Steffen Patzold: "Ich und Karl der Große"

Das Leben des Höflings Einhard


Ein Sachbuch mit Persönlichkeit(en)

"Einzig Einhard hat uns von dem Blutschweiß der Reliquien und den vielen Träumen berichtet; wir kennen nur die Version des Geschehens, die er selbst verbreitet wissen wollte."

"Ich und Karl der Große" informiert nicht nur umfassend und vielschichtig über das Leben des großen Herrschers im Mittelalter, sondern stellt auch eine andere, ebenfalls bedeutende Persönlichkeit in den Mittelpunkt der Betrachtungen: den Höfling Einhard. Der als Karls Biograf berühmt gewordene Einhard begleitete seinen Mentor viele Jahre lang und wich ihm nicht von der Seite. Ihm wurden Seiten des Kaisers offenbart, die sonst kaum jemand kennenlernte. Einhard verdanken wir biografische Details aus Karls Leben und die erste Karlsbiografie der Geschichte.

Auszüge dieser Biografie sind auch in Steffen Patzolds Werk vertreten. Schon im Vorwort demonstriert der Professor und Autor des Buches, dass das Mittelalter zwar schon lange vergangen ist, aber keineswegs als verstaubt und unaktuell zu sehen ist. Er gibt den Blick auf eine besondere und bemerkenswerte Epoche preis, die fälschlicherweise oft als intellektuell minderwertige Zeit angesehen wird. Die im Buch geschilderten Eindrücke werden durch Bilder noch verstärkt.

Patzold vereint die sagenhafte Persönlichkeit Karls des Großen mit dessen Wegbegleiter Einhard sowie der historischen Darstellung des Mittelalters. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf das Leben Karls, sondern setzt die Zusammenhänge in einen größeren Kontext, so dass ebenso interessantes wie faszinierendes Wissen vermittelt wird. Zu beachten ist allerdings, dass viele Darstellungen als subjektive Betrachtungen Einhards einzustufen sind.

Steffen Patzold erweckt in "Ich und Karl der Große" die Vergangenheit zum Leben und schafft Interesse, das man für diese Thematik nicht unbedingt erwarten würde. Mit den Augen des Höflings Einhard wird Karl der Große auch dem Leser immer vertrauter. "Das Treffen von Seligenstadt", "Vom Maingau nach Aachen", "Als Ratgeber bei Hof", "Marcellinus und Petrus" und "Die Jahre in Mulinheim" heißen die Kapitel, in denen die mittelalterlichen Genossen zu authentischen, lebendigen Figuren werden. Steffen Patzold bringt mit seinem Werk ein bisschen Licht in das "dunkle Zeitalter", die mystische, geheimnisvolle Zeit zwischen Antike und Renaissance.

Fazit:
Für an Geschichte Interessierte ein Muss, für jeden Leser eine Bereicherung und für ausdauernde Anfänger empfehlenswert.

(Alexandra Gölly; 11/2013)


Steffen Patzold: "Ich und Karl der Große. Das Leben des Höflings Einhard"
Klett-Cotta, 2013. 407 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen

Noch zwei Lektüretipps:

Alessandro Barbero: "Karl der Große" zur Rezension ...
Vater Europas

Johannes Fried: "Karl der Große. Gewalt und Glaube"
"Regen. Im Regen. Er stand im Regen, unten am Läuterungsberg. Endlos stürzte der Regen auf ihn hernieder und schien dennoch die Sünden nicht abwaschen zu können, die ihn befleckten. Ein Untier zernagte unablässig sein Geschlecht, das umgehend nachwuchs, um wieder zerfressen zu werden, fort und fort. Ein alter Mönch schaute den Büßer und erschrak. Kaum wagte er den Namen des Toten zu offenbaren. Doch alle wussten: Es war Karl, der große Kaiser, der Sünder, der da zu büßen hatte."
Mit diesen Worten beginnt Johannes Fried seine lang erwartete Biografie Karls des Großen. Biografie? Wir wissen nur wenig über das Leben und die Person des größten mittelalterlichen Herrschers. Eine Karlsbiografie in modernem Sinne ist unmöglich. Doch wie Fried, der Meistererzähler und begnadete Mediävist, in seinem Opus magnum alle historischen Register zieht, anhand von Quellen und Artefakten, Indizien und Analogieschlüssen Karl nachspürt, Wissen, modernste Methoden der Gedächtnisforschung und die schöpferische Intuition ineinander spielen lässt, um ein Zeitalter und eine Herrschergestalt zum Leben zu erwecken - das ist Geschichtsschreibung der Extraklasse. (C.H. Beck)
Buch bei amazon.de bestellen