Olaf Fritsche: "Die neue Schöpfung"
Wie Gen-Ingenieure unser Leben revolutionieren
Eine Zusammenfassung zum
aktuellen Stand der Gentechnik und ein Ausblick aufs Morgen
Wie sich die Bilder gleichen - die Technik macht einen kleinen Sprung,
von den Wissenschaftlern wird er begrüßt, und zugleich gibt es massive,
öffentlichkeitswirksame Proteste einer diffusen Gruppe von Gegnern. Über
die Jahrzehnte hat man sich daran gewöhnt. Doch die neueren
Entwicklungen in Sachen Gentechnik haben sich eher schleichend und
unbeobachtet vollzogen und könnten dennoch unsere Welt in kürzester Zeit
revolutionieren, in einen gerechteren, bequemen Ort verwandeln oder aber
in eine wahre Hölle.
Olaf Fritsche zeigt in seinem Buch auf, wo wir stehen und wo die Reise
hingehen könnte, beziehungsweise, wo sie höchstwahrscheinlich hingeht.
Hier spielen ausgestorbene Wesen aus der Eiszeit eine Rolle wie das
Mammut und der
Neandertaler, doch immer mehr strebt der Inhalt hin zu komplett
konfektionierten Wesen, meist Bakterien, Hefen oder Viren (die
Letztgenannten sind allerdings nicht eindeutig als "Wesen" zu
bezeichnen), und so zeigt sich im Verlauf des Buchs, dass viele
Erkenntnisse einerseits zu gewaltigen medizinischen und wirtschaftlichen
Erfolgen führen könnten, andererseits aber zu Bioterrorismus mit vielen
Millionen Opfern.
Den Rahmen bildet ein Wettbewerb für engagierte Schüler und Studenten,
der dazu dient, zu individuellen Experimenten anzuregen und Erkenntnisse
öffentlich zugänglich zu machen. Der Leser kann ein Heidelberger Team
von den Anfängen bis hin zum gloriosen Finale begleiten - und muss sich
seine eigene Meinung zu den Inhalten bilden.
Jedes Kapitel enthält einige grundlegende Bausteine: eine "Story"
aus der Zukunft, meist um die Mitte des aktuellen Jahrhunderts
angesiedelt, in der ein positiver oder eher düsterer Ausblick gezeigt
wird, der mit dem Thema des Abschnitts zu tun hat; einen Auszug aus dem
Projekt zum oben genannten Wettbewerb; ein oder zwei Seiten "Laborbuch",
auf denen mittels Skizzen und gut verständlicher Beschriftungen die
wesentlichen genetischen und zellulären Vorgänge hinsichtlich des Themas
dargestellt werden, und natürlich den eigentlichen Text, in dem die
Materie samt Historie erläutert wird. Hier treten auch viele
Forscherpersönlichkeiten auf, die der Autor spannend porträtiert und
durchaus auch zur Diskussion stellt - wie etwa Craig Venter, der
ausgesprochen materialistisch wirkt und sehr umstritten ist, ohne dass
Fritsche ihn an den Pranger stellt; andere Publikationen beschreiben ihn
ebenso oder gehen noch härter mit ihm ins Gericht. Doch es werden auch
die stilleren Macher "hinter den Kulissen" gewürdigt. Fotografien zeigen
sie bei der Arbeit und lassen so auch einen Einblick in ihre berufliche
Umgebung zu.
Ob es einmal einen Steinzeitpark in Sibirien, steinzeitliche Haustiere
wie Zwergmammuts und Säbelzahnkätzchen oder auferstandene Neandertaler
geben wird (wozu eigentlich?), die Krebstherapie und -vorsorge gewaltig
vorankommt, Umweltschäden mittels Gentechnik vermieden oder nötigenfalls
behoben werden können und wir Energie nachhaltig zu gewinnen lernen, wer
weiß das schon, aber vieles führt ebenso auf diese Ziele zu wie auf die
Möglichkeit, ganze Subkontinente gezielt oder versehentlich zu
entvölkern. Fritsche lässt zwar die Begeisterung im Allgemeinen siegen,
zeigt aber auch differenziert die Probleme auf, die sich mit der
dargestellten wissenschaftlichen Disziplin verbinden. Er möchte die
Akzeptanz der Biotechnik, des "Bio-Engineering" erhöhen und
wendet sich mit seinem Buch an Erwachsene, jedoch auch an Jugendliche ab
etwa der 8. Klasse - nach Einschätzung der Rezensentin -, die sich für
die neuen Technologien interessieren und ihnen offen, doch nicht
unkritisch gegenüberstehen. Die Texte sind unkompliziert, trotz des
anspruchsvollen Themas, und lassen sich auch von Fachfremden gut
verstehen, die Skizzen erläutern komplexe Vorgänge recht einfach, und
das Tagebuch der Nachwuchsforscher zeigt auf, dass moderne Forschung
kein Hexenwerk ist. Der Autor vermag die Faszination des Forschens gut
zu vermitteln.
Eine unbedingte Empfehlung für alle, die nicht nur populistische
Parolen, von welcher Seite auch immer gestreut, nachplappern wollen!
(Regina Károlyi; 03/2013)
Olaf Fritsche: "Die neue Schöpfung.
Wie Gen-Ingenieure unser Leben revolutionieren"
Rowohlt, 2013. 285 Seiten.
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Olaf Fritsche
ist Biophysiker, promovierter Biologe und Wissenschaftsjournalist. Nach
seinem Studium hat er mehrere Jahre als Redakteur bei "Spektrum der
Wissenschaft" gearbeitet und anschließend als freier Journalist für
zahlreiche Zeitungen, Zeitschriften und Netzpublikationen über die
neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen aus Natur und Technik berichtet.
Bei Rowohlt sind zahlreiche allgemeinverständliche Sachbücher von ihm
erschienen. Außerdem schreibt Fritsche Lehrbücher für Studierende der Biologie
und Medizin.
Weitere Lektüretipps:
Arno Schrauwers, Bert Poolman: "Synthetische Biologie. Der Mensch als
Schöpfer?"
Synthetische Biologie ist ein neuer Wissenschaftszweig, der große
Hoffnungen auf Fortschritte in der Medizin, in der Landwirtschaft und in
den Energie-, Ernährungs- und Gesundheitswirtschaftszweigen weckt. In
den 1970er- und 1980er-Jahren fing alles mit der "genetischen
Manipulation" an. Die Teilgebiete der Synthetischen Biologie (auch
"Synbiologie" genannt) haben sich dann unterschiedlich schnell
entwickelt. Zurzeit ist die Forschung so weit, dass man - wenn auch noch
recht primitiv - neues Leben erschaffen kann. Forschern des
us-amerikanischen J. Craig Venter-Instituts ist es gelungen, ein
synthetisches Bakterien-Chromosom zu konstruieren, das nach
Transplantation in eine leere Bakterienzelle dort zu funktionieren
begann.
Obwohl molekulare Genetik kein Alltagsthema ist, wird sie hier so
dargestellt, dass ein breites Publikum sie ohne große Mühe verstehen
kann. Es wird erzählt, wie das Erbgut, die DNS, entschlüsselt wurde und
wie man sie heute synthetisch produzieren kann. Dabei werden die Risiken
und philosophisch/ethische Bedenken, die es sicherlich gibt, nicht
verschwiegen.
Dieses Buch führt den Leser anhand von Fragen durch das faszinierende
Thema:
Was ist Leben?
Wie ist das Leben entstanden? Können wir neues Leben schaffen? Ist nur
DNA-Leben möglich? Was wissen wir von der Zelle? Was sind die Chancen
der Synthetischen Biologie? Synthetische Biologie in der Laborpraxis.
Was können wir erwarten? Was sind die Risiken?
In diesem Buch geht es nicht um neue Fabeltiere
oder rekonstruierte Mammuts,
vielmehr versuchen die Autoren, dem Leser einen Einblick darüber zu
geben, was zurzeit in der Synthetischen Biologie geschieht und wohin
sich dieses Forschungsgebiet vermutlich entwickeln wird. (Springer
Spektrum)
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Alfred
Nordheim, Klaus Antoni (Hrsg.): "Grenzüberschreitungen. Der Mensch im
Spannungsfeld von Biologie, Kultur und Technik"
Als Zeitzeugen erleben wir derzeit dramatische Verschiebungen
gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Strömungen, während sich
gleichzeitig die Grenzen von Fachdisziplinen - besonders angetrieben
durch naturwissenschaftliche Fortschritte - verflüssigen.
Das Buch ist dem brisanten Thema dieser "Grenzüberschreitungen" in den
Wissenschaften gewidmet. Es vereint renommierte Autoren aus den Natur-,
Medizin-, Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften in einem
gemeinsamen Denkprozess, der die Entwicklungen anhand eines breiten
Spektrums von Themenstellungen in seinen vielfältigen Facetten darstellt
und problematisiert. (Transcript)
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Johannes Achatz:
"Synthetische Biologie und 'natürliche' Moral. Ein Beschreibungs- und
Bewertungszugang zu den Erzeugnissen Synthetischer Biologie"
Die Synthetische Biologie hat es sich zur Aufgabe gemacht, biologische
Systeme zu erzeugen und zu untersuchen, die als solche nicht in der
Natur vorkommen. Dieser Anspruch wird dabei nicht nur mit bekannten (und
umstrittenen) Mitteln der Gentechnik verfolgt, sondern auch in der
Molekularbiologie, Organischen Chemie, Nanotechnologie, in den
Informationswissenschaften und der Medizin.
Ausgehend von natur- und technikethischen Ansätzen gibt Johannes Achatz
einen Überblick über ethische Konfliktfelder der Synthetischen Biologie
und entwickelt ein Beschreibungs- und Bewertungsmodell, das auf einem
neu gefassten Technikbegriff fußt. Die Anwendbarkeit dieses Modells wird
am Beispiel von Craig Venters "Creation of a Bacterial Cell"
(2010) nachgewiesen. (Verlag Karl Alber)
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Hanno Charisius, Richard
Friebe, Sascha Karberg: "Biohacking. Gentechnik aus der Garage"
Bislang war Genforschung Profiwissenschaftlern vorbehalten. Diese Zeiten
sind vorbei, meinen die Wissenschaftsjournalisten Hanno Charisius,
Richard Friebe und Sascha Karberg. Sie bauten mit einem Minibudget ein
eigenes Labor auf, analysierten ihre Erbanlagen und hantierten sogar mit
potenziell gefährlichen Genen. Mit ihrem zweijährigen Selbstversuch
stiegen sie ein in die Welt der "Biohacker" und trafen die Pioniere
dieser neuen Amateurforschungsbewegung, die sich in
Untergrundlaboratorien an Krebsforschung versuchen. Wer sind diese
Hacker des Lebenscodes? Welche Chancen und Gefahren birgt die neue
Bewegung der Biotechnologie? Und wie sollten Politik und Gesellschaft
auf sie reagieren? (Hanser)
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