Andrej Kurkow: "Der Gärtner von Otschakow"
Igor
ist ein beschäftigungsloser Mann von 30 Jahren, der in der
Nähe von
Kiew mit seiner Mutter auf dem Land wohnt, wo die beiden vor Kurzem
hingezogen sind. Eines Tages kommt ein älterer Mann zu ihrem
Haus, der gegen Kost und Logis als Gärtner für sie
arbeiten möchte, und aus verschiedenen Gründen sorgt
dies dafür, dass Igor in den Besitz einer alten Milizuniform
kommt.
Bei einer Art Gedächtnisreise für den Vater des
Gärtners fahren die beiden nämlich nach Otschakow am
Schwarzen Meer und bringen von dort einige Schätze sowie einen
Koffer voller alter Rubelscheine und eben diese Uniform mit.
Als Igor damit zu einer Retro-Geburtstagsfeier seines guten
Freundes Koljan, der als Computerfachmann bei einer Bank in Kiew
arbeitet und einen ertragreichen Nebenverdienst aufgrund von Hacken
hat, gehen möchte, landet er plötzlich in Otschakow
des Jahres 1957, wo er ein deutlich geschäftigeres Leben als
"zuvor" hat und die Liebe
findet.
Von dieser Liebe kann er sogar frische
Fische kaufen, die er dann
seiner Mutter durch die Zeit mitbringt. Aber es handelte sich um keinen
waschechten Kurkow-Roman, wäre alles so einfach!
Wodka- und philosophiegetränkt wandert Igor zwischen den
Zeiten und muss in beiden Bereichen zunehmend komplexe und
gefährliche Probleme lösen. Denn er ist anno 1957
nicht der Einzige, der sich für eine bestimmte
Fischverkäuferin interessiert, und in der Gegenwart, aus
unserer Sicht, sorgen seine Mitbringsel aus der Vergangenheit
für allerlei Unruhe und Erstaunen.
Im Jahr 1957 bringt ihn all das in Lebensgefahr, und auch in der
Gegenwart ist er sich nicht sicher, wie es weitergehen soll. Bis die
Gefahr jemand Anderen trifft und ihm eine endgültige
Entscheidung darüber aufgezwungen wird, in welcher
Realität er denn nun leben möchte ...
Sprachlich und hinsichtlich der Situationskomik ist "Der
Gärtner von Otschakow" ein typischer Kurkow alten Stils und
damit deutlich weniger überdreht, als es einige der letzten
Übersetzungen stellenweise waren. Hier fühlt man sich
an "Petrowitsch"
und die "Pinguine"
erinnert, und die Lektüre macht wirklich Spaß.
Igors Probleme sind auch zum Teil ein Problem der
Vergangenheitsbewältigung, weil sich wieder einmal zeigt, dass
Schwerstverbrechen vor sozialistischer Ideologie nie haltgemacht haben
und dass sie damals so gefährlich waren wie heute. Wieder ein
amüsanter und nachdenklich stimmender Roman. Herr Kurkow:
Spasiba.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2012)
Andrej
Kurkow: "Der Gärtner von Otschakow"
Aus dem Russischen von Sabine Grebing.
Diogenes, 2012. 343 Seiten.
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