Bernhard Schlink: "Sommerlügen"
Was
ist Illusion, und was stimmt?
Dieser Band mit Erzählungen des in Bielefeld geborenen, in
Berlin und New York lebenden und arbeitenden Juristen und
Schriftstellers Bernhard Schlink ist ein wahrer Lesegenuss. Hat man das
Buch mit insgesamt sieben Geschichten über verschiedene
Lebenslügen von Menschen zur Hand genommen, legt man
es nicht mehr beiseite, obwohl die Erzählungen keinen inneren
Faden haben und jede einzelne für sich steht.
Und doch gibt es außer den Lebens- und Liebeslügen
von Frauen und Männern Gemeinsamkeiten. Immer wieder sind die
Protagonisten entweder Juristen, Schriftsteller oder Philosophen.
Manche verschlägt der Beruf (so wie Schlink selbst)
gelegentlich nach
New York, sie besitzen Sommerhäuser, kennen
keine materiellen Sorgen und sind alle hoch gebildet.
Das alles aber bewahrt die handelnden Personen, von denen man einige
beim Lesen regelrecht liebgewinnt, nicht davor, manchmal knapp, aber
doch immer treffsicher am eigentlichen Leben, vor allen Dingen am
Zusammenleben mit ihrem jeweiligen Partner, vorbeizugehen. Alt
geworden, oft am Rande des Todes stehend, reflektieren sie ihr Leben
und ihre Lebenslügen, und meistens ist es längst zu
spät für einen neuen Anfang, den sie nichtsdestotrotz
in den meisten der sieben Geschichten anstreben, verzweifelt, doch ohne
rechte Einsicht in ihre bisherigen Fehler und Masken.
Das Buch beginnt mit einer Erzählung mit dem Titel
"Nachsaison": Ein in eher bescheidenen Verhältnissen lebender
Flötist begegnet bei seinem Rehabilitationsaufenthalt auf dem
Cape Cod einer reichen Millionärserbin. Sie verlieben sich
ineinander, wollen zusammenbleiben, doch sie verlangt von ihm, dass er
sich voll und ganz auf ihr Leben einlässt. Sein eigenes hat er
in den wichtigsten Elementen vor der Frau verschwiegen; eine
"Sommerlüge" ...
Wie bei allen anderen Geschichten bleibt es hier der Fantasie des
Lesers überlassen, über den Schluss und den Ausgang
der Erzählung nachzudenken.
In der Erzählung "Nacht in Baden-Baden" wird von einem
Theaterschriftsteller erzählt, der die Aufführung
eines seiner Stücke in
Baden-Baden und die Nacht danach im Hotel nicht mit seiner
feministischen Freundin verbringt, sondern mit einer anderen Frau,
Therese, die er schon lange kennt, mit der er aber nicht
schläft. Beide Frauen wissen voneinander, aber der
Schriftsteller hat beiden Wesentliches über die jeweils Andere
über lange Jahre vorenthalten. Die feministische Juristin, die
überall auf der Welt von Lehraufträgen lebt, forscht
nach und kommt ihm auf die Schliche. Und die nächste
"Sommerlüge" wird aufgedeckt, wieder mit offenem Ausgang.
Dennoch hat man während des Lesens sowie am Ende auch der
anderen, fast alle auf gleichem Niveau stehenden Erzählungen
das Gefühl: Die jeweiligen Lügen haben Leben
zerstört.
Wer möchte, kann die Lektüre des Buches zum Anlass
nehmen, seinen eigenen Lebenslügen auf die Spur zu kommen -
vielleicht, bevor es zu spät ist.
(Winfried Stanzick; 05/2012)
Bernhard
Schlink: "Sommerlügen"
Diogenes.
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Ein weiteres Buch des Autors:
"Die Frau auf der Treppe"
Ein berühmtes Bild, Jahrzehnte verschollen, taucht plötzlich wieder auf.
Überraschend für die Kunstwelt, verwirrend für den Mann, der damals als
junger Rechtsanwalt in den Konflikt des Malers
mit dem Eigentümer verstrickt wurde. Und der sich dabei in die Frau, die
auf dem Bild dargestellt ist, verliebt hat. Er macht sich auf die Suche
nach ihr und findet nicht nur Antworten auf ihr damaliges Verhalten und
rätselhaftes Verschwinden. Er muss sich auch den Fragen über sich selbst
stellen, denen er sich immer verweigert hat. Die Schauplätze:
Frankfurt am Main, Sydney und eine unwegsame Bucht an der
australischen Küste. Ein Roman über Rechthaben und Mitleiden, Besitz und
Verlust, echte und falsche Nähe. Über einen Mann, der die Verfestigungen
seines Lebens zu begreifen beginnt. Und über das Glück einer Liebe, die
um ihre Endlichkeit weiß. (Diogenes)
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