Jacek Dehnel: "Saturn"
Schwarze Bilder der Familie Goya
Goya und seine Nachkommen
Der 1980 geborene polnische Autor Jacek Dehnel ist bereits vor einigen
Jahren mit seinem erfolgreichen Debütroman "Lala" in Erscheinung
getreten. Sein zweiter Roman beschäftigt sich mit dem Leben des
spanischen Künstlers Francisco
Goya, wie auch mit dem Leben seines Sohnes Javier und dem
Enkelsohn Mariano.
Ausgangspunkt für diesen historischen Roman ist ein 2003 erschienenes
Buch des Kunsthistorikers Juan José Junquera, in dem dieser versucht zu
beweisen, dass die berühmte schwarze Serie des großen Spaniers
eigentlich nicht vom Meister selbst, sondern von seinem Sohn Javier
geschaffen worden ist. Dieses Buch hat vor allem bei diversen
Goya-Experten für viel Unmut und Kritik gesorgt, obschon Junqueras
Ausführungen durchaus plausibel sind. Beweisen kann er seine These
allerdings nicht.
Jacek Dehnels fiktionalisierte Darstellung der drei Goya-Generationen
ist teilweise von morbider Depressivität gekennzeichnet, formal so
gelöst, dass die drei Herren in tagebuchartiger Manier ihre Beziehungen
zueinander schildern, naturgemäß kommt Mariano erst viel später im
chronologisch erzählten Roman zum Zuge, übernimmt dann quasi die
Stafette von seinem Großvater.
Von Beginn weg ist die Beziehung Francisco Goyas zu seinem Sohn Javier
alles Andere als von Sympathie gekennzeichnet. Dem Sohn geht es in Bezug
auf seinen Vater nicht viel besser. Francisco wird als
unverbesserlicher, eindimensionaler Weiberheld gezeichnet, der unfähig
zu sein scheint, etwas zu empfinden, das man Liebe nennen könnte. Die
Beziehung zur Frau ist auf das Kindermachen beschränkt, da aber nur
Javier überlebt, ist der Meister gekränkt und traurig. Javier, den er
als weibisch und unfähig einschätzt, gerade er? Im Spiegel dieser
Enttäuschung bildet sich des Sohnes Beziehung zu seinem Vater kontra
dessen Kunst. Dem Jungen, der ebenso Malen
lernen soll, wird vom Vater bescheinigt, untalentiert zu sein. Aus
dieser Kränkung heraus geht in Javier der Wunsch hervor, es dem Vater
doch zu beweisen. Das Resultat soll die dem Vater zugeschriebene
"schwarze Serie" sein.
Die zwölf Bilder werden in den zwölf dazugehörenden Kapiteln auch
abgedruckt. Die Ausführungen zu diesen Meisterwerken, egal, ob jetzt
Vater oder Sohn dafür verantwortlich sind, gehören mitunter zum
interessanteren Teil dieses Textes.
Die Gedanken der drei Männer ermüden bald in ihrer Darstellung der
eintönigen Sexsucht Franciscos - der außerdem als wütender Zyniker
unterwegs ist -, dem rasch unglaubwürdigen Selbstmitleid Javiers und dem
klischeehaften Geschäftssinn des Enkels.
Problematisch ist auch die häufige Verwendung von Ausdrücken, die in der
damaligen Zeit höchstwahrscheinlich nicht in Verwendung waren. Die
genaue zeitliche Erscheinung der betreffenden Wörter konnte der
Rezensent allerdings nicht im Netz finden. Einige dieser Wörter, wie zum
Beispiel "Muschi" oder "bumsen", kommen so oft vor, dass der Rezensent
die ursprüngliche Idee, die Anzahl der Verwendungen zu zählen, rasch
aufgegeben hat. Überhaupt entspricht die Beschreibung der sexuellen
Aktivitäten eher dem durch Fernsehen und Netz sprachlich aufgeklärten
Zeitgenossen.
So ist ein Roman entstanden, der zwar einige wirklich eindringliche
Szenen hat, der eine recht interessante Ausgangsidee hat, der aber keine
richtige Spannung und keine erzählerische Stringenz aufkommen lässt. Es
ist auch ein Text, der das Leid vieler historischer Romane zu erleiden
scheint: Der historische Kontext wirkt sich nämlich bei der Wahrnehmung
der fiktiven geistigen Schöpfung negativ aus. Vielleicht wäre es
interessanter, eine Goya ähnliche Figur zu schaffen und nicht Goya aus
persönlicher Sicht darzustellen?
Der Rezensent geht davon aus, dass die stilistischen Mängel, also die
Diskrepanz zwischen der Sprache und dem Handlungszeitraum, eher auf die
Kappe des Autors gehen, als auf die der Übersetzerin, die eine der
besten literarischen Übersetzerinnen aus dem Polnischen ist. So bleibt
am Ende leider ein etwas fahler Eindruck eines dunklen, morbiden,
zynischen und harten Buches, das aber doch nicht wirklich überzeugt.
(Roland Freisitzer; 08/2013)
Jacek Dehnel: "Saturn. Schwarze Bilder der
Familie Goya"
(Originaltitel "Saturn. Czarne obrazy z zycia mezczyzn z rodziny Goya")
Übersetzt
aus dem Polnischen von Renate Schmidgall.
Hanser, 2013. 272 Seiten.
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Noch ein Buchtipp:
Werner Hofmann:
"Goya. Vom Himmel durch die Welt zur Hölle"
Francisco Goya hat mit seinem bahnbrechenden Werk Chiffren für die "Welt
als Tollhaus" geschaffen, die bis heute nichts von ihrer Geltung
verloren haben. In seinem prächtig ausgestatten Buch zeichnet Werner
Hofmann Leben und Werk des spanischen Malers in einem grandiosen Bogen
nach. Folgt man den hellsichtigen Visionen des Malers, so erfüllen
Absurdes und Irrationales die Welt. Goya benennt diese Abgründe in ihrer
teuflischen Schönheit. Dabei bannt er die barbarischen Schrecknisse und
steigert sie formal. In diesem rationalen Gestaltungsakt einer absurden
Welt liegt die unerhörte und verstörende Modernität seiner Schöpfungen.
Werner Hofmanns Band, der sich als Klassiker etabliert hat, bringt Goyas
malerisches und grafisches Werk in brillanten Abbildungen zur Geltung
und erklärt, wie Goya zum großem Erneuerer der Kunst um 1800 wurde.
(C.H. Beck)
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