Jörg Juretzka: "Fallera"


Nach dem Motorradunglück, bei dem seine Geliebte Kim getötet wurde, und dem darauffolgenden Prozess, im Zuge dessen die Wahrheit soweit verdreht wurde, dass der Unfallverursacher straffrei ausgegangen ist, hat sich Kristof Kryszinski wegen seiner Albträume und seiner körperlichen und seelischen Schmerzen mit einer Kombination aus Betäubungsmitteln beinahe selbst umgebracht.
Da findet er sich plötzlich in Polizeigastfreundschaft und bekommt einen neuen Auftrag angetragen: Er soll eine Gruppe von Schwerstkriminellen begleiten, die im Zuge einer Resozialisierungsmaßnahme eine Gruppe körperlich und geistig Behinderter auf einen Berg hinauf eskortieren soll. Dabei möge er einen der Straftäter mimen, aufpassen, dass keiner der anderen "abhandenkommt" und schauen, ob sonst irgendetwas Seltsames geschieht. Die Veranstaltung ist länderübergreifend geplant, sodass der Ruhrpöttler mit allerlei Dialekten konfrontiert wird.

Vergleichsweise ernüchtert, aber mit einem Rucksack voller "leckerer" Dinge und mit absolut unpassendem Schuhwerk, kommt Kristof am Berg an und muss feststellen, dass ihm der jugendlich dynamische Bergführer mit Gitarre tierisch auf den Senkel geht und dass einige der zu Betreuenden allen Ernstes in Rollstühlen den Berg erklimmen möchten. Nach einer kleinen Medieneinlage mit Politikerbegleitung geht es los, und Kristof muss erkennen, dass der Raubbau, den er an seinem Körper in den letzten Jahren betrieben hat, ihn kaum in die Lage versetzt, auch nur mit den Rollstuhlfahrern Schritt zu halten. Als wenig später auch noch seine Alkohol-, Zigaretten- und Rohypnol-Vorräte einkassiert werden, glaubt er sich endgültig in der Hölle und hofft, möglichst bald zu sterben.

Doch die erste Leiche der Gruppe ist ausgerechnet der Bergführer. Entgegen Kristofs Erwartungen hält dies die begleitenden Ärzte aber nicht davon ab, die Expedition weiter voranzutreiben, und an dieser Stelle wird Jörg Juretzkas Konstruktion schon ein wenig haarsträubend, denn ganz abgesehen von der problematischen Ausgangssituation mit all ihren Schwierigkeiten würde sich wahrscheinlich schwerlich eine Gruppe von Ärzten finden lassen, die bei einbrechendem Schneefall, Sturmwarnung und Verlust des Bergführers eine Gruppe von geistig und körperlich Herausgeforderten unter Zuhilfenahme von einschlägig wegen Gewalttätigkeit Vorbestraften auf einen Berg schaffen würde, während ein Weg zurück zum Tal sicherer wäre. Aber gut, anders würde die Geschichte nicht funktionieren.

Und weiter geht sie, sodass Kristof schon wenig später eine beinahe erfrorene betreuende Ärztin findet und es klar wird, dass auf der einen Seite jemand in der Truppe einen höchst eigenen Plan bei diesem Unternehmen verfolgt und auf der anderen Seite der Bergführer nicht, wie zuerst angenommen, bei einem Unglück gestorben ist.

Die Situation entwickelt sich zunehmend ebenso kritisch wie überraschend, und Kristof muss allerlei Härten durchleben, bevor er wieder vom Berg herunterkommt.

"Fallera" ist eine sehr amüsante und amüsant geschriebene Geschichte, in der Kristof zu Beginn so weit unten ist wie nie zuvor und sich nur langsam wieder nach oben kämpfen kann.
Die bereits erwähnte, dem Gesamtmotiv dieses Kriminalromans innewohnende Schwäche wird im Verlauf des Buchs eigentlich nicht ausgeglichen, was jedoch von der raumgreifenden reißerischen Sequenz gegen Ende weitestgehend überdeckt wird.
Fazit:
Netter Ferienlesespaß.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2012)


Jörg Juretzka: "Fallera"
Unionsverlag, 2012. 222 Seiten.
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