Hélène Grémillon: "Das geheime Prinzip der Liebe"
Als
die Ich-Erzählerin des vorliegenden Romans im Paris
des Jahres 1975 die schreckliche Nachricht vom tödlichen
Autounfall ihrer Mutter erhält, ist sie natürlich
erschüttert. Camille weiß seit einigen Wochen, dass
sie schwanger ist, und möchte im Gegensatz zu ihrem Partner
das Kind sehr gerne behalten. Als sie die eintreffenden
Beileidsschreiben durchzusehen beginnt, ahnt sie noch nicht, dass ein
anonymes Schreiben darunter ist, dem in den folgenden Wochen und
Monaten weitere folgen werden. Briefe, in denen es unter Anderem auch
um Schwangerschaften
geht. Durch Unfruchtbarkeit unmögliche
Schwangerschaften und geliehene Schwangerschaften.
Schon der erste Brief, in dem der offensichtlich männliche
Autor von seiner Freundschaft und Liebe zu einem Mädchen
namens Annie berichtet, weckt in Camille eine leise Ahnung davon, dass
die Geschichte, die hier erzählt wird, etwas mit ihr selbst zu
tun haben könnte.
Mit jedem der neuen Briefe, die ganz regelmäßig
ankommen, wird diese Vermutung zu einer immer sichereren Gewissheit.
Die Briefe erzählen die Geschichte des armen Mädchens
Annie, das in einem Dorf in der Champagne aufwächst und zu
Beginn des Zweiten Weltkriegs die Bekanntschaft einer sehr wohlhabenden
Frau aus Paris macht, die vorübergehend mit ihrem
Mann, einem Journalisten, aufs Land gezogen ist. Bald wird auch klar,
warum. Sie hat über viele Jahre vergeblich versucht, schwanger
zu werden und möchte auf dem Land Abstand bekommen.
Annie ist bald jeden Tag im Haus der reichen Frau und entfremdet sich
so ihrem Freund seit Kindertagen, der sich bald als der Autor der
Briefe entpuppt. Eines Tages erzählt die Frau Annie von ihrem
Leid, und die macht ihr einen verhängnisvollen Vorschlag. Weil
sie so dankbar für die Fürsorge der Frau aus Paris
ist, erklärt sich Annie von sich aus bereit, ein Kind
für sie zu empfangen und es zur Welt zu bringen.
Der Leser ahnt schon früh, dass so etwas nicht gut gehen kann,
und tatsächlich wird die ganze Sache zu einer Quelle von
Eifersucht,
Verrat und Hass. Atemlos und die geschickt eingesetzte
Spannung kaum ertragend, liest man sich von Seite zu Seite durch eine
Geschichte, die immer verwickelter wird. Denn jeder neue Brief, den
Camille erhält, bringt neue Informationen. Und irgendwann
begibt sie sich selbst auf die Suche nach ihrer, so wird ihr immer
klarer, eigenen Geschichte.
Besonders, nachdem sie erfahren hat, dass Annie nach der Geburt ihres
Kindes spurlos verschwunden ist, beginnt Camille den verborgenen
Hinweisen in den vielen Briefen, die sie erhalten hat, auf die Spur zu
kommen.
Immer mehr bislang verdeckte oder unbekannte Einzelheiten kommen ans
Licht bis zu einem wahrlich überraschenden Ende, das der Leser
niemals für möglich gehalten hätte. Mit
großer erzählerischer Meisterschaft hat
Hélène Grémillon einen Roman mit einem
außergewöhnlichen Sinn für Spannung
geschrieben, der aber auch einfühlsam von dem Drama
kinderloser Frauen, einer geliehenen Schwangerschaft und der Suche nach
den eigenen Wurzeln erzählt .
Fazit:
"Das geheime Prinzip der Liebe" ist ein Buch, das man bis zur letzten
Seite nicht aus der Hand legt, bis man atemlos mit einem Ende
konfrontiert wird, das tief berührt.
(Winfried Stanzick; 05/2012)
Hélène
Grémillon: "Das geheime Prinzip der Liebe"
(Originaltitel "Le confident")
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz.
Hoffmann und Campe, 2012.
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Digitalbuchausgabe:
Hoffmann
und Campe, 2012.
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Hélène Grémillon wurde 1977 in Poitou (Westfrankreich) geboren. Sie studierte Literaturwissenschaft, arbeitete als freie Journalistin, als Drehbuchautorin und Regisseurin und lebt heute mit dem Sänger Julien Clerc und ihrem gemeinsamen Sohn in Paris. "Das geheime Prinzip der Liebe" ist ihr erster Roman, der mit dem "Prix Roblès" ausgezeichnet wurde.