein Schwager nach einem Kontakt mit zwei Männern, die womöglich zur "Mossad" gehören, spurlos verschwunden ist. Sofort bricht seine Frau nach Israel auf, um sich um das Problem zu kümmern und auch ihre Mutter zu versorgen.

Samuel Barron ist einer der reichsten Männer - wenn nicht der reichste Mann der Welt. Er gehört zu den Multimilliardären, die sich bezüglich ihres eigenen Werts eher bedeckt halten und darum nie in irgendwelchen Ranglisten auftauchen. Denn Sam ist ein evangelikaler Christ, der seinen Glauben intensiv lebt und auch die evangelikale Mission sehr aktiv und massiv unterstützt. Er ist im Besitz des ursprünglichen Jesus-Videos, das ihn auf einen bestechenden Gedanken gebracht hat. Oder sogar auf mehrere. Und so plant er, einen seiner Söhne zusammen mit einigen anderen Leuten in eine von ihm in Auftrag gegebene Zeitmaschine zu setzen, um sie dann zur Zeit der Kreuzigung nach Jerusalem zu katapultieren. Was ein langwieriges und schwieriges Geschäft darstellt. Aber Sam glaubt fest an seine gottgegebene Mission und an die wortwörtliche Stimmigkeit der Heiligen Schrift. Und er ist bereit dazu, für die Erfüllung aller Prophezeiungen alles zu tun.

Die erste Hälfte dieses Romans wird in erster Linie aus der Sicht Michael Barrons, des jüngeren Sohns von Samuel Barron, geschrieben, und die Darstellung des Heranwachsens und Lernens und Lebens in einem fundamentalistisch-christlichen Haushalt mit einem wahren Patriarchen als Vater, der auch innerhalb der eigenen Familie strikte Bibeltreue erwartet, ist spannend und erschreckend zugleich. Jedes Kapitel beginnt mit einem Bibelzitat oder mit Zitaten aus evangelikaler Erweckungs- und Missionsliteratur, und so bekommt man einen guten Einblick in eine religiös-politische Strömung, die weltweit enormen Einfluss hat - etwa bei der Durchsetzung einer antihomosexuellen Gesetzgebung in Uganda -, die aber außerhalb der USA den meisten Menschen eigentlich nicht ins Bewusstsein rückt, obwohl sie die Außenpolitik der USA stark beeinflusst. Tatsächlich wird sie in diesem Roman als die am schnellsten wachsende religiöse Bewegung der Neuzeit bezeichnet.

Später kommen auch die Perspektiven der Foxxens, der Kauns und zum Teil auch jene von Samuel Barron in die Erzählung hinein, und da beginnt der Roman erzählerisch zu zerfasern. Die Konzentration auf Michael hätte das Buch sicherlich kürzer gemacht und nicht so viele explizite Erklärungen an die Leserschaft ergeben, aber das hätte im Endeffekt dem Buch sehr gut getan.

In jedem der Erzählstränge werden ausgiebige Exkurse zu allerlei Themen gemacht, ob diese nun zur Handlung beitragen oder nicht. Sicherlich ist vieles davon auch nicht uninteressant, aber man ertappt sich beim Lesen immer wieder bei dem inneren Ausruf: "Jetzt nicht! Lass die Geschichte weitergehen!" Wenn dann an verschiedenen Stellen bestimmte Exkurse durch andere Charaktere noch einmal gemacht werden, dann ist das schon gelegentlich ein wenig frustrierend. Da kann auch das Einschieben von Interviews mit Zeitreisenden nur begrenzt Abhilfe schaffen - besonders, weil man dabei das Gefühl bekommt, dass gerade in diesem Zusammenhang nur sehr wenig mitgeteilt wird.

Fazit:
Ein interessantes Thema, mit Hinweisen auf einige sehr seltsame Bewegungen, die es heutzutage gibt, und die in "Der Jesus-Deal" einen einem "Bond"-Bösewicht würdigen Plan entwickeln, der dann auch entsprechend in die Tat umgesetzt wird. Aber leider, leider, erzählerisch zu zerfasert und damit beim Lesen irritierend.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2014)


Andreas Eschbach: "Der Jesus-Deal"
Lübbe, 2014. 733 Seiten.
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