Herwig Wolfram: "Conversio Bagoariorum et Carantanorum"
Das Weißbuch der Salzburger Kirche über die erfolgreiche Mission in Karantanien und Pannonien mit Zusätzen und Ergänzungen
Wie
Salzburg noch bei Bayern war
Der Autor dieses hochinteressanten historischen Werks, Herwig Wolfram,
ist Professor für mittelalterliche Geschichte an der
Universität Klagenfurt. Es bedurfte indes noch der Anregung
seines Laibacher Kollegen Peter Štih, seine alte Schrift
über die "Conversio" gründlich zu
überarbeiten, Fehler zu tilgen, neue Erkenntnisse aufzunehmen
und in der Form des vorliegenden Buches zu präsentieren. Neben
der "Conversio" selbst und den auf diese bezogenen Kommentaren Wolframs
finden sich auch die thematisch eng verknüpften, ebenfalls
kommentierten Epistolae Theotmari darin. Diverse kürzere
Abhandlungen des Professors zu den Besonderheiten jener Zeit,
Handschriftenabdrucke, Landkarten, ein Quellenverzeichnis und einige
Ahnentafeln komplettieren die Ausgabe.
Die "Conversio Bagoariorum et Carantanorum" ("Die Bekehrung der
Bajuwaren und Karantanen" beziehungsweise reißerischer "Die
Bekehrung der Bayern und Kärntner") ist ein berühmter
frühmittelalterlicher Text, der 870 in Salzburg, der damaligen
Hauptstadt Bayerns, entstanden ist. Adressat war vermutlich kein
Geringerer als der Ostfrankenkönig Ludwig, der Deutsche (ein
Enkelsohn Karls, des Großen), der Schreiber wiederum stammt
jedenfalls aus dem engen Umfeld des Erzbistums Salzburg; nicht zuletzt
wegen des eleganten Latein des Originaltextes (den man neben der
deutschen Übersetzung abgedruckt findet) gilt der Erzbischof
Adalwin von Salzburg selbst als wahrscheinlich. Anlass des Schreibens
war wohl die Regensburger Synode 870, sein offensichtliches Ziel, den
König über die Widerstände und Bedrohungen,
mit denen sich die Salzburger Mission und Jurisdiktion in Pannonien
durch das Wirken der Slawenapostel Kyrill und Method konfrontiert sah,
zu informieren und ihn zu einer Übernahme und
Unterstützung der Salzburger Standpunkte zu bewegen.
Dabei stand offenbar viel auf dem Spiel, entsprechend weit holt der
Schreiber auch aus, indem er eine komplette Geschichte des wenn auch
noch nicht allzu alten bayrischen Christentums erzählt. Er
listet minutiös die (wirklichen und erfundenen) Leistungen
Bayerns und besonders Salzburgs für die Christenheit wie
natürlich auch die Rechte und Besitzungen auf, die Salzburg
durch Missionierung der Heiden im Osten - als quasi gutes Beispiel
verharrt er ausführlich bei Karantanien (welches damals weit
mehr als das heutige Bundesland Kärnten umfasste) - und durch
die Teilnahme Bayerns an verschiedenen Kriegen früherer
Frankenkönige aus dem Geschlecht der Karolinger erwachsen
seien.
Für den Historiker ist so ein die verschiedensten
größeren und regionaleren Begebenheiten zur Sprache
bringender Text natürlich ein besonderer Leckerbissen. Einiges
davon ist uns ausschließlich aus der "Conversio"
überliefert, manches kann man mit seiner Erwähnung in
anderen mittelalterlichen Texten vergleichen und auf diese Weise
Plausibilitäten neu gewichten, Positionen neu bestimmen.
Aufschlussreich und interessant ist es auch, die Intention des
Schreibers genauer unter die Lupe zu nehmen, herauszufinden, was er in
seiner Lobrede warum weglässt, obwohl er davon gewusst haben
muss, was er wie betont oder wo er schlicht die Unwahrheit sagt.
Auf all diese Fragen geht Wolfram anschaulich nachvollziehbar ein (im
Kern ist dieser Text eine Doktorarbeit). In ein paar weiteren Kapiteln
umreißt er außerdem den historischen Hintergrund
der "Conversio", beschreibt die Christianisierung des Ostalpenraums und
Pannoniens, karolingische Familienzwiste, die Awaren, den Werdegang
Karantaniens, die Schwierigkeiten bei der Herausbildung slawischer
Eigenstaatlichkeit, das Tarieren praktisch denkender Päpste,
theologische Konflikte etc, und mischt in seine Beschreibung der
größeren Abläufe immer wieder kleinere
Geschichten und Details wie dies, dass in den Adern der
Kärntner höchstwahrscheinlich kein gotisches,
vermutlich aber bulgarisches Blut fließe.
Geschichte wird, wie es heißt, von Menschen gemacht. Den in
der "Conversio" ausgiebig behandelten Personen widmet der Autor
ebenfalls eigene Abschnitte, wobei er immer ihre Portraitierung in der
Conversio mit seinem Wissen und Dafürhalten als moderner
Mediävist vergleicht. Einige der Wichtigsten:
Rupert von Salzburg: Der legendäre Bischof von Salzburg und
vordem von Worms, der Bayern Ende des 7. Jahrhunderts missionierte bzw.
eigentlich reformierte.
Samo: Vermutlich fränkischer Herkunft, ein Kaufmann (Wolfram
meint sogar Waffenhändler) und Abenteurer, unter dessen
Führung es im 7. Jahrhundert in Mitteleuropa zu einem 35 Jahre
haltenden unabhängigen slawischen Reich kam, für das
allerdings kein Nachfolger vorhanden war.
Bischof Virgil von Salzburg: Berühmter irischer, zu
ungewöhnlichen Theorien neigender Gelehrter, seit 749 Bischof
von Salzburg, auf ihn geht die Karantanenmission von 767
zurück.
Bischof Arn von Salzburg: Erster Salzburger Erzbischof, ein Vertrauter Karls,
des
Großen, unter dem die Missionierung
Karantaniens, Pannoniens, auch mancher Awarengebiete, vorangetrieben
wurde.
Kyrill und Method:
Die beiden Brüder aus
Thessaloniki waren erfahren im Umgang mit und der Missionierung
von
Heiden und hatten auch schon die Bibel aus dem Griechischen in
die
slawische Sprache ihrer Nachbarn übersetzt. Kyrill hatte
außerdem bereits für die slawischen Sprachen (die
einander damals noch sehr ähnlich waren, nicht wie heute
Serbisch und Kroatisch) eine eigene Schrift, die sogenannte
Glagolica,
Vorgängerschrift der später nach ihm benannten
kyrillischen, erfunden. Da erging der Ruf an sie, in dem
slawischen
Fürstentum Großmähren echtes Christentum zu
lehren. |
||
Statuen von Kyrill und
Method in Nitra. |
Die
Mojmiriden: Bei diesen handelt es sich um das Herrschergeschlecht,
welches das damalige Fürstentum Großmähren
(Teile des heutigen Mähren und der westlichen Slowakei mit der
Hauptstadt Nitra) regierte. Fürst Rastislav war ehrgeizig und
wollte sowohl politisch vom Ostfrankenreich als auch in kirchlichen
Belangen von Bayern möglichst unabhängig werden, wozu
er seine Burgen gut befestigte, außenpolitisch
kräftig mitmischte und einen Brief mit der Bitte um
Unterweisung erst erfolglos nach Rom, danach mit den obigen Folgen an
den byzantinischen Kaiser Michael nach Konstantinopel schickte.
Rastislav hatte zudem einen Lieblingsneffen (in der "Conversio" wird er
mit deutschem Namen Zwentibald genannt, Svatopluk heißt er im
Slawischen), mit dem er erst den Rat, bald auch die Herrschaft
über Großmähren teilte. Dieser Svatopluk
war mindestens ebenso ehrgeizig, allerdings vermutlich realpolitischer
veranlagt
als sein Onkel und spielte auch bei den politischen Zügen, die
870 zur Gefangennahme von Rastislav und Method durch die Bayern und
damit letztlich zur Niederschrift der "Conversio" führten
(während die beiden in einem bayrischen Kloster gefangen
gehalten wurden), eine entscheidende Rolle. Vieles an dieser wie der
frühmittelalterlichen Geschichte überhaupt ist nicht
gesichert, der Ausgang schon: Für Svatopluk bedeutete diese
Affäre den Beginn einer zweieinhalb Jahrzehnte dauernden
Herrschaft, während der Großmähren seine
größte Ausdehnung erreichte; Method wurde nach
zweieinhalb Jahren auf Druck des Papstes aus der Haft entlassen und
konnte seine Lehrtätigkeit wieder aufnehmen; Rastislav, ein
alter Widersacher König Ludwigs, des Deutschen, behielt zwar
das Leben, wurde aber - häufige Strafe der damaligen Zeit -
geblendet.
Herwig Wolframs Buch besticht durch Fachwissen und Eloquenz und kann
auch als Einführung in die Welt des Frühmittelalters
im Ostalpen- und Donauraum gelesen werden. Jedenfalls wird man darin
Anreiz genug finden, sich mit diesem vernachlässigten, lange
vergangenen, dennoch seine Spuren hinterlassen habenden Teil unserer
Geschichte weiter zu beschäftigen.
Аз ви благодаря за вниманието
(Esquilin; 07/2014)
Herwig
Wolfram: "Conversio Bagoariorum et Carantanorum.
Das Weißbuch der Salzburger Kirche über die
erfolgreiche Mission in Karantanien und Pannonien mit Zusätzen
und Ergänzungen"
Mohorjeva Hermagoras, 2012. 419 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen