Bodo Kirchhoff: "Erinnerungen an meinen Porsche"


Ein etwas absurdes Kammerstück

Dass Bodo Kirchhoff schreiben kann, ist kein Geheimnis. Dieses Können rettet auch den Roman "Erinnerungen an meinen Porsche" vor der Einteilung in die Kategorie "Post-Mittlebenskrisenliteratur-Kategorie B".

Allerdings bleibt vieles an diesem Roman, der fast so etwas wie ein ziemlich banaler "Männerroman" ist, unsympathisch, spätpubertär bzw. ziemlich daneben, während Bodo Kirchhoff es doch immer wieder schafft, die Aufmerksamkeit genau in dem Augenblick wieder zu fesseln, als man gerade dabei war, zu überlegen, einen ordentlichen Sprung zu machen, oder doch gar das Buch zur Seite zu legen.

Der Protagonist Daniel ist (ehemaliger) Investmentbanker. Geldtransaktionen und die Fähigkeit, aus viel Geld noch mehr Geld zu machen, Reichtum und ein verschwenderischer Lebensstil, sowie Eroberungen und Abenteuer sind die wichtigsten Punkte in seinem bisherigen Leben. Nach einer etwas dumm gelaufenen Liebesnacht mit seiner (mittlerweile) Ex-Freundin ist er sexuell verkrüppelter Bewohner eines Kurheims für ehemalige, depressive und ausrangierte Promis, die alle ohne besonders aufwändige Recherchen mit Promis aus dem deutschen Raum in Verbindung gebracht werden könnten. Hier sinniert er über sein vergangenes Leben, seine Fähigkeit zur Geldvermehrung und seine ehemaligen sexuellen Abenteuer.

Sein verkrüppeltes Glied, das er vor seiner Verstümmelung durch die Ex-Freundin als Porsche betrachtet hat, ist derzeit ein kleines, nichtssagendes und lieblos baumelndes Nichts. In seinen penisfixierten Gedanken schwelgt er in der Vergangenheit, "als er mit seinem Porsche in diversen Garagen aus- und eingeparkt hat ..."

Eines Tages taucht eine neue, geheimnisvolle Patientin auf, die ihn sofort fasziniert. Helene, Autorin eines extrem erfolgreichen Buches über ihre Probleme mit ihren Hämorrhoiden, hat die Folgen ihres immensen Erfolgs nicht verkraftet und daher ebenso den Weg in die exklusive Kurklinik Waldhaus gefunden, wo der Tagespreis für Kost und Verpflegung dem Preis einer Luxussuite in den teuersten Hotels der Welt entspricht. Dass Helene wie eine nur schlecht kaschierte Variante von Charlotte Roche erscheint, mag vom Autor beabsichtigt sein, andererseits könnte diese Interpretation vielleicht eine Fehlinterpretation des Rezensenten sein.

Bodo Kirchhoff bedient hier viele Klischees, von der ehemaligen Hippiemutter und der Kindheit in einer Kommune, bis zur mittlerweile schwangeren Ex-Freundin. Auch die Verhaltensmuster der depressiven Ex-Promis und der koreanischen Reinigungsdamen in der Klinik deuten auf ironisch gedachte Klischeeausbeutung hin.

Helene löst jedenfalls in Daniel eine Entwicklung aus, die alles auf ein vermeintliches glückliches Ende hinauslaufen lässt ...

"Erinnerungen an meinen Porsche" ist ein Roman, der einerseits ein Unterhaltungsroman ohne vermeintlichen Tiefgang ist (ein ähnliches, jedoch nicht so überzeugendes Unterfangen wie "Schundroman" desselben Autors), andererseits doch kritisch zu diversen Themen der heutigen Zeit Stellung nimmt. Die Wirtschaftskrise, der Börsenmarkt, Liebesunfähigkeit, Bindungsunfähigkeit und andere Probleme unserer Luxus- und Wegwerfgesellschaft, wo alles, bis auf die Gesundheit, bei Verlust oder Mängel nachgekauft und ersetzt werden kann. Irgendwie scheint "Erinnerungen an meinen Porsche" auch eine Art literarisches Gegenstück zum wirklichen Hämorrhoidenroman der Neuzeit sein zu wollen. Auch das allerdings, nur eine Vermutung des Rezensenten.

Stilistisch und sprachlich brillant, wie immer bei Bodo Kirchhoff, trifft der Roman trotzdem nicht ins Schwarze. Dafür gibt es verschiedene Gründe, der wichtigste davon wahrscheinlich der, dass vieles in diesem "realistischen Roman" einfach überzogen und nicht mehr glaubwürdig ist. Die Protagonisten bleiben auch auf merkwürdige Weise hinter einer Glaswand zurück. Daniels Leid und weinerliche Art, damit umzugehen, ist irgendwann nur mehr lästig und nervig. So sehr, dass man gar kein Interesse an der weiteren Entwicklung mehr hat. Außerdem ist die Gleichstellung des sich nunmehr in "Rente befindlichen Glieds" mit einem Porsche, der nun eben nicht mehr in diverse Garagen ein- und ausparken kann, zumindest für den Rezensenten, einfach etwas daneben ...

(Roland Freisitzer; 02/2012)


Bodo Kirchhoff: "Erinnerungen an meinen Porsche"
Gebundene Ausgabe:
Hoffmann und Campe, 2009.
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Taschenbuchausgabe:
dtv, 2012. 223 Seiten.
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