Pauls Toutonghi: "Die Sphinx von Montana"
Neurotisch-bizarres
Abenteuer in amerikanisch-ägyptischer Koproduktion
Wir sangen mit, so laut wir konnten. Wir johlten. Wir jodelten. Die
letzten Worte grölte Natasha mit. "Ich liebe diesen Song", keuchte
sie. "Ich halte es für das wichtigste numerisch orientierte Stück aus
der Sparte Country & Western zum Thema Liebeskummer", entgegnete
ich. (Aus dem Roman)
Von den Bergen Montanas zu den Pyramiden Ägyptens, so sieht Khosis Reise
in die Pharaonenhauptstadt Kairo aus. Der 23-jährige halb
us-amerikanische, halb ägyptische Museumsführer will endlich seinen
Vater Akram finden, der die Familie vor 20 Jahren einfach verlassen
hatte und nun nur zurückgekehrt ist, damit seine Ehefrau die
Scheidungspapiere unterzeichnet. Ohne seinen Sohn sehen zu wollen,
verschwindet Khosis Vater als geschiedener Mann auch schon wieder nach
Ägypten.
Außerdem hat sich Khosis Jugendfreundin Natasha verlobt, was sie ihm
nach einer gemeinsam verbrachten Nacht offenbart. Eine Reise um die
halbe Welt scheint Montanas berühmtestem Agoraphobiker also eine
willkommene Abwechslung zum Alltagswahnsinn. Obwohl Khosis Mutter Amy
ihn vor Enttäuschungen warnt und die Reise für einen großen Fehler hält,
siegen Neugierde und das Verlangen nach Antworten. Khosi macht sich auf
den Weg in ein fremdes Land, das doch ein Teil seiner Herkunft ist.
In Kairo angekommen, hat er seinen Vater, nachdem Khosi eine bedrohliche
Verfolgungsjagd überstanden hat, endlich gefunden. Akram hat seine erste
Familie seiner neuen Verlobten gegenüber allerdings im wahrsten Sinne
des Wortes totgeschwiegen, was die Familienzusammenführung etwas
schwierig gestaltet. Um das mühsam aufgebaute Lügenkonstrukt nicht zu
gefährden, muss Khosi sich als Sohn eines Freundes ausgeben und bringt
damit einigen Wirbel in seine ägyptische Familie.
Die Vater-Sohn-Beziehung wird sogleich vertieft, indem sein Vater Khosi
als Geldkurier zu dubiosen "Geschäftsmännern" schickt, denen Akram
einiges schuldet. An diesem Punkt erkennt Khosi, dass seine Mutter
möglicherweise doch recht hatte. Als Amy dann selbst in
Kairo auftaucht, scheint das Chaos perfekt. Neben den familiären
Verwirrungen hat Khosi auch noch mit seinen Hirngespinsten und einer
tödlichen Krankheit zu kämpfen - und muss sich gleichzeitig auch noch um
die "Lappalie" Liebe kümmern.
Der schrullige Ich-Erzähler Khosi ist ein von der ersten Seite an
sympathischer Charakter, der mit Witz und Ironie seine bizarren
Abenteuer schildert. Spannend und nicht minder komisch setzt der Autor
Pauls Toutonghi das Bild einer fremden Kultur, Sprache und Lebensweise
gekonnt in Szene. An Stellen, wo sich der Leser kaum noch eine
Steigerung an Skurrilität vorstellen kann, scheint Toutonghis Fantasie
erst richtig aufzublühen. Der Autor schreibt mit einer Leichtigkeit, die
den Roman zu einem echten Lesegenuss macht. Zwischenzeitlich verliert
sich die Hauptfigur jedoch in etwas zähen Passagen, die den Lesefluss
zum Stocken bringen. Nichtsdestotrotz macht die jugendliche Naivität,
mit der Khosi an sein großes Vorhaben geht, Lust auf mehr. Ein Roman,
dessen Charme vor allem in der Komik und Kuriosität liegt.
(Alexandra Gölly; 03/2013)
Pauls Toutonghi: "Die Sphinx von Montana"
(Originaltitel "Evel Knievel Days")
Übersetzt von Eva Bonné.
Rowohlt Berlin, 2013. 320 Seiten.
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Pauls
Toutonghi, geboren 1976 als Sohn eines ägyptischen Vaters und einer
lettischen Mutter, lebt in Portland, Oregon. Seine Texte wurden in der "New
York Times" und der "Boston Review" veröffentlicht, für
seine Kurzgeschichten erhielt er unter
Anderem den renommierten "Pushcart Prize".
Ein weiteres Buch des Autors:
"Die Geschichte von Yuri Balodis und seinem Vater, der eigentlich
Country-Star war"
"Für mich, einen ängstlichen Teenager mit einer übervorsichtigen
Ostblockmutter und einem trinkenden Vater, lag der Gedanke an Sex in
einer unfassbar fernen Zukunft. Ehrlich gesagt rechnete ich nicht
wirklich damit."
Yuris Eltern haben dem sowjetischen Lettland schon lang den Rücken
gekehrt und ignorieren hartnäckig, dass sie ihren us-amerikanischen
Traum in den Sand gesetzt haben. Um jeden Preis wollen sie im öden
Brauereinest Milwaukee heimisch werden. Yuris Vater ist von Wodka auf
Bourbon umgestiegen, seine Mutter pflastert die Wände mit Werbeanzeigen.
Nur Yuri scheint irgendwie aus der Art zu schlagen. Der Fünfzehnjährige
verliebt sich ausgerechnet in Hannah, die engagierte Kommunistin. Doch
dann pustet der Wind der Veränderung das Leben der Familie
erst richtig durcheinander: Plötzlich fällt die
Berliner Mauer, die lettischen Verwandten reisen an, und Yuri
stiehlt ein Auto, um seine Angebetete zu beeindrucken. (rororo)
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