Arkadi und Boris Strugatzki: "Die bewohnte Insel"
Auch anderswo herrschen
leider recht irdische Verhältnisse
Ein Raumschiff landet auf einem fremden Planeten, an Bord ein Mann
namens Maxim Kammerer, nicht unbedingt das hellste Licht unter den Sonnen.
Während er sich in seiner neuen Umgebung ein wenig umsieht, wird sein
Schiff stark beschädigt, und wenig später sieht er sich als Gefangener
einer Gruppe von Leuten, die weder seine Sprache sprechen, noch
unbedingt Verhaltensweisen zeigen, die für Maxim nachvollziehbar sind.
Er versucht herauszubekommen, was diese Leute antreibt und was sie
eventuell von ihm wollen, während sie selbst sich über seine
Widerstandsfähigkeit, seine Kraft und seine offensichtliche Dummheit in
Bezug auf die Welt wundern. Er ist zunächst ein überaus sozialistisch
erzogener Robinson in einer Welt, mit der er wenig gemein hat.
Wegen seiner körperlichen Fähigkeiten und seiner kämpferischen Macht
wird er in die "Kämpfende Garde" aufgenommen, eine Art Elitekampftruppe.
Hier lernt er ein wenig mehr über die Gesellschaft, in der er lebt, und
sieht seltsame Euphorieausbrüche zu festgelegten Uhrzeiten innerhalb der
Truppe, die ihn selbst aber nicht zu berühren scheinen. Nach einem
überaus erfolgreichen Einsatz wird er mit in ein Verhörteam aufgenommen,
wobei er erstmals Kontakt mit sogenannten Entarteten bekommt, Menschen,
die sich während der Euphoriephasen oft in schmerzhaften Zuckungen auf
dem Boden winden und die außer aus Maxims Sicht verständlicher Kritik an
der Gesellschaft kein Verbrechen begangen haben - und manche nicht
einmal das. Als er beauftragt wird, zwei dieser Personen hinzurichten,
wendet er sich gegen seine Vorgesetzten.
Im Folgenden schlägt sich Maxim auf die Seite des Widerstands, den er
aber schnell als undurchdacht und unorganisiert erlebt, weswegen er den
Einsätzen nicht mit allem Engagement und voller Konzentration folgt, was
schließlich zu seiner Inhaftierung führt. Diese wiederum bringt ihn aus
politischen Erwägungen in eine Art Strafkolonie, wo er damit beschäftigt
ist, die Hinterlassenschaften eines grausamen Kriegs zu beseitigen. Ein
Ausbruch mit dem Versuch, mit der Gegenseite in diesem Krieg Kontakt
aufzunehmen, zeigt ihm, dass seine neue Heimat wesentlich komplexer ist,
als er dies bisher geglaubt hat, und dass es Gefahren gibt, die sein
Fassungsvermögen übersteigen. Am Schluss führt seine Begegnung mit einer
Person, die der "Wanderer"
genannt wird zu einer überaus beschämenden Erkenntnis.
Nicht jeder, der in einem hypothetisch erfolgreichen und
fortschrittlichen System aufgewachsen ist, ist notwendigerweise ein
überlegener Mensch in einem anderen System, und er ist auch nicht
notwendigerweise in der Lage, ein "primitiveres" System so zu begreifen,
dass er darin nutzbringend für alle agieren kann, was das erfolglose
Herumwerkeln Maxims in seiner neuen Umwelt deutlich zeigt.
Arkadi (1925-1991) und Boris
Strugatzki zeichnen einen überaus idealistisch agierenden, wenn
auch nicht immer denkenden, Menschen, dem es deutlich an Schulbildung
und Hintergrund fehlt und der deshalb bei allen guten Vorsätzen
gezwungen ist, für ihn und Andere fatale Fehler zu machen - und
gleichzeitig gewisse Prämissen zu Beschleunigung der historischen
Dialektik in Frage stellt. Eine gelungene allegorische Darstellung des
sozialistisch-historischen Determinismus und den Gefahren von "gut
gedacht, aber nicht gut gemacht."
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2013)
Arkadi und Boris Strugatzki: "Die bewohnte
Insel"
Aus dem Russischen von Erika Pietraß.
Suhrkamp. 352 Seiten.
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