Evelyne Bloch-Dano: "Die Sehnsucht im Herzen der Artischocke"

Eine Gemüsekulturgeschichte


Eine vegetarische Biografie, verfeinert mit französischer Leidenschaft

"Vom Gemüse zu erzählen heißt, im Raum und in der Zeit zu reisen, vom Allgemeingültigen ins Privateste, und dabei unserem Wissen und unseren Fragen, unseren Erfahrungen und unserer Neugier zu begegnen. In einer Erbsenschote, in Tomatenkernen, im Radieschenkraut, das wir achtlos wegwerfen, verbergen sich Schätze!"

Man nehme 153 Seiten, verschiedenste Gemüsesorten und das sprachliche Talent von Bloch-Dano; heraus kommt die Gemüsekulturgeschichte "Die Sehnsucht im Herzen der Artischocke". Wie der Titel schon sagt, handelt es sich bei diesem Buch nicht um eine simple, biologisch motivierte Abhandlung über Gemüsesorten. Nein, dieses Buch hat Tiefgang.

In der Einleitung berichtet die Autorin über ihre Kindheit in Paris, was dem Ganzen eine persönliche Note verleiht, und dann geht es ans Eingemachte. Nach etwas Gemüsekunde beginnen die Gemüsegeschichten: von der herausgezüchteten Artischocke bis zum Topinambur, der mit Persönlichkeiten wie Cortez und Columbus in Verbindung gebracht wird, vom schlichten Kohl bis zum altbewährten Klassiker, der Karotte. Für die gewisse Schärfe sorgen Chili, Paprika & Co. Alle diese Gemüsesorten erhalten eigene Kapitel, in denen Namensursprung, Entwicklung und Verzehr derselben beschrieben werden.

Bloch-Dano berichtet von vergangenen Zeiten, Kulturen und der Rolle von Gemüse während dieser. Manch eine Sorte tauschte im Laufe der Zeit Berühmt- und Beliebtheit gegen Bedeutungslosigkeit ein und tauchte dann erst in den letzten Jahrzehnten wieder vermehrt auf den europäischen Tellern auf. Verfeinert wird diese Kulturgeschichte, die oft bis in die Zeit vor Christus zurückreicht, mit Rezepten, literarischen Passagen, die mehr oder weniger schmeichelhafte Zeugnisse über das Gemüse geben, Sprichwörtern und einer Tabelle der wissenschaftlichen Namen und Pflanzenfamilien. Michel Onfray bildet mit seinem Nachwort, in dem es um "Emotionale Kalorien" und "Die Stimme des Gemüses" geht, einen würdigen Abschluss.

Leidenschaftlich und farbenfroh bepflanzt Bloch-Dano ihr Werk mit Geschichte, verschiedenen Kulturkreisen, Sprachwurzeln und vielem mehr. Der Leser darf sich an der ausdrucksstarken, geschickt gewählten Sprache laben. Auch poetische Formulierungen finden einen Platz in den vielfältigen Saatreihen dieses Buches. Jedoch würde man sich zwischendurch auch kompaktere Passagen wünschen, denn die andauernden Ausschweifungen strapazieren doch etwas die Leseflüssigkeit und das ungeteilte Interesse.

Fazit:
Gemüsekunde vom Allerfeinsten. Auf jeden Fall empfehlenswert für interessierte Vegetarier und andere Gemüseliebhaber, die sich "en détail" mit dem facettenreichen Mysterium Gemüse auseinandersetzen wollen.

(Alexandra Gölly; 09/2013)


Evelyne Bloch-Dano: "Die Sehnsucht im Herzen der Artischocke.
Eine Gemüsekulturgeschichte"

(Originaltitel "La fabuleuse histoire des légumes")
Übersetzt aus dem Französischen von Bettina Bach.
Nagel & Kimche, 2013. 155 Seiten.
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Evelyne Bloch-Dano, geboren in Neuilly sur Seine, aufgewachsen in Paris, ist Journalistin, Literaturwissenschaftlerin und Buchautorin. Sie verfasste Biografien von Emile Zolas Ehefrau, von Marcel Prousts Mutter sowie von der französischen Schriftstellerin und Feministin Flora Tristan. Sie war als Professorin für Literaturwissenschaft an verschiedenen Universitäten tätig und leitete von 2006 bis 2007 das Seminar "Geschichte des Geschmacks" an der von Michel Onfray gegründeten Université populaire du goût d’Argentan. Heute arbeitet Bloch-Dano als Literaturkritikerin für das "Magazine Littéraire" sowie für "Marie-Claire". 1998 erhielt sie den "Grand prix des lectrices" der Zeitschrift "Elle", für "Madame Proust" wurde sie 2004 mit dem "Prix Renaudot essai" ausgezeichnet.

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