Petros Markaris: "Zahltag"

Ein Fall für Kostas Charitos


Natürlich hat sich Petros Markaris, der insbesondere in Deutschland in den letzten beiden Jahren aufgrund differenzierter Stellungnahmen zur finanziellen Situation seiner Heimatlandes Griechenland, zu deren Ursachen und möglichen Lösungen aufgefallen ist, auch in diesem Fall für seinen Kommissar Kostas Charitos mit den Folgen der Finanzkrise in seinen Land beschäftigt.

Wenngleich die erzählte Geschichte selbstverständlich erfunden ist, sind doch, wie in allen bisher erschienenen Bänden ("Hellas Channel", "Nachtfalter", "Live!", "Der Großaktionär", "Die Kinderfrau" und "Faule Kredite") auf fast jeder Seite soziale wie auch politische Informationen und Analysen und am Beispiel von Kostas' Familie auch das private Schicksal von Menschen eingeflossen.

In "Zahltag" geht es um die Taten und Absichten eines selbsternannten "nationalen Steuereintreibers", der mittels Drohbriefen und Morden erreichen will, dass sich die Steuermoral einer bestimmten Klasse verbessert. Lange tappen Charitos und seine bewährte Mannschaft im Dunkeln und sind auch wie niemals zuvor unter erheblichem politischen Druck.
Kostas, dem sein dieses Mal sehr zur Kooperation motivierter Chef Gikas eine Beförderung in Aussicht gestellt hat, durch die er seine bisherigen Gehaltskürzungen zu egalisieren hofft, muss andauernd zu hochrangigen Besprechungen auf Ministerebene, denn die politische Klasse ist wegen der Morde und der im weltweiten Netz veröffentlichten Schreiben des nationalen Steuereintreibers sehr verunsichert.

Doch auch in seiner eigenen Familie spürt Kostas die dramatischen Folgen der Krise. Seine Tochter Katerina, promovierte Juristin, die fast ohne Lohn bei einem Anwaltsbüro Asylanten vertritt, und ihr Mann Fanis, der als Arzt im öffentlichen Dienst arbeitet, bringen sich zwar nicht um aus lauter Verzweiflung über ihre Lage, wie mindestens ein halbes Dutzend alte und junge Menschen, die Charitos und sein Team in diesem Buch auffinden, aber sie wollen beide auswandern, weil Katerina von der UNO eine gut dotierte Stelle in Schwarzafrika angeboten bekommen hat. Das stürzt natürlich die Eltern der beiden in tiefe Verzweiflung.

Es gelingt Petros Markaris wieder einmal auf ganz besondere Weise, nicht nur einen spannenden und originellen Krimi vorzulegen, sondern er schafft es, dem Leser ein zwar fiktionales, deshalb aber nicht weniger realistisches Bild von der Situation und der Not der Menschen in Griechenland zu vermitteln. Sie sehen ein, dass sie selbst an den Ursachen der Misere beteiligt waren, aber sie wissen nun in ihrer zum Teil dramatischen Not nicht mehr aus noch ein.

Wer diesen Kriminalroman gelesen hat, der kann nicht mehr mit schlichten Parolen in den Chor derer einstimmen, die in Bezug auf Griechenland sagen, die seien doch an allem selbst Schuld, und man sollte jede Unterstützung einstellen. Das Schicksal der einfachen Menschen dort, der Armen, Kranken und Rentner, die zurzeit ihre überlebenswichtigen Medikamente nicht mehr bezahlen können, weil die Krankenkassen Pleite sind, darf niemanden kalt lassen.

Markaris hat mit diesem Roman, der schon anno 2011 in Griechenland erschienen ist, einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung geleistet, mehr als die meisten Artikel und Zeitungen und erst recht als die Beträge im Fernsehen.

(Winfried Stanzick)


Petros Markaris: "Zahltag. Ein Fall für Kostas Charitos"
Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger.
Diogenes. 432 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen

Taschenbuch bei amazon.de bestellen
Digitalbuch bei amazon.de bestellen

Ein weiteres Buch des Autors:

"Zurück auf Start"

Ein Fall für Kostas Charitos. Der Deutschgrieche Andreas Makridis wird erhängt in seiner Athener Wohnung aufgefunden. Kurz darauf behauptet ein Schreiben, es handle sich um Mord. Unterzeichnet: "Die Griechen der fünfziger Jahre". Was wie ein schlechter Scherz aussieht, ist blutiger Ernst: Weitere Tote folgen. Wer verbirgt sich hinter dieser ominösen Gruppierung? Verrückte alte Leute, die eine Rückbesinnung auf die Werte von damals fordern? Dieser Fall führt Kostas Charitos kreuz und quer durch eine Stadt, die von Tag zu Tag gefährlicher wird. Das muss der Kommissar auch privat erfahren: Seine Tochter Katerina wird von einem Neonazi der "Goldenen Morgenröte" zusammengeschlagen - mitten im Zentrum, am helllichten Tag. (Diogenes) zur Rezension ...
Buch bei amazon.de bestellen

Digitalbuch bei amazon.de bestellen

Weitere Lektüretipps:

Thomas Wieczorek: "Euroland. Wo unser Geld verbrennt. Wer an dem Schlamassel schuld ist, und warum wir immer zahlen müssen"

Ist Euroland am Ende? Droht uns der Ruin? Thomas Wieczorek deckt die Hintergründe der Wirtschafts- und Finanzkrise auf und zeigt, wie dubiose Agenturen zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Staaten und Unternehmen, Investorenkartelle und neoliberale Politiker die europäische Währungsunion systematisch ausplündern. Den Profit machen die Reichen und Mächtigen - zu Lasten der Bürger, die auf jeden Fall die Zeche zahlen werden.
Ein hochaktuelles, brisantes Buch, das die Wahrheit über die Eurokrise ans Licht bringt. (Knaur)
Buch bei amazon.de bestellen

Hanno Beck, Aloys Prinz: "Abgebrannt. Unsere Zukunft nach dem Schulden-Kollaps"
Bankenstützung, Konjunkturpakete, Rettung von Pleite-Unternehmen und Wahlgeschenke: In den letzten Jahren haben wir das Geld mit vollen Händen ausgegeben. Doch jetzt, nach dem Ausgabenrausch, kommt der Schuldenkater: Wir stehen am Abgrund eines gigantischen Schuldenlochs, dessen wahre Ausmaße uns die Politik verschweigt. Die renommierten Wirtschaftsprofessoren Beck und Prinz stellen unbequeme Fragen: Wie konnte es zu der Schuldenkatastrophe kommen - und wer sind die Verantwortlichen? War wirklich jeder Schulden-Euro notwendig? Wann kann ein Staat pleitegehen, und wie sieht ein solcher Staatsbankrott aus? Das Buch richtet sich an alle, die ohne Finanzkauderwelsch und Fachkenntnisse verstehen wollen, warum uns unsere Schulden über den Kopf wachsen und wie wir aus dem Schuldensumpf wieder herauskommen. (Hanser)
Buch bei amazon.de bestellen