Eric Kandel: "Das Zeitalter der Erkenntnis"
Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute
Das Vorwort beginnt bereits mit einem Paukenschlag, wir begegnen zwei
ganz großen und gewichtigen Männern, (auch physisch gesehen, denn beide
waren wirklich von einer enormen Statur, robust und beleibt, wie sie
waren, sah man ihnen die Lebensfreude und Leidenschaft sofort an, der
Hang zum Überschwang bei Wein, Weib und Gesang war nicht wegzuleugnen),
der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Diese zwei Männer waren
Gustav
Klimt und Auguste Rodin, welche im Jahre 1902 von der angesehenen
Kunstkritikerin Berta Zuckerkandl, (dieser Name ist wie geschaffen, fast
symbolisch und symptomatisch für das zuckersüß verkitschte Wien, dessen
Klischee in den Köpfen von nicht Ansässigen herumschwirrt), in ihren
distinguierten Salon eingeladen wurden. Die Geschichte von Kunst,
Kitsch, Eros und Psyche kann ihren Lauf nehmen!
Eric Kandel beginnt mit einer vergnüglichen Anekdote, und das ist auch
der Wegweiser, was uns erwarten wird: Ein Buch mit einer wunderbaren
"Melange" aus Fakten, wissenschaftlichen Resultaten und beschwingten
Anekdoten. Kandel beherrscht es meisterhaft, das Sinnliche mit dem
Erkenntnistheoretischen zu verbinden, geradezu einen wunderschönen
Teppich daraus zu weben. Er unterhält uns und er lehrt uns auf eine sehr
sympathische Weise, er schreibt lesergerecht, ohne trivial zu werden.
Dieses Buch beschreibt Sehnsucht, Leidenschaft, die Lust, Sinnliches und
Ästhetisches zu besitzen, als Symbol für Unvergänglichkeit und
Unsterblichkeit werden Gemälde geschaffen, gekauft und gesammelt. Das
erste Bild, welches in diesem Werk erwähnt wird, ist das von Klimt
geschaffene Gemälde "Adele Bloch-Bauer", welches eine große historische
Bedeutung hat, denn es bricht mit der klassischen Dreidimensionalität
und vollzieht einen modernen flächenhaften Raum. Klimt wird zu dieser
Zeit (etwa 1907) ein Vorreiter und Erneuerer der österreichischen
Moderne. (Seine jüngeren Protegés sollten diesen Weg noch wesentlich
radikaler fortsetzen. Auch über sie werden wir in diesem Buch vieles in
Erfahrung bringen können.) In dem dargestellten wuchtigen Kleid von
"Adele Bloch-Bauer" sind mehr als nur dekorative Muster zeichnerisch
eingearbeitet, die kleinen ikonenhaften Darstellungen symbolisieren
Eizellen und Spermien, es war eine Huldigung Klimts an Darwin.
Das war nur eines von vielen Beispielen, dass die Wissenschaft die Kunst
erreicht hat und vice versa, eine fruchtbare Symbiose von Verstand und
Gefühl kann ihren Siegeszug für eine bessere Welt antreten (aber auch
Zerstörung und Elend über die Welt bringen, wenn wir z.B. an das "Dritte
Reich" denken).
In dem Buch begegnen uns dann noch
Sigmund
Freud,
Arthur
Schnitzler und viele andere Kapazunder, Koryphäen auf dem Gebiet
der Erforschung und Auseinandersetzung der menschlichen Psyche. Labile,
fragile und gebrochene, faszinierend ambivalente Persönlichkeiten wie
etwa Egon Schiele oder Oskar Kokoschka geben tiefe Einblicke, auf welch
dünnem Eis der menschliche Geist wandelt, immer nur einen Hauch vom
Wahnsinn entfernt, um die Bestie in einem ausbrechen zu lassen und zur
(Selbst)zerfleischung anzusetzen.
Es werden alle wichtigen Stadien bis hin zur Hirnforschung durchlaufen,
dieses Buch bietet eine wunderbare Grundlage sowohl für Liebhaber der
Kunstgeschichte, als auch für medizinisch Interessierte in Bezug auf
unser Gehirn. Es ist sowohl unterhaltsam, als auch informativ und mit
viel Charme und Witz geschrieben. Die Wiener Wurzeln von Eric Kandel
sind unverkennbar, zumindest in literarischer Hinsicht, erhalten
geblieben.
Resümee: Ein ebenso großartiges wie faszinierendes Buch eines ebenso
großartigen und faszinierenden Mannes!
(Josef Huber; 01/2013)
Eric
Kandel: "Das Zeitalter der Erkenntnis.
Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der
Wiener Moderne bis heute"
(Originaltitel "The Age of Insight:
The Quest to Understand the Unconscious in Art, Mind, and Brain, from
Vienna 1900 to the Present")
Aus dem Englischen von Martina Wiese.
Siedler, 2012. 704 Seiten.
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Weitere Bücher des Autors
(Auswahl):
"Auf der Suche nach dem Gedächtnis. Die Entstehung einer neuen
Wissenschaft des Geistes"
Eric Kandel, der bedeutendste Gedächtnisforscher unserer Zeit, erinnert
sich an sein Leben. Als Kind floh er 1939 vor den Nazis aus Wien nach
New York. Mit großem erzählerischen Schwung schildert Kandel, wie ihn
seine persönliche Suche nach der Erinnerung dazu brachte, sich erst der
Geschichte, dann der Psychoanalyse und schließlich der neurobiologischen
Forschung zuzuwenden, um eine neue Wissenschaft des menschlichen Denkens
und Fühlens zu begründen.
Zwei Tage nach Eric Kandels neuntem Geburtstag bricht die Gewalt in sein
Leben ein. Die Wohnung der Kandels wird von den Nazis geplündert, die
jüdische Familie muss fliehen. Gemeinsam mit seinem Bruder trifft er
1939 in
New York ein, erst Monate später gelingt es den Eltern
nachzukommen.
Aus dem Versuch zu begreifen, was ihm geschehen ist, erwächst bei Kandel
eine Faszination für die Vergangenheit, für das Erinnern und Vergessen.
Das führt ihn zunächst zum Studium der Geschichte und Literatur. Doch
das Wien, das ihn nicht loslässt, die Stadt Schnitzlers und Musils,
ist auch die
Sigmund Freuds. Bei seiner Auseinandersetzung mit der
Psychoanalyse stößt Kandel jedoch rasch an die Grenzen dieses Fachs. Er
wendet sich daher der biologischen Forschung zu. Es geht ihm um die
wissenschaftliche Erklärung dessen, was Freud über psychische Prozesse,
das Bewusste und das Unbewusste gesagt hat.
Indem Kandel sein Leben Revue passieren lässt und seine Entwicklung als
Forscher erzählt, beschreibt er, wie sich die moderne, neurobiologisch
fundierte Wissenschaft des menschlichen Geistes entwickelt hat. Eine
Autobiografie auf literarischem Niveau, geschrieben von einem
analytischen Meisterdenker und getragen von großer politischer und
menschlicher Weitsicht.
Die Gedächtnisforschung ist eine Schlüsseldisziplin des 21.
Jahrhunderts. (Pantheon)
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"Im Bann des
Gedächtnisses: Die Entstehung einer neuen Biologie des Geistes. Wiener
Vorlesungen"
Der Neurowissenschaftler und Nobelpreisträger Eric Kandel erinnert sich
nicht nur an seine Kindheit und Jugend in
Wien, der Stadt, aus der er 1939 als Kind jüdischer Eltern
vertrieben wurde, sondern erzählt auch von seinem internationalen
Werdegang als Forscher, den zunächst vor allem die Geistes- und
Kulturwissenschaften interessierten. Die eigenen Kindheitserlebnisse
waren es schließlich, die seine Karriere in andere Bahnen lenkten: Die
bewussten und unbewussten Erinnerungen an sie waren ausschlaggebend für
seine mit dem Nobelpreis gekrönten Forschungen über die Eigenschaften
und Leistungen des Gedächtnisses an der Schnittstelle zwischen Medizin
und Biologie.
Ausgehend von Untersuchungen an Meeresschnecken konnte er Zusammenhänge
zwischen Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis nachweisen und entdeckte, dass
mit der Bildung des Langzeitgedächtnisses immer auch eine anatomische
Veränderung einhergeht - eine Erkenntnis, die unter Anderem Anlass zur
Hoffnung auf ein Medikament gegen Altersvergesslichkeit oder Alzheimer
gibt. (Picus)
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Eric Kandel,
James Schwartz, Thomas Jessell: "Neurowissenschaften. Eine Einführung"
Ein Überblick.- 1. Gehirn und Verhalten.- 2. Neuronen und Verhalten.- II
Zellbiologie, Anatomie und Entwicklung des Nervensystems.- 3. Das
Neuron.- 4. Neuronale Proteine.- 5. Das Nervensystem.- 6. Die
Entwicklung des Nervensystems.- III Signalleitung innerhalb von
Nervenzellen.- 7. Ionenkanäle.- 8. Das Membranpotential.- 9. Lokale
Signalleitung: Die passiven elektrischen Eigenschaften der Nervenzelle.-
10. Signalweiterleitung: Das Aktionspotential.- IV Signalübertragung
zwischen Nervenzellen.- 11. Einführung in die synaptische Übertragung.-
12. Übertragung an der neuromuskulären Synapse.- 13. Synaptische
Integration.- 14. Modulation der synaptischen Übertragung:
Second-Messenger-Systeme.- 15. Transmitterfreisetzung.- 16.
Neurotransmitter.- 17. Ein Krankheitsbild: Myasthenia gravis.- V
Kognitive Neurowissenschaften.- 18. Von den Nervenzellen zur Kognition.-
19. Cortex und Kognition.- VI Wahrnehmung.- 20. Die sensorischen
Systeme.- 21. Die Konstruktion des visuellen Bildes.- 22. Die
Verarbeitung visueller Information durch die Retina.- 23. Wahrnehmung
von Form und Bewegung.- 24. Farbe.- 25. Sensorische Erfahrung und die
Entstehung visueller Schaltkreise.- VII Bewegung.- 26. Einführung in die
Motorik.- 27. Muskeln und Muskelrezeptoren.- 28. Rückenmarksreflexe.-
29. Willkürmotorik.- VIII Gene, Emotionen und Instinkte.- 30. Gene und
Verhalten.- 31. Geschlecht und Gehirn.- 32. Emotionale Zustände.- 33.
Motivation.- IX Lernen, Sprache und Gedächtnis.- 34. Sprache.-
35. Lernen und Gedächtnis.- 36. Zelluläre Grundlagen von Lernen und
Gedächtnis.- Glossar.- Deutschsprachige Literatur.- Bildnachweise.-
Index. (Spektrum Akademischer Verlag)
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