Evelyn Hecht-Galinski: "Das elfte Gebot: Israel darf alles"
Klartexte über Antisemitismus und Israelkritik
Der
Ruf der Kassandra
Wer wagt es, eine "HEILIGE KUH" zu kritisieren, auch wenn sie
furchterregend um sich beißt? Nein, das wagt kaum einer. Erst
recht nicht eine gewisse "Anstalt", deren Auftrag es ja ist, ihre
"geistigen" Abfälle in die Ätherwelt zu schleudern.
So am Abend des 30. März 2012. (Gemeint ist die Meldung
über den "Marsch auf Jerusalem", an dem sich Zehntausende
beteiligten.) Da wenden sich die von der "KUH" Geschädigten,
die jahrelang Drangsalierten, Entrechteten und Entmündigten in
einer Demonstration gegen diese Knechtschaft, auch mit
Steinwürfen ... Was aber holt die "Medien-Anstalt" vor die
Kamera? Lediglich die Klamotten werfenden "Randalierer".
Sie macht aber keine Anstalten, den eigentlichen Urheber zu
benennen. Die "HEILIGE KUH" bleibt ungeschoren. Sie darf
alles ...!
Auch Israel darf alles? Reden wir doch Klartext. So, wie es Evelyn
Hecht-Galinski immer gekonnt und mutig macht. In ihren Texten,
Schriften, Büchern. Ebenfalls in "Das elfte Gebot: Israel darf
alles. Klartexte über Antisemitismus und Israel-Kritik."
Wenn die Autorin den Staat Israel in den Fokus nimmt, dann bestreitet
sie nicht dessen längst anerkannte Existenz. Vor allem
geschichtlich bedingt, wer wüsste das nicht. Nein, sie
empört sich über das Unrecht, das von ihm ausgeht.
Doch kommen wir zur Sache: Auf 224 Seiten und in vierundvierzig
kurzweiligen Texten - Artikeln, Reden, Netzbeiträgen -
prasseln dem Leser Fakten, Fakten und nochmals Fakten sowie Namen und
Orte entgegen. Sie entlarvt das völkerrechtswidrige Tun
Israels gegenüber den Palästinensern. Sie sticht zu,
wenn es nötig ist, sie analysiert genau, sie betrachtet die
Konflikte komplex, sie schlägt einen Bogen zur
Mitverantwortung der nur zuschauenden Welt, besonders der Deutschen.
Sie wehrt sich entschieden gegen den Vorwurf des Antisemitismus, sie
attackiert sogenannte kleinkarierte Wadenbeißer, die sich
unter der vorgegebenen "Staatsräson" den Israelis anbiedern.
Und sie wirft dies schmähliche Gebaren nahezu allen
etablierten deutschen Parteien vor. Lob und Dank, begleitet von
Herzenswärme, findet sie für Gleichgesinnte, die im
Namen des Völkerrechts und der Humanität an der Seite
Palästinas stehen, die mit Recht Widerstand leisten, ohne auch
deren Fehler zu übersehen und kleinzureden.
Sie, eine Deutsche mit jüdischer Herkunft. Sie, die Tochter
des einstigen Präsidenten des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Heinz Galinski (1912-1992). Ihr Motiv: "Ich habe
mir das Lebensmotiv meines Vaters zu eigen gemacht: 'Ich habe Auschwitz
nicht überlebt, um zu neuem Unrecht zu schweigen.'"
Leuchten wir näher in den Text hinein. Mit welcher
Herzenswärme, mit wie viel verinnerlichter Menschlichkeit die
unabhängige parteilose Bürgerin das Leid der
Palästinenser beschreibt, das geht einem sehr nahe. Es gehe um
einen Konflikt, schreibt sie, "der eigentlich gar keiner zu
sein bräuchte, da Israel ganz relaxt in den anerkannten
Grenzen von 1967 völkerrechtskonform in Frieden mit seinen
Nachbarn existieren könnte." (S.36) Sie schreit es
heraus: Zwischen 1967 und 1994 wurden etwa 140.000
Palästinenser vertrieben, indem ihnen das Aufenthaltsrecht
entzogen wurde. 14.000 Einwohnern Ostjerusalems ging es ebenso. Die
Siedler - mehr als 300.000 - kontrollieren bereits 42 Prozent des
Palästinensergebietes. 2.700 neue Wohneinheiten seien geplant.
(S. 51) Man spreche von einem "größten
Freiluftgefängnis der Welt". (S. 96) Nicht zu
vergessen die "über 10.000
palästinensischen Gefangenen in israelischen
Gefängnissen - unter ihnen auch Frauen, Kinder und alte
Menschen." (S. 132) Seit 1967 wurden 700.000 Menschen
verhaftet, die zum Teil bis heute auf ihre Gerichtsverfahren
warten. Warentransporte würden nur nach "Lust und Laune" nach
Gaza hineingelassen. Gewährleistet seien weder Strom noch
Wasser, noch medizinische Versorgung. 40.000 Kinder seien nicht
eingeschult worden, da Schulen wegen fehlenden Baumaterials nicht
gebaut werden konnten. (S. 97)
"1,5 Millionen eingeschlossene Palästinenser im Gaza-Streifen
und 1.400 Tote bei der 'Operation Gegossenes Blut' klagen uns an",
schreibt die Autorin (S. 28) Die Unterschiede zwischen
palästinensischen Dörfern und den jüdischen
Siedlungen: Wellblechhütten, Zelte,
Geröllstraßen und Schlamm. Daneben: Geteerte
Straßen, Blumenbeete und Palmenhaine. (S. 212)
Israel, so charakterisiert die deutsch-jüdische Querdenkerin
den Staat, sei heute keinesfalls das arme kleine, von Feinden
umzingelte Land. Im Gegenteil, es gehöre zu den
hochgerüsteten Militärmächten, die sich
nicht scheuen, anderen Staaten mit einem Präventivschlag -
auch atomar - zu drohen. (S. 18) Israel existiere seit 63 Jahren auf
ehemaligem palästinensischem und seit 44 Jahren auf
unrechtmäßig dazugeraubtem Land. (S. 137) Es
hält dieses Land widerrechtlich besetzt, und den
Palästinensern entzieht es seine grundlegenden Rechte, seine
Freiheit und Unabhängigkeit. Das gehöre vor das
Haager Kriegstribunal, so Evelyn Hecht-Galinski. (S. 22) Israel schaffe
Tatsachen mit der "Abrissbirne", aber man siedelt und baut weiter, die
"ethnische Säuberung" halte an. (S. 35)
Über 50.000 neue Wohnungen - natürlich nur
für jüdische Käufer und Mieter.
Palästinenser brauchen keine Wohnungen. Für sie
wurden seit 1967 nur circa 600 Appartements gebaut, obwohl mindestens
40.000 gebraucht werden. Eine weitere Enthüllung: Israel sei
ein Meister im Tarnen und Verschleiern, wenn es zum Beispiel um das
Atomprogramm in Dimona geht, meint die Autorin. Israel findet
Unterstützung von "AIPAC", der größten
Israel-Lobby in den USA. Jahresbudget: 70 Millionen
US-Dollar. (S. 116) Auf Seite 210 warnt die Autorin vor einem
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Iran. Und sie
lässt daran keinen Zweifel: Dieser Angriffskrieg wäre
nur möglich auch durch die Waffenlieferungen der Schutzmacht
USA. (S. 210) Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, besonders
gegenüber den Deutschen. Dem Verteidigungsminister
hält sie vor, folgende Aussage von Kanzlerin Merkel als
unzutreffend ungenügend entkräftet zu haben: Sie habe
geäußert, die Sicherheit Israels als deutsche
Staatsräson zu betrachten, und dass Deutschland
im Ernstfall
bereit sei, Israel, wenn es den Iran angreifen sollte, zu
unterstützen. Und wer klagt die Hamas einseitig als schuldig
an? Frage an die Kanzlerin: Verwechseln Sie da nicht Ursache und
Wirkung? Die vollständige Blockade sei die Ursache, die
Wirkung sind die Kassam-Raketen. (S. 19) Das Grundgesetz bezeichnet die
Deutsch-Jüdin als Makulatur, mit der proklamierten
Staatsräson nicht vereinbar. Weiter: Die würdigste
Form der Holocaust-Erinnerung: Sich das Recht nehmen, als Deutsche
aktuelle Verbrechen anzuprangern. (S. 43) Die scharfsichtige Autorin
polemisiert, es gehe nicht darum, einseitig und parteiisch zu sein,
sondern um Recht und Unrecht. Mit der angeblichen "Selbstverteidigung"
Israels verhöhne es die Völker. Wenn Politiker
Verbrechen gegen die Menschlichkeit rechtfertigen, dann
geißelt sie deren "vorauseilenden Gehorsam".
(S. 93) Jede Israel-Kritik sei als Antisemitismus zu bewerten?
Wörtlich dazu Evelyn Hecht-Galinski: "Ich bemerke
auch immer mehr, dass diese schleichende Politik der Verdummung in
Deutschland ihre Wirkung zeigt. Die Bevölkerung weiß
immer weniger über die wirklichen Zusammenhänge
dieser politischen Intrigen Bescheid." (S.129)
Und sie, die enorm treffend komplex denkt, scheut sich auch nicht, die
tieferen Ursachen ohne Wenn und Aber beim Namen zu nennen: Sie kreide
die Verlogenheit der gesamten westlichen Politik in dieser Region an,
die "primär von Wirtschaftsinteressen bestimmt ist".
(S. 112) Sie warnt, durch die Menschen- und
Völkerrechtsverletzungen sowie die Kriegsdrohungen und
Angriffe, die man dem jüdischen Staat durchgehen
lässt, "wird die internationale Politik massiv in
Gefahr gebracht". (S. 195) Wer wundert sich da, wenn sich die
deutsch-jüdische Aktivistin und scharf-politische Seherin
für diesen Staat Israel schämt, der nicht in ihrem
Namen spricht und handelt.
Ihre Sprache: Locker, sehr persönlich, sehr emotional,
überaus engagiert, teilweise mit Wut im Bauch - warum nicht?
Es überwiegen kurze Sätze mit hoher Anschaulichkeit.
Dafür sorgen u.A. die immer wiederkehrenden bohrenden Fragen -
an die Politik, an die Bürger, an sich selbst.
Im Nachwort stellt Gilad
Atzmon fest, die Humanistin Evelyn
Hecht-Galinski erhebe ihre unschätzbare Stimme nicht als
Einzelperson, sondern "gesellt sich zu der wachsenden Zahl
von Juden, die sich von 'Stammesdenken', Chauvinismus,
Überlegenheitsdünkel und Auserwählten
verabschiedet haben". (S. 217) Nicht zuletzt empört
sich die Autorin auch mit Stephané Hessel gegen gegebene
gesellschaftliche Zustände. (S. 121)
Wer ihr Buch gelesen hat, wird es bereichert zunächst zur
Seite legen - erkenntnismäßig,
gefühlsmäßig. Und wiederholt hineinsehen
müssen, wenn "Anstalten" wieder einmal die Wahrheit auf den
Kopf stellen. Ganz gewiss wird diese Lektüre der mutigen und
politisch hellwachen Kassandra ebenso für Anbeter der
"HEILIGEN KÜHE", für Politiker mit "vorauseilendem
Gehorsam", wie die Autorin schreibt, ein wahrer Genuss sein.
Mögen diese dabei die Vorhänge an ihren Fenstern
zuziehen ... Noch!
(Harry Popow; 07/2012)
Evelyn
Hecht-Galinski: "Das elfte Gebot: Israel darf alles.
Klartexte über Antisemitismus und Israelkritik"
Vorwort von Ilan Pappe, Nachwort von Gilad Atzmon.
Palmyra Verlag, 2012. 224 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen