Sabine Peters: "Narrengarten"


Eintauchen in alltägliche Narren

Hamburg. Heimatstadt von ungefähr 1,8 Millionen Menschen. In dieser Stadt webt Sabine Peters die Geschichten, Gedanken und Gefühle von mehr als 20 Menschen. Sie alle sind wie in einem Spinnennetz miteinander verbunden, und in dessen Zentrum stehen Rupert, der an Krebs gestorben ist, und seine Frau Marie. Für sie war er der Mittelpunkt der Welt. Es geht um Eberhard, der sein ganz persönliches Gefängnis aus Alkohol und Unglück geschaffen hat, und seine Frau Lotte. Dann ist da Piet, der Ehemann von Mareike, Sonjas Therapeutin. Er ist Lottes Bruder, deren Mutter Frau Kaiser sich dem Alter und der Blindheit nicht ergeben will und manchmal auch über Rupert und ihren eigenen verstorbenen Mann nachdenkt. Der Pfleger Bernd, der sein eigenes dunkles Geheimnis mit sich trägt, und Elena, die im selben Turnverein ist, Dieter, ihr Kollege, der für Marie arbeitet, und seine Freundin Hermine, Ruperts Exfreundin - sie alle sind unausweichlich miteinander verbunden. Sabine Peters lässt den Gedanken ihrer Figuren freien lauf, verleiht ihnen Charakter und lässt sie alle um diesen faszinierenden Rupert schweben, der selbst nie zu Wort kommt.

Die Autorin erzählt die Geschichten mit einem unglaublichen Feingefühl. Eine Mischung aus innerem Monolog, Dialog, erlebter Rede und Bewusstseinsstrom lassen den Leser tief in die jeweilige Welt eintauchen. Sie alle sind mit ihrer beschränkten Sichtweise auf das eigene Leben Narren, die nicht erkennen, dass - ebenso wie in der Realität -  der Alltag, ihre Sorgen und Ängste, ihr großes und kleines Glück, auch Andere beeinflusst. Denn sie sind, entgegen dem Glauben mancher, nicht allein.

Sabine Peters gewährt Einblick in Ausschnitte aus dem Leben all dieser Menschen. Sie träumen von einer entfernten Zukunft, sehnen sich nach einer längst vergangenen Zeit, lernen ihre Einsamkeit zu akzeptieren, genießen Musik und erlauben sich manchmal, nicht zu kämpfen. Sie sind Narren, die dem Alltagszwang ausgeliefert sind. Dicht gewebte Metaphern und eine einschneidende Wortwahl verleihen nicht nur jeder Figur eine eigene Stimme, sondern schaffen auch ein psychologisches Bild. Das Leben der Charaktere wird nicht beschränkt aus der eigenen Sichtweise erzählt. Die Schilderungen, die Bilder, die entstehen, vollständiger, tiefsinniger und eindringlicher, je weiter man liest. Der banale Alltag wird zu einem vielschichtigen Roman, in dem jede Begegnung an Bedeutung gewinnt.

Die Autorin führt den Leser von Kapitel zu Kapitel, von Charakter zu Charakter, auf eine Reise in die Tiefen von menschlichen Gefühlen, Träumen, Ängsten und alltäglichen Gedanken. Dieses Buch liest sich wie eine faszinierende aber beruhigend wirkende Entdeckungsreise.

Fazit:
Für Buchgenießer und Alltagsnarren besonders empfehlenswert.

(Sabrina Brugner; 08/2013)


Sabine Peters: "Narrengarten"
Wallstein Verlag, 2013. 238 Seiten.
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Sabine Peters, geboren 1961, studierte Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie in Hamburg. Nach einigen Jahren im Rheiderland lebt sie seit 2004 wieder in Hamburg. Neben Romanen, Erzählungen, Hörspielen schreibt Sabine Peters auch Essays und Kritiken. Sie wurde ausgezeichnet u.A. mit dem "Ernst-Willner-Preis" beim "Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb", dem "Clemens-Brentano-Preis", dem "Evangelischen Buchpreis" und dem "Georg-K.-Glaser-Preis".