Borwin Bandelow: "Wer hat Angst vorm bösen Mann?"

Warum uns Täter faszinieren


Von Tätern, Opfern und Knastbräuten: die Biologie des so genannten Bösen

Reihenweise schreiben Frauen einem verurteilten mehrfachen Prostituiertenmörder ins Gefängnis, wollen ihn gar heiraten. Psychologen und Psychotherapeuten lassen sich von Triebmördern blenden und bescheinigen ihnen Heilung, worauf diese kurz nach der Entlassung weiter vergewaltigen, quälen und morden. Diktatoren werden verehrt und können ihre Terrorherrschaft teils jahrzehntelang aufrecht erhalten, obwohl Tausende, im Extremfall (Hitler, Stalin) Millionen Opfer ihren Weg säumen. Hochstapler prellen durchaus intelligente Mitbürger um enorme Geldsummen, praktizieren als Ärzte oder arbeiten in leitender Funktion, ohne je studiert oder auch nur das Abitur gemacht zu haben. Opfer eines Entführers verbünden sich mit diesem gegen die Polizei, gehen Liebesbeziehungen mit ihm ein, kommen auch nach ihrer Befreiung nicht von ihm los.
Wie funktioniert das?

Der Psychologe Borwin Bandelow, der selbst lange Zeit als Therapeut im Gefängnis gearbeitet hat, geht diesen verblüffenden Phänomenen nach. Er zeigt im ersten Kapitel auf, welch kompliziertes System im menschlichen Gehirn normalerweise dafür sorgt, dass wir nicht einfach über eine Frau herfallen, die wir spontan begehren; dass wir nicht "eben einmal" jemanden töten, um an sein Vermögen zu kommen; dass wir keine Bank überfallen; dass wir uns nicht als jemand in einer höheren sozialen Position ausgeben und so weiter. Hier greift er auf aktuelle Erkenntnisse aus der Gehirnforschung zurück. In dem "Satans sympathische Seiten" betitelten Kapitel geht es nicht zuletzt um den unglaublichen Charme, die enorme Attraktivität, die viele Menschen mit Persönlichkeitsstörungen ausstrahlen.

Weitere Kapitel befassen sich mit Tätern, Opfern und Mitwissern bei Sexsklaven-Dramen, mit Sektenführern und ihren Anhängern, mit dem Phänomen des Terrorismus, Hitler und anderen Diktatoren, Krankenschwestern und anderen scheinbar uneigennützigen Menschen, die Abhängige töten, und Hochstaplern.

In diesem Buch treten nebst Hitler, Stalin und einigen prominenten Sektengründern etliche aus Presse und Fernsehen noch gut bekannte Persönlichkeiten auf wie der berühmte Hochstapler Gert Postel, der Kinderschänder und mehrfache Mörder Marc Dutroux, die Terroristen um Baader und Meinhof, der Kindermörder Frank Schmökel und diverse andere. Der Autor hat einige von ihnen persönlich getroffen und sich mit ihnen unterhalten, er hat Opfer interviewt, Handlanger und Frauen, die sich in untherapierbare Gewalttäter verliebt haben. Anhand dieser Beispiele zeigt er die verschiedenen Persönlichkeitsstörungen auf, die den einzelnen Fällen zugrundeliegen, deren neurologische Grundlagen und ihre Auswirkungen; aber auch die Vorgänge im Gehirn, die geradezu unweigerlich zum Stockholm-Syndrom führen - und andere Aspekte der Interaktion zwischen Tätern, Opfern und weiteren Personen, die mit den Tätern zu tun haben.

Das Buch fasziniert und schockiert, führt es doch vor Augen, dass Menschen mit den dargestellten Persönlichkeitsstörungen im Grunde nicht anders handeln können, als sie es tun, und, wenn man die neusten Erkenntnisse aus der Gehirnforschung ernst nimmt, derzeit auch nicht therapierbar sind. Noch erschütternder mag die Erkenntnis des Lesers oder der Leserin sein, dass er beziehungsweise sie nicht anders als die Entführungsopfer gegebenenfalls das Stockholm-Syndrom entwickeln würde, sich in Gewalttäter verlieben und einem Hochstapler auf den Leim gehen könnte. Denn oftmals wissen sich solche Menschen, die nicht selten einen außergewöhnlich hohen IQ aufweisen, extrem gut in ihre Opfer hineinzudenken und diese somit aufs Raffinierteste zu manipulieren. Etliche Fotos zeigen die vorgestellten Täter, die allesamt sympathisch wirken, und Opfer oder auch in die Täter Verliebte, die "Menschen wie du und ich" zu sein scheinen.

Welche Mechanismen hier wie dort ablaufen, erläutert Bandelow auch für völlig Fachfremde bestens nachvollziehbar. Hat man vielleicht auch etwas aus Sensationslust angefangen zu lesen, so lässt man sich rasch vom Thema faszinieren und spürt den biochemischen Vorgängen nach, die solche Abgründe auftun. Bandelow tritt dabei weder apologetisch noch pauschal verurteilend auf; seine Haltung ist die des Wissenschaftlers, auch wenn er durchaus sehr packend zu erzählen und erklären weiß.

Ein Buch mit einem fesselnden Thema, das komplexe und verstörende Phänomene anschaulich und nachvollziehbar erklärt, ohne sie schönzureden, und das nicht zuletzt durch das breite Spektrum an konkreten Beispielen punktet.

(Regina Károlyi; 03/2013)


Borwin Bandelow: "Wer hat Angst vorm bösen Mann?
Warum uns Täter faszinieren"

Rowohlt, 2013. 349 Seiten.
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Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Borwin Bandelow arbeitet an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen. Er behandelt seit vielen Jahren Angstpatienten und ist einer der weltweit führenden Angstforscher. Von ihm stammen zahlreiche fachwissenschaftliche Bücher und Aufsätze. Darüber hinaus veröffentlichte er bei Rowohlt für ein breites Publikum "Das Angstbuch", "Celebrities" und "Das Buch für Schüchterne".


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Hans-Ludwig Kröber: "Mord. Geschichten aus der Wirklichkeit"
Es gibt keinen fundamentaleren Akt als den, einen anderen Menschen zu töten. Mit dem Mord überschreitet der Täter unwiderruflich eine Grenze, die ihn von seinen Mitmenschen trennt, er begibt sich ins gesellschaftliche Abseits.
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Wenn Kröber einem Täter gegenübersitzt, ist er oft der erste Mensch, der sich überhaupt für dessen Lebensgeschichte interessiert, der erste, der zuhört. (Rowohlt)
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Axel Petermann: "Im Angesicht des Bösen. Ungewöhnliche Fallberichte eines Profilers"
"Das Töten ist dem Menschen immanent. Es ist Teil unseres Lebens, unseres Seins." Axel Petermann
Deutschlands bekanntester Fallanalytiker berichtet auf fesselnde Weise über die oft ebenso schwierige wie verblüffende Aufklärung authentischer Kriminalfälle und lässt uns tief in die Suche nach den Tätern eintauchen. Wahre Geschichten, die unter die Haut gehen: Die tatsächliche Bedeutung eines vermeintlich unwichtigen Fundstücks demaskiert den Täter. Erschreckende Einblicke in die bizarren Fantasien eines Sexualmörders. Nahezu 20 Jahre lang bleibt ein Mord ungeklärt, bis kriminalistisches Gespür einen Serienmörder entlarvt. Eine wahrhaft komplizierte Fallgeschichte. Ein um Rat gefragter verurteilter Serienmörder erkennt die besondere Bedeutung der symbolischen Handlung eines anderen Mordes. Tiefe Einblicke in die Psyche eines sadistischen Mörders. Erst als das Kind einer tot aufgefundenen jungen Frau vermisst wird, kann das Verbrechen aufgeklärt werden. Die schockierende Schilderung einer unfassbaren Tat. (Kindler)
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Heidi Kastner: "Schuldhaft. Täter und ihre Innenwelten"
Die Geschichten, die Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner erzählt, gehen unter die Haut. Da gibt es die charmante Frau, die sich mit schwerem Betrug durchs Leben jongliert; den Raubüberfall eines streng pflichtbewussten Bürgers; den Blutrausch eines abgrundtief Hassenden; und die durchs Leben völlig Abgestumpfte, die ihr Neugeborenes in einem Kübel sterben lässt ...
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Thomas Stompe, Jürgen Hatzenbichler: "Vom Wahn zur Tat. Wahre Fälle der forensischen Psychiatrie"
Das kranke Böse: Warum Schizophrene zu Verbrechern werden.
Anders Breivik, Josef Fritzl, die "Eis-Lady" - sind Täter wie diese "ganz normal böse", oder sind sie psychisch krank? Ist der Fanatiker zurechnungsfähig, der Wahnkranke nicht? Ist der Eine schuldig, der Andere unschuldig? Als forensischer Psychiater betreut Thomas Stompe "geistig abnorme Rechtsbrecher", die nicht mit einem Strafmaß belegt, sondern im "Maßnahmenvollzug" mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen untergebracht werden. Er erzählt faszinierende Fallgeschichten aus seiner Praxis im therapeutischen Umgang mit diesen Menschen: von den Motiven der kranken Täter, ihrem Wahn und ihren Taten, ihrer Behandlung und ihrem Leben "danach". ihre Geschichten rufen Befremden, aber auch Mitleid hervor. (Residenz)
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