Nahuel Lopez: "Das Paradies ist die Hölle"
Meine Reise zu den letzten Mapuche-Indianern
Ehrlich, erschütternd,
einfach fantastisch - Porträt einer Stammeskultur
Der deutsche Autor mit chilenischen Wurzeln und einem Mapuche-Vornamen
fühlt sich auf eigene Weise mit dem Volk der Mapuche verbunden. Um
seiner Verbundenheit, Zuneigung und dem Interesse nachzugehen, begibt
sich Lopez auf eine Reise nach Ponotro, Chile, um dieses indigene Volk
Südamerikas und dadurch auch sich selbst besser kennenzulernen. Die
Mapuche-Indianer sind in ihrer Existenz allerdings bedroht durch die
Regierung, ihre Anzahl schwindet zusehends. Nur noch wenige der Indianer
leben, wie Ahnen und Tradition es sie gelehrt haben. Auf seiner Reise
trifft Lopez viele interessante Persönlichkeiten, und jede von ihnen hat
ihre eigene traurige, berührende und besondere Lebensgeschichte.
Jaime und seine Familie haben sich für den traditionellen Lebensstil am
Land entschieden, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Die Familie
profitiert von den Werten und dem festen Zusammenhalt, doch
Diskriminierung und Ausgrenzung sind auch für die Kinder der Familie
keine Fremdwörter. Monica, eine junge Anthropologin, ging in die Stadt,
um zu studieren. Dort verlor sie einige ihrer Freunde bei
Studentenaufständen gegen die Regierung. Untersucht wurden diese Morde
nur pro forma und ohne gerechte Strafe für die Täter.
Besonders spannend stellt sich das Kennenlernen mit Juan-Carlos dar. Die
chilenische Regierung nennt ihn einen Terroristen und jagt den
Flüchtenden, der seine Familie nur heimlich sehen kann, schon seit
Jahren. Für die Mapuche-Indianer ist Juan-Carlos ein Held. Er stellte
sich der Ungerechtigkeit des Landraubes, den die Mapuche durch die
Regierung erfahren, entgegen und gelangte deswegen ins Fadenkreuz der
Legislative. Juan-Carlos weiß, dass Gerechtigkeit für die Mapuche nur
auf dem Papier besteht und er keine Chance auf einen fairen Prozess
hätte.
Mauricio gehört der selben Organisation wie Juan-Carlos an und setzt
sich ebenfalls stark für Recht und Gerechtigkeit ein. Er verbrachte wie
Juan-Carlos ohne Beweise für terroristische Absichten einige Zeit im
Gefängnis. Jose und seine Familie leben in der einzigen autonomen
Comunidad. Von der Regierung unbeachtet, können sie dort autonom in
alter Tradition leben. Wie lange das noch möglich ist, ist fraglich. Die
Pewenche sind das Pendant der Hochebene zu den Mapuche. Trotz anderen
Körperbaus und anderer Mentalität verbindet sie ihre Liebe zur Natur
und Tradition.
Doch auch ihre Existenz und ihr althergebrachter Lebensstil hoch oben in
den Bergen sind bedroht.
Lopez sprach noch mit mehreren Betroffenen, die hier nicht alle
aufgelistet werden können. Er behandelt Themen wie Stammeskulturen, die
Geschichte der Mapuche ab dem 19. Jahrhundert, persönliche Porträts und
den Genozid durch die Chilenen. Neben der Beschreibung von Armut,
Vorurteilen und Diskriminierung wird Lopez aber nicht müde, auf die
schönen Seiten, wie das Leben mit der Natur und die Freude an der
eigenen Kultur, hinzuweisen.
Authentisch, ehrlich und aufrichtig gibt Nahuel Lopez diesem wegen Gier
und Regierung schwindenden Volk eine Stimme - und was für eine!
Das zunehmend verstummende Mapuche-Volk findet durch dieses großartige
Buch im Ausland Gehör, die nationale Regierung und Gesellschaft haben
sie oft schon als kriminell und mysteriös abgestempelt.
Der Titel des Buches könnte nicht treffender gewählt sein: einerseits
die romantische Vorstellung eines Lebens nach alten Traditionen in
wunderschöner Umgebung, andererseits die harte Realität, an der nichts
mehr einfach und schön ist. Diese Gegensätzlichkeit und das Talent des
Autors machen "Das Paradies ist die Hölle" zu einem außergewöhnlichem
Geschenk - einem Geschenk, das der Autor sich selbst, den Mapuche und
all seinen Lesern macht. Mit Humor und jenseits von Heuchelei und
Klischeehaftigkeit beschreibt Lopez das Leben der Mapuche. Der Autor
regt an, über die eigene Kultur und Lebensweise nachzudenken, aber auch,
wie so großer Ungerechtigkeit in einem fernem Land vielleicht Abhilfe
geschaffen werden könnte.
(Alexandra Gölly; 10/2013)
Nahuel Lopez: "Das Paradies ist die Hölle.
Meine Reise zu den letzten Mapuche-Indianern"
Gütersloher Verlagshaus, 2013. 190 Seiten.
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Nahuel Lopez, geboren 1978, war Redakteur der "ARD"-Sendung "Beckmann" und Redaktionsleiter des Plauderformats "Markus Lanz" beim "ZDF". Seit 2007 ist er freier Mitarbeiter der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er lebt und arbeitet als Journalist und Buchautor in Hamburg. Darüber hinaus ist er Fernseh- und Filmproduzent mit eigener Produktionsfirma.