Roddy Doyle: "Die Rückkehr des Henry Smart"
Abschluss einer
durchwachsenen Trilogie
Vor etwas mehr als zehn Jahren erschien Roddy Doyles furioser Roman
"Henry der Held", der sich mit den Kinder- und Jugendjahren des
Protagonisten beschäftigt. Henry, Sohn eines einbeinigen
Auftragsmörders, ist, obwohl Drittgeborener, das erste Kind seiner
Eltern, welches das Säuglingsalter überlebt. Nachdem der Vater die
Familie verlässt, wächst Henry mehr oder weniger auf der Straße auf,
überlebt durch Diebstahl und andere Gaunereien. Obwohl er eine äußerst
schwierige Kindheit hat, schafft es Roddy Doyle, ihn mit einer
Riesenportion Selbstbewusstsein und Lebenskraft auszustatten, so dass
man als Leser gar nicht anders kann, als diesen Schelm zu bewundern. Mit
vierzehn Jahren tritt er als Soldat in die junge Irische Republikanische
Armee ein.
Im zweiten Teil der Trilogie, "Jazztime",
betritt der irische Rebell und mittlerweile auch Auftragsmörder Henry
Smart anno 1921 us-amerikanischen Boden. Er taucht in die "Roaring
Twenties" ein und geht hier ebenfalls seinen Gaunereien nach. Auch
der Musik widmet er sich. Louis Armstrong sucht sich Henry als Manager
aus, und alles geht gut, bis Henry von seiner Vergangenheit eingeholt
wird. Roddy Doyle erliegt im zweiten Teil ein wenig zu oft dem Drang,
Verbindungen herzustellen, die den Bogen der Glaubhaftigkeit
überstrapazieren, das geht soweit, dass Henry, der bei einem Unfall ein
Bein verloren hat, in die Wüste sterben geht, nur, um von Henry Fonda
entdeckt zu werden, der da gerade einen Western mit Henry Ford dreht.
Beide Romane verbindet eine temporeiche Prosa, die über weite Passagen
aus Dialogen besteht, die zwischen Brachialkomik und Herzschmerz hin-
und herspringt, die meist eine wahre Freude zu lesen wäre, würde nicht
die Handlung immer wieder schwächeln.
Trotzdem, wer bereits so viel Henry Smart erlebt hat, wird trotz allen
„Abers“ auf den letzten Teil der Trilogie gewartet haben. Die gute
Nachricht ist, dass Henry Smart nach Irland zurückkehrt, als Berater von
Henry Ford, der die grüne Insel besucht, um dort mit John Wayne und
Maureen O’Hara den Film „Der Sieger“ zu drehen.
Ein rasanter Beginn lässt Gutes hoffen. Gutes, das sich allerdings rasch
im Strudel der unendlich vielen Zufälle erschöpft. In "Jazztime" bricht
er "zufällig" in das Haus seiner Exfrau ein, die zufälligerweise auch
hier die nette alte Dame ist, die ihn als Gärtner einstellt.
Andererseits hätten diese Fragen der Glaubwürdigkeit wenig(er) Gewicht,
wäre der erzählerische Duktus geistreich, frisch, temporeich und
insgesamt überzeugend. Doyles Duktus ist in "Die Rückkehr des Henry
Smart" allerdings eher schwerfällig, bemüht und viel zu elaborierend.
Lange, verzweifelte Wortwechsel, die nirgendwohin führen, von denen
wenig bis nichts bleibt. Problematisch auch die so ähnliche Stimmführung
der einzelnen Protagonisten, die so ununterscheidbar wird, dass man in
den seitenlangen Dialogen oft zurückblättern muss, um sich in Erinnerung
zu rufen, wer hier eigentlich gerade mit wem kommuniziert.
Wahrscheinlich ist es sehr schwierig, sich in diesem Roman
zurechtzufinden, wenn man die beiden Vorgänger nicht gelesen hat, da
Doyle immer wieder Querverweise und Hinweise einfügt, die einfach davon
ausgehen, dass sich jeder auskennt. Als Einstieg in die Trilogie ist
"Die Rückkehr des Henry Smart" eher nicht zu empfehlen.
Da Henry Smart erkennen muss, dass der große Regisseur ganz andere Ideen
und Gedanken zu seinem Irland
hat, entspinnt sich zwischen den beiden eine Diskussion, die fast das
ganze erste Drittel des Romans einnimmt. Nach einem Drittel kommt kurz
Spannung auf, die allerdings ebenso rasch verpufft, wie die vielen
Beweise für den ungeheuren Witz und das immense Können dieses
großartigen irischen Autors, der im deutschsprachigen Raum leider viel
zu wenig bekannt ist. Immer wieder, vor allem, wenn sich Doyle mit
detailreichen Beschreibungen beschäftigt, spürt man, was möglich gewesen
wäre, wenn der Versuch, die Geschichte Irlands im zwanzigsten
Jahrhundert in drei Romanen darzustellen, nicht ein so großer, schwerer
Klotz gewesen wäre, der den meist mehr als sympathischen Protagonisten
im Spiegel der Geschichte doch blass aussehen lässt.
Ein starkes Ende dieses Romans setzt einen definitiven Schlusspunkt
unter diesen Zyklus, der ziemlich durchwachsen ist, bei dem sich Licht
und Schatten
rasant die Klinke in die Hand drücken. Doyles Idee, dass sich die
Tragödien der Welt als Farce spielen lassen, wirkt nach drei Romanen
etwas bemüht. Irlands Dramen werden entweder zu Massakern oder
Melodramen, während die Seelenzustände das Reich zwischen
Sentimentalität und dem Barbarischen ausloten.
Nichtsdestotrotz, als letzter Teil der Trilogie ist "Die Rückkehr des
Henry Smart" ein Muss. Wer die beiden Vorgänger gelesen hat, wird auch
diesen Roman lesen. Wer nicht, dem sei zuerst "Henry der Held" empfohlen
...
(Roland Freisitzer; 09/2013)
Roddy
Doyle: "Die Rückkehr des Henry Smart"
(Originaltitel "Dead Republic")
Übersetzt von Renate Orth-Guttmann.
Carl Hanser, 2013. 382 Seiten.
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