Andreas Altmann: "Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend"
Manchmal
schreibt das Leben seltsame Geschichten, nimmt die
ungewöhnlichsten und verschlungensten Wege, die es gibt, bis
es sein Ziel findet. Dabei ist im Nachhinein oft alles ganz klar und
einfach. So auch bei Andreas Altmann: Irgendwann einmal als kleiner
Junge sieht der heute 60-Jährige "Globetrotter" im Fernsehen
und ist begeistert von der französischen Abenteuerserie. Es
geht um zwei Reporter, die die Welt bereisen und unterwegs viel
erleben. Jahrzehnte später, heute, ist auch Altmann ein
bekannter Reiseschriftsteller, hat mehr als 100 Länder bereist
und zahlreiche erfolgreiche Bücher darüber
geschrieben. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.
Über diesen kurvenreichen Weg hat Andreas Altmann ein Buch mit
dem provokanten Titel: "Das Scheißleben meines Vaters, das
Scheißleben meiner Mutter und meine eigene
Scheißjugend" geschrieben. Ebenso wie es gedauert hat, seinen
Lebenstraum zu finden und zu erfüllen, so hat es auch
gedauert, bis Altmann in der Lage war, dieses Buch schreiben zu
können. Das liegt daran, dass diese Geschichte harter Tobak
ist, Altmanns Kindheit
war alles Andere als behütet. Er wird
Opfer eines Vaters und Mannes, der seelisch
verwahrlost
aus dem Krieg
zurückkehrt. Das Leben hat er behalten, die
schlimmen
Erinnerungen jedoch bekommt Franz-Xaver Altmann nicht aus dem Kopf. Und
so führt er zuhause weiter Krieg, dieses Mal gegen seine
eigene Familie. Andreas wird Opfer von Prügelsalven,
Beleidigungen, Zurechtweisungen und ständigem
körperlichen Arbeitsdienst. Als Letztgeborenen trifft es ihn
besonders hart, seine hilflos überforderte Mutter
weiß ihm nicht zu helfen und schaut nur zu. Mit 18 flieht er
von zuhause, irrt durch die Welt, probiert ein Dutzend Berufe aus, wird
gefeuert oder schmeißt wieder hin, absolviert ein Dutzend
Therapien. Fühlt sich als Versager, unfähig und stets
am falschen Ort. Haltlos wandert er umher, immer auf der Suche, doch
eines macht er nicht: Er gibt sich nicht auf, nie.
Und irgendwann wird er dann doch noch belohnt für seine
Ausdauer und Hartnäckigkeit, findet seinen Lebenstraum und
seinen Platz im Leben: Bei einer Fahrt durch Südamerika
erkennt er plötzlich, dass Reisen und darüber zu
schreiben sein Schlüssel zum Glück sein
könnte. Dass dies sein innigster Wunsch wäre, den er
als Kind schon - wenn auch unbewusst - verspürt hat, als er
die "Globetrotter"
sah und fasziniert war, und den er nun erstmals wagt
auszusprechen. Und so wird er fast über Nacht durch eine in
"GEO" veröffentliche Reportage bekannt. Heute sagt er, dass er
ohne seine kurvenreiche Vorgeschichte niemals zu diesem Beruf gekommen
wäre: "Hätte ich eine liebliche Kindheit
verbracht, ich hätte wohl nie zu schreiben
begonnen, wohl
nimmer - Tag und Nacht dafür entlohnt - die Welt umrunden
dürfen." Bei allem Grauen war seine
"Scheißjugend" also dennoch zu etwas gut. Und dies ist auch
zugleich der Grund dafür, dass man dieses harte, schonungslos
die Wahrheit offenbarende Buch trotzdem lesen sollte: Weil es von Einem
berichtet, der sich nicht unterkriegen lässt. Von Einem, der
Glaube, Willen und Mut beweist, der zeigt, dass man sein Leben selbst
in die Hand nehmen kann - erfolgreich.
Zudem ist "Das Scheißleben meines Vaters, das
Scheißleben meiner Mutter und meine eigene
Scheißjugend" auch ein sprachlich glänzendes Werk,
das ohne jedes Selbstmitleid auskommt und einen gereiften
Schriftsteller und Meister der Sprache zeigt. Und das ist alles Andere
als einfach, wenn es sich um ein derart großes,
persönliches Thema handelt, wie es für Andreas
Altmann bei diesem Buch der Fall war. Aus diesem Grund verdient seine
Autobiografie besondere Anerkennung.
(Christoph Erkens; 02/2012)
Andreas
Altmann: "Das Scheißleben meines Vaters, das
Scheißleben meiner Mutter und meine eigene
Scheißjugend"
Piper, 2011. 256 Seiten.
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