Henk Boom: "Der große Türke: Süleyman der Prächtige"

Sein Leben, sein Reich und sein Einfluss auf Europa


Ein wichtiges Buch, aber schlecht gemacht

Süleyman der Prächtige, der Eroberer von Rhodos (1522) und Ungarn (1526), Belagerer von Wien (1529) und Widersacher jenes Kaisers, in dessen Reich die Sonne nie unterging (Karl V.), verdient gewiss eine populärwissenschaftliche Biografie. Ebenso wenig zweifle ich daran, dass Henk Boom ein erfolgreicher niederländischer Journalist ist. Aber wird er den Ansprüchen der Geschichtswissenschaft ebenso gerecht wie den Kriterien eines gefälligen und informativen Journalismus?

Sechzehn essayhafte Kapitel beleuchten und umschreiben den bedeutendsten osmanischen Herrscher der frühen Neuzeit und seine Epoche. Einleitend gibt Henk Boom in jedem Abschnitt wieder, was er an Texten findet, gerne beim habsburgischen Gesandten Ogier Ghislain de Busbecq (1522-1592), selten bei osmanischen Chronisten, hin und wieder im Werk des bosnischen Literaturnobelpreisträgers und Historikers Ivo Andrić (1892-1975), manchmal beim österreichischen Orientalisten Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall (1774-1856) - fast nie bei zeitgenössischen Autoren. Die so unterschiedlichen Lebensdaten der Genannten sind mit Absicht erwähnt, im Buch aber kaum sichtbar! Dieses "Wissen" lässt der Autor anschließend in Gesprächen mit Historikern in Wien, Budapest und Istanbul interpretieren. Dann schließen die Kapitel - und beginnen die Probleme.

Eine gewisse Schludrigkeit, auch mangelnde Vertrautheit mit Themen der Geschichte, wohl auch Zwänge des Journalistentums fallen auf. Fehler passieren in der Wiedergabe türkischer, ungarischer und lateinischer Namen und Begriffe, diakritische Zeichen fehlen fast durchgehend (türk. ğ, ı, ş, ung. ő, ű). Unbekannt scheinen dem Autor oder seinen Übersetzerinnen die Namenskonventionen von Orts- und Personenbezeichnungen in der deutschen Sprache zu sein: Im Deutschen sagt man Byzanz, nicht Byzantium (S. 43), die südserbische Stadt heißt bei uns Niš, nicht Nish (S. 156), das Burgenland ist ein Bundesland, keine Provinz (S. 157), Mantova nennt man deutsch Mantua (S. 68), die slawonische Stadt Osijek ist bei uns kaum unter dem ungarischen Namen Eszék (S. 128) bekannt, ... Zum osmanischen Reich gehört nach heutiger Geografie sehr wohl Slawonien, nicht aber Slowenien (Fußnote 8, S. 308). Sicherlich hat der römische Autor Plinius d.Ä. (23-79 n. Chr.) noch nicht von den Türken geschrieben (S. 135); nicht wegweisend und geografisch nicht nachvollziehbar ist die Beschreibung "Links vom Marmarameer und rechts von der Meerenge, die zum Schwarzen Meer führt, ..." (S. 20). Die Liste der Schlampigkeiten und der offensichtlichen Unvertrautheit mit der Thematik ließe sich noch lange fortsetzen. (Ein Blick auf die Netzseite http://www.degroteturk.com/, auf der der Autor Quellen, Bilder und Rohtexte in englischer und niederländischer Sprache versammelt, zeigt, dass manche Fehler erst in der Übersetzung entstanden sind.)

Nie aber verzichtet der Autor auf die Beschreibung der Atmosphäre, in der er die Gespräche führte: ob die Sonne scheint, wie prächtig das Büro seines Gegenübers oder die Fassade des Arbeitsplatzes aussieht. Freilich muss er immer auch die Bedeutung des Gesprächspartners betonen; so wird dann manchmal aus einem Assistenten ein Professor und aus einem zufällig anwesenden Gesprächspartner eine internationale Koryphäe.

Schade: Die dargestellten Themen, Süleymans Epoche und deren Nachwirkungen bis heute, wo ein EU-Beitritt der Türkei diskutiert wird, brauchen dringend eine profunde, unanfechtbare und leicht lesbare Dokumentation. Henk Boom hat gezeigt, wie man es nicht machen soll.

(Wolfgang Moser; 05/2012)


Henk Boom: "Der große Türke: Süleyman der Prächtige.
Sein Leben, sein Reich und sein Einfluss auf Europa"

Aus dem Niederländischen von Birgit Erdmann und Bärbel Jänicke.
Parthas Verlag, 2012. 420 Seiten.
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