Annette Pehnt: "Chronik der Nähe"
Der
Roman dreier Generationen von Frauen
In "Chronik der Nähe" beschäftigt sich die 1967
geborene Schriftstellerin Annette Pehnt mit dem Verhältnis
dreier Frauen aus drei Generationen zueinander. In
eindrücklicher Sprache und dichten, schonungslosen
Beschreibungen versucht die Autorin, das problematische
Verhältnis zwischen Müttern und ihren
Töchtern literarisch zu erfassen. Die Großmutter,
die Mutter und die Tochter: Jede empfindet aus ihrer Sicht die jeweils
Andere als fordernde und sich permanent in ihre eigenen Belange
einmischende Person. Alle changieren in ihren Gefühlen
zueinander zwischen Liebe und Hass, Nähe und Distanz.
Die ich-erzählende Enkelin, (sie bleibt ebenso wie die
Großmutter namenlos), sitzt an sieben Tagen hintereinander am
Bett ihrer kranken Mutter Annie. Immer wieder erinnert sie sich an ihre
eigene Kindheit;
die Gefühle, die damit verbunden sind, kommen wieder. Aber
auch die Geschichten aus der Kindheit ihrer Mutter und deren
schwieriges Verhältnis zu der Großmutter kommen -
lange vergessen - am Bett der kranken Mutter erneut hoch und wollen zu
ihrem Recht gelangen.
Annette Pehnt spielt virtuos mit den verschiedenen Zeitebenen, die sich
in diesem Roman immer wieder abwechseln. Es geht um schwierige
Mutterbeziehungen, wie es sie wohl in dieser Form nur zwischen
Töchtern
und Müttern gibt. Die Beziehung von
Vätern
zu Söhnen bzw. von Müttern
zu
Söhnen ist jeweils wieder etwas ganz Anderes. Es sind
Beziehungen, die den Leser ob ihrer sprachlosen Kälte
betroffen machen. Dabei sehnen sich alle nach Nähe und sind
gleichzeitig voller Trauer über die Unmöglichkeit
dieser liebenden Nähe:
"Umarmen: nicht so leicht. Einer von uns sträubt sich
kaum merklich. Am besten geht es, wenn wir uns nicht anschauen."
Annette Pehnt ist ein eindrückliches Stück
Beziehungsliteratur gelungen, in dem sie wohl auch etliches
verarbeitet, was sie selbst erlebt hat. Anders ist die
spürbare Authentizität für den den
Rezensenten nicht zu erklären. Auch wenn man diese Geschichte
sicher nicht verallgemeinern kann, als männlicher Leser hat
der Rezensent während der Lektüre viel von der
Dynamik der Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern
verstanden.
(Winfried Stanzick; 10/2012)
Annette
Pehnt: "Chronik der Nähe"
Piper, 2012. 224 Seiten.
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