Markus Heitz: "Totenblick"
"Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters."
Ein junger Pianist geht am Vorabend seines großen Auftritts in Leipzig
noch auf ein etwas anderes Konzert und wird auf dem Rückweg von einem
anderen jungen Herrn mit einem Baseballschläger ausgeraubt.
Angetrunken und angeschlagen taumelt er dann vor eine Straßenbahn, von
wo ihn ein Mann wegreißt. Heil wieder zuhause angekommen, zieht es den
Pianisten sofort aufs Sofa; seine Lebensgefährtin hat ihn aufgrund der
späten Stunde und des erwarteten Alkoholisierungsgrades des
Schlafzimmers verwiesen.
Am nächsten Morgen wird der junge Mann in seiner Wohnung überfallen und
entführt. Sein Vater, selbst ein sehr
hohes Tier an der Leipziger Oper, schaltet
wegen seines Verschwindens einen Geschäftsfreund und seinen zufällig
anwesenden Personal Trainer Alex Löwenstein ein, um eine
Lösegeldübergabe so reibungslos wie möglich über die Bühne gehen zu
lassen, sobald der Entführer sich meldet. Doch der fragliche Anruf kommt
nie.
Kriminalhauptkommissar Retger wird an einen Tatort gerufen, an dem die
Leiche eines jungen Mannes wie Marat in einem berühmten Gemälde drapiert
ist; genau wie sein Umfeld. Dabei ist der Tod allerdings nicht, wie in
der Vorlage, infolge von zwei Schusswunden eingetreten, die der Leichnam
im Übrigen auch aufweist, sondern aufgrund des Köpfens mit einer sehr
scharfen und schweren Klinge.
Der Kopf ist dann mit Klebeband wieder am Hals befestigt worden.
Außerdem findet sich in der Nähe des Toten eine Reihe von Blättern, von
denen drei in einer Imitation von Marats eigener Handschrift in der
Vorlage auf Französisch geschrieben sind und das letzte eine gedruckte
Botschaft an die Ermittler enthält, die unter Anderem auch über den
"Totenblick" berichtet, den Blick eines mit offenen Augen Gestorbenen,
der dem Zurückblickenden einen zeitnahen Tod beschert. So zumindest
erklärt es der herbeigerufene Leichenbestatter Korff, bekannt aus "Oneiros",
den die Leipziger Kripo bevorzugt zur Beseitigung von "unappetitlichen"
Toten anfordert.
Wenig später kommen zwei der Beamten, die beim Auffinden der Leiche
anwesend waren, auf ungewöhnliche Art und Weise zu Tode, weswegen die
Ermittler und die sie unterstützenden Techniker beim nächsten
ungewöhnlichen Leichenfund, nach einem
anonymen Tipp durch den Täter, sehr zurückhaltend vorgehen.
Diesmal ist das
nachgestellte Bild eine der Selbstmorddarstellungen der Kleopatra
und das Opfer eine
junge Studentin.
Retgers SOKO bekommt nun viel Druck von oben, und gerade der an ADHS
leidende Leiter der Ermittlungen muss sich zeitgleich mit einer
deutlichen Verschlechterung seines Zustands auseinandersetzen, wobei ihm
aber gerade sein
alter Freund Löwenstein gerne
hilft.
Dann wird eine gute Kollegin Retgers in ihrer eigenen Wohnung überfallen
und mehr schlecht als recht in einer Imitation der Duschtodesszene aus
"Psycho" drapiert. Schnell ist klar, dass hier ein anderer
Mensch tätig geworden sein muss, besonders, nachdem sich der
"eigentliche Bildermörder" bei der Polizei über dieses Plagiat ereifert.
Währenddessen sterben beinahe unbemerkt immer wieder Leute an der
Peripherie des Falls, und einmal ist es Löwenstein, der eine dieser
Leichen findet und damit seine eigene Bedeutung für weitere Ermittlungen
zeigt - auch in Bezug auf den "Plagiator" des Bildermörders. Doch dann
sind auf einmal mehrere Polizisten verschwunden, und der Fall läuft ganz
aus dem Ruder ...
Markus Heitz' erster Ausflug in die "reine" Thrillerwelt ist
ziemlich gut gelungen und genauso mit denkwürdigen Charakteren
durchsetzt wie seine anderen Bücher. Der Fall ist ebenso interessant wie
originell, und die Charaktere werden mit ausreichend Tiefgang und
komplexen Biografien vorgestellt, wohl auch mit dem Gedanken, diesen
Roman zum Beginn einer neuen Serie zu machen, was nicht unbedingt
schlecht wäre.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2013)
Markus Heitz: "Totenblick"
Knaur, 2013. 521 Seiten.
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