Paulo Coelho: "Untreue"
Tiefschürfender Roman über
die Freude am Leben, die allzu leicht abhandenkommen kann
"Festen Boden? Nein, keine Beziehung sollte darauf ausgelegt sein.
Die Beziehung zwischen zwei Menschen wird gerade durch einen Mangel an
Herausforderung oder durch das Gefühl geschwächt, dass nichts mehr neu
ist. Wir müssen immer wieder aufs Neue eine Überraschung füreinander
sein."
31 Jahre alt, hübsch, glücklich verheiratet, erfolgreich, Mutter zweier
Kinder - Linda hat alles, was man sich nur wünschen kann. Umso größer
ist ihr schlechtes Gewissen, als sie eine stetig wachsende
Unzufriedenheit in sich bemerkt und sich einer Depression
nahe fühlt. Sie kann das Gefühl nicht benennen, weiß nur, dass sie
gefangen ist in einem goldenen Käfig. Da kommt ihre verheiratete
Jugendliebe Jacob Linda gerade recht und bietet den nötigen Ausbruch aus
ihrem Alltag. Die beiden fühlen sich wieder wie Jugendliche, leben dies
auch bald körperlich aus. Der Ehebruch und die lustvollen sexuellen
Abenteuer lassen Linda sich wieder lebendig fühlen, Gewissensbisse und
Angst quälen die Journalistin trotzdem. Die Zeit und die Liebe helfen
Linda, wieder Vertrauen in sich und ihr Leben zu finden. Ihre wichtigste
Erkenntnis: Man muss lernen, zu lieben.
Auf einem langen, schmerzhaften Weg, einer Reise zum "Ich", erfährt
Linda Trauer, Verzweiflung, Orientierungslosigkeit und
Hoffnungslosigkeit. Nahe am Abgrund versucht sie zunächst erfolglos, ihr
Glück wiederzufinden. Der Leser durchlebt mit Linda die verschiedenen
Stadien ihrer Suche und ihres Leids, eingebettet in den Schauplatz des
schönen Genfs. Unzählige Gemütszustände, Gedanken und Erlebnisse lassen
wohl jeden Leser einen Teil von sich in diesem Charakter und in diesem
Buch wiederentdecken - so zum Beispiel die Deprimiertheit, die ein allzu
eingespielter Alltag hervorrufen kann, oder das Gefühl, nicht das
gewünschte Leben zu leben und Träume aufgegeben zu haben. Mit
(alltags)philosophischen Überlegungen lässt Coelho seine Protagonistin
das Leben noch einmal neu erforschen und vermittelt wertvolle und
interessante Betrachtungen.
"Untreue" zeichnet sich durch eine nicht sehr ausgeprägte Handlung aus,
das Buch scheint wie eine Erkundung der Seele,
eine gründliche Betrachtung des Lebens. Coelho beschreibt die Suche
einer Frau, die objektiv betrachtet überglücklich sein müsste, dies aber
nicht sein kann. Nicht zuletzt wegen Coelhos Talent, auch wegen der
allgegenwärtigen Präsenz der Thematik, dürfte dieses Buch ein breites
Publikum ansprechen.
Fazit:
Unruhige, aufwühlende Suche nach Antworten mit der Option auf Heilung.
Coelho erschafft ein tiefgründiges Epos über das Leben, mit einem
alltäglichen, menschlichen Charakter im Mittelpunkt.
(Alexandra Gölly; 10/2014)
Paulo
Coelho: "Untreue"
(Originaltitel "Adultério")
Übersetzt von Maralde Meyer-Minnemann.
Diogenes, 2014. 314 Seiten.
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