Martin Suter: "Die Zeit, die Zeit"
Wie verrückt ist es, zu
glauben, man könne die Zeit "zurückdrehen"?
Nach zwei Büchern aus seiner "Allmen"-Serie
legte Martin Suter mit "Die Zeit, die Zeit" wieder einen klassischen
Roman vor. Darin beschäftigt er sich auf seine gewohnt unterhaltsame Art
mit zwei alten verwitweten Männern und ihren Abenteuern mit der Zeit bei
ihren ungewöhnlichen Versuchen, der Zeit ein Schnippchen zu schlagen und
ihren verstorbenen Ehefrauen näher zu kommen.
Peter Taler, seit Kurzem verwitwet, beobachtet schon seit einiger Zeit,
dass in dem Haus gegenüber seltsame Dinge vor sich gehen. Dort wohnt der
achtzigjährige Krupp. Peter Taler beginnt, seinen Nachbarn zu beobachten
und alles, was er sieht, mit einer Kamera festzuhalten. Zu diesem
Zeitpunkt weiß er noch nicht, dass auch Krupp ihn beobachtet. Jedenfalls
stellt Taler fest, dass sich beinahe unmerklich Dinge im Nachbarhaus und
um dieses herum verändern.
Als es irgendwann zu einer persönlichen Begegnung mit dem alten und
seltsamen Nachbarn kommt, wird Peter Taler von diesem wie von einem Sog
vereinnahmt. Krupp, seinerseits seit mehr als zwanzig Jahren verwitwet,
arbeitet an einem geradezu wahnsinnigen Projekt. Er hat in einem Buch
eines wenig beachteten Wissenschaftlers gelesen, dass man ein beliebiges
Datum wiederherstellen könne, also auch die damals noch lebende Ehefrau
wiedertreffen, würde man nur alles erneut genau in jenen Zustand
versetzen, in dem es damals war.
Krupp, der seinen Coup lange vorbereitet hat, sieht die Gelegenheit
gekommen, Peter Taler um seine Mithilfe zu bitten. Der wiederum ist nach
dem Tod seiner geliebten Frau noch in tiefer Trauer und würde sie
ebenfalls gern wiedersehen. Auch deshalb lässt er sich auf die
wahnwitzigen Ideen von Krupp ein und beginnt, ihm zu helfen.
Zu Beginn klappt diese Zusammenarbeit noch sehr gut. Aber dann stellen
sich mehr und mehr Probleme ein. Vor allen Dingen, als Peter Taler ein
angeblich noch von seiner Frau bestelltes Exemplar des Buches "Der
Irrtum Zeit" von Walter W. Kerbeler aus einem Antiquariat erhält; jenes
Buches also, das Krupp zu seinem ambitionierten Projekt angeregt hat,
keimt in ihm ein schrecklicher Verdacht ...
Auch mit diesem unterhaltsamen und souverän mit den verschiedenen
Zeitebenen spielenden Roman ist es Martin Suter wieder einmal gelungen,
die oft künstlich aufgerichteten Grenzen zwischen sogenannter reiner
Unterhaltung und guter Literatur zu verwischen.
"Die Zeit, die Zeit" ist ein bis zur letzten Seite spannender, immer
wieder mit überraschenden Wendungen aufwartender, unterhaltsamer und
doch anspruchsvoller Roman.
(Winfried Stanzick; 09/2012)
Martin Suter: "Die Zeit, die Zeit"
Diogenes, 2012. 304 Seiten.
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Ein weiteres Buch des Autors:
"Abschalten. Die Business Class macht Ferien"
Was ist das Schlimmste für einen Manager? Kein Bonus. Das
Zweitschlimmste? Ferien. Zur Untätigkeit gezwungen zu sein. Zu wissen:
Die Firma wird untergehen, weil er nicht da ist. Oder, noch schlimmer:
Die Firma wird nicht untergehen, obwohl er nicht da ist. Am
allerschlimmsten: Die Firma wird wachsen und gedeihen, gerade weil er
nicht da ist. Was bleibt dem Manager? Die Ferien managen oder die eigene
Familie oder das Hotelpersonal, bis allen der Kragen platzt. Oder einen
Weg finden, nicht in die Ferien zu fahren.
Sie arbeiten im mittleren Management mehr oder minder bedeutender
Unternehmen, sie tragen so klingende Namen wie Hunold, Huber, Lindner
oder Glaser, und sie sind schrecklich erschöpft von all den Synergien,
Strategien, Hierarchien, Gehaltsforderungen, Terminkollisionen und
Verteilungskämpfen am Kaffeeautomaten.
Dann ist es soweit: endlich Ferien! Und was machen sie daraus? Tja,
manchmal stresst abschalten wollen doch mehr als nicht abschalten
können. Aber lesen Sie selbst, und nehmen Sie sich bitte kein Beispiel!
(Diogenes)
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Weitere Buchtipps:
Peter Gendolla, Dietmar Schulte (Hrsg.): "Was ist die Zeit?"
Seit Jahrtausenden fragen die Menschen sich "Was ist Zeit?".
Dieses Buch bietet überraschende Antworten.
"Was also ist die Zeit?", fragte schon Augustinus, um zu
antworten:
"Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich's, will ich's aber einem
Fragenden erklären, weiß ich's nicht." Ganz ein fach klingt
dagegen die Antwort von Albert
Einstein: "Zeit ist, was die Uhr zeigt." Weshalb seine
Antwort sogar von tiefen Einsichten in das Wesen der Zeit zeugt, wird in
"Was ist die Zeit?" erklärt.
Experten aus Physik, Theologie, Soziologie, Biologie, Astrophysik,
Geschichte und Pädagogik erläutern, wie die Zeit immer genauer gemessen
wird und ob unsere Uhren immer richtig ticken. Es geht um die
Relativität von Zeit und um die Frage, wer unsere biologische Uhr
stellt. Es wird nach der Ewigkeit gefragt und danach, ob man eines Tages
eine Zeitmaschine bauen könnte. (Wilhelm Fink)
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Birgit R. Erdle:
"Literarische Epistemologie der Zeit. Lektüren zu Kant, Kleist, Heine
und Kafka"
Erdles Studie zeigt, dass das literarische Wissen von der Zeit sich
gerade nicht in einen Gegensatz der "zwei Kulturen" von Natur- und
Geisteswissenschaften - von "physikalischer Zeit" und "sozialer Zeit"
(Norbert Elias) - einordnen lässt.
Vermag Literatur Konzepten einer Zeitlichkeit einen Ort zu geben, der
durch Nicht-Homogenität und Diskontinuitäten bestimmt ist? Wie situiert
sich dieses Wissen der Literatur gegenüber dem Diskurs über Zeit in
Naturgeschichte und Philosophie?
Anhand von Kant und dem Projekt der Encyclopédie von Diderot
und d'Alembert werden zunächst die erkenntnistheoretischen
Voraussetzungen eines literarischen Wissens erörtert. Die vorgestellten
Lektüren, von Kant
bis Kafka,
entziffern den Modus nicht-homogener Zeit in bestimmten Figuren der
Zeitlichkeit - wie Geistesgegenwart, Nachträglichkeit, Latenz, Vorfall
und Augenblick, Zeitsprung, Vorzeit und Vorwelt. (Wilhelm Fink)
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Brigitte Obermayr:
"Datumskunst. Zeiterfahrung zwischen Fiktion und Geschichte"
Das Datum ist Massenkonfektion der Zeiterfahrung. Es ist gegenüber den
kalendarisch fixierten Katastrophen unschuldig und gibt doch Anlass: zu
Erinnerung und Wiederholung; zu Erzählung und Ereignis.
Das Buch untersucht das Hervortreten des Datums aus dem Paratext, die
Transgression seiner vermeintlichen Funktion, reine Indikation zu sein.
Zwischen fiktionaler und historischer Erfahrung vermittelnd, führt das
Datum in ästhetische Epizentren des 20. Jahrhunderts. Von Puškin
bis Prigov,
von Malevic
bis Bernhard,
von Sklovskij bis Derrida zeigt das Buch, dass das Datum mehr kann, als
einfach dazuzugehören. (transcript)
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