David Blatner: "Extremwelten"

Unser unfassbares Universum von unendlich klein bis unendlich


Schier Unfassbares anschaulich und fassbar dargestellt


Folgende sechs Spektren bzw. Bereiche oder Kontinuen: Zahlen, Größe, Licht, Schall, Wärme und die Zeit behandelt David Blatner in seinem bemerkenswerten Buch "Extremwelten". Von der "Mittelwelt" aus, dem Bereich menschlichen Maßes und Denkens führt er seine Leser bis heran an die Ränder der Spektren ins Extreme, Unverständliche, Unvorstellbare. Seinen eigenen Text hat der Autor mit Zitaten bekannter und angesehener Wissenschaftler angereichert, die ihm wohl besonders geeignet erschienen, seinen Lesern das Staunen zu lehren.

Blatner beginnt seine Ausführungen mit den Zahlen. Anhand von anschaulichen Beispielen versucht er, die Unfasslichkeit großer Zahlen dem Vorstellungsbereich des menschlichen Verstandes zugänglich zu machen, dem Leser Größenordnungen zu vergegenwärtigen, die über das menschliche Maß hinausgehen. Wer hätte beispielsweise ohne nachzurechnen gedacht, dass man zehn Stunden mit dem Auto fahren muss, um nur eine Milliarde Millimeter zurückzulegen? Und eine Billion Millimeter sind fünfundzwanzigmal rund um den Globus. Noch unvorstellbarer wird es, wenn man die Zahlenverhältnisse in der Welt der Elementarteilchen oder aber in den schier unendlich scheinenden Weiten des Universums betrachtet. Aber nicht nur die natürlichen Zahlen versucht uns David Blatner nahe zu bringen, wir lernen in diesem ersten Kapitel auch irrationale, transzendentale und imaginäre Zahlen kennen, und darüber hinaus noch viel anderes Wissenswertes aus der Staunen erregenden Welt der Zahlen.

Eng verbunden mit dem Zahlenspektrum ist das Spektrum der Größe, das im zweiten Kapitel des Buches behandelt wird. Als Beispiel möge hier unsere Milchstraße dienen. Dort gibt es vermutlich zwischen 200 und 400 Milliarden Sterne. Die Milchstraße ihrerseits ist aber nur ein winziger Teil eines Galaxienhaufens, der rund 100 Billiarden mal (ein Druckfehler oder Irrtum?) größer ist als die Milchstraße, der sogenannte Virgo-Superhaufen. Und nach neuesten Erkenntnissen gibt es vermutlich zehn Millionen solcher Galaxienhaufen. Wenn man dann auch noch in Betracht zieht, dass das ganze Universum möglicherweise nur ein winziger Teil eines Multiversums ist, dann verschwinden die Dimensionen endgültig im Unvorstellbaren. Und auf der anderen Seite des Spektrums, in der Welt der sehr kleinen Dinge, sind die Verhältnisse kaum weniger Ehrfurcht einflößend.

Licht und Schall sind die Themen, mit denen sich die Kapitel drei und vier befassen. Hier begegnen dem Leser unter Anderem überraschende Zusammenhänge: "Zahlreiche Forscher sind heute der Auffassung, dass viele Berichte über Häuser, in denen es spukte, auf schwer nachweisbare Infraschallwellen zurückzuführen sind. Beispielsweise kann eine Schallwelle mit der richtigen Frequenz - rund 18 Hz - das menschliche Auge in Schwingung versetzen, was geheimnisvolle graue Erscheinungen im peripheren Sehen hervorrufen kann."

Wärme und Thermodynamik werden im fünften Abschnitt behandelt. Neben den wissenschaftlichen Grundlagen erklärt der Autor auch Prozesse des Alltags, beispielsweise die Funktionsweise eines Kühlschrankes.

Das vielleicht größte aller Geheimnisse - die Zeit - bleibt dem siebten Kapitel vorbehalten. David Blatner: "Nur eines können wir mit Bestimmtheit über die Zeit sagen: Sie beruht auf Veränderungen irgendwelcher Art." Hier erschweren jedoch allzu gehäuft auftretende Fachbegriffe wie Mikrosekunden, Millisekunden, Nanosekunden, Femtosekunden, Yottasekunden, Petaflops, Pikosekunden, Quantenzeit, Attosekunden, Yoktosekunden (sechs Millionstel einer Attosekunde) die Orientierung im ohnehin schwierigen Terrain.

Ganz besonders spannend aber wird es gegen Ende des Zeit-Kapitels, wo die neuesten Theorien über das Wesen der Zeit vorgestellt werden, wie beispielsweise die Theorie des Eternalismus. Einige dieser Vorstellungen erscheinen unserem menschlichen Bewusstsein als geradezu widersinnig, wie etwa die Annahme, dass heute getroffene Entscheidungen (zumindest auf der Quantenebene) Ereignisse in der Vergangenheit beeinflussen können. David Blatners Fazit: "Letztlich ist es wahrscheinlich, dass alles, was wir gegenwärtig über die Zeit zu wissen glauben - unsere Erinnerungen, unsere sorgsam entworfenen Kalender, unsere extrem genauen Messungen - eine Illusion ist, eine wie ein Hologramm erzeugte Sinnestäuschung, die uns ermöglicht, einen Sinn in ein Universum hineinzulesen, das seltsamer ist, als sich irgendein Philosoph jemals hat einfallen lassen."

Mit der Feststellung, dass unser Verstand nicht in der Lage ist, all die Hinweise und Berechnungen, die wir aus der Forschung erhalten, wirklich zu verstehen, schließt David Blatner sein lesenswertes Buch über die Extremwelten.

(Werner Fletcher; 06/2013)


David Blatner: "Extremwelten. Unser unfassbares Universum von unendlich klein bis unendlich"
Aus dem Englischen von Hainer Kober.
Berlin Verlag, 2013. 192 Seiten.
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David Blatner, geboren 1966, ist Autor vieler preisgekrönter Bücher, darunter "Pi - Magie einer Zahl", "Cyberspace: Die Entdeckung künstlicher Welten" sowie einer Reihe anderer Sachbücher.

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