Fritz B. Simon: "Die andere Seite der Gesundheit"
Ansätze einer systemischen Krankheits- und Therapietheorie
Die Frage danach, was denn
eigentlich Krankheit und Gesundheit genau sind, ist für die heilenden
Berufe von grundlegender Bedeutung, denn von deren Beantwortung leitet
sich eigentlich ab, was denn der Inhalt dieser Berufe ist, die
entweder Gesundheit erhalten oder wieder herstellen wollen. Mithin
ergibt sich daraus dann auch erst die Definition des Begriffs
"Therapie" und damit auch des Begriffs "Therapeut".
Anno 1995 hat sich Fritz B. Simon in diesem Buch, das nun in einer
dritten überarbeiteten und korrigierten Fassung vorliegt, mit diesem
Themenkomplex auseinandergesetzt, und er hat - metaphorisch gesprochen -
bei Adam
und Eva angefangen, d.h. bei der Frage, was denn eigentlich genau
eine Definition ausmacht. Und welche Probleme das Definieren an sich mit
sich bringt. Davon ausgehend, kommt er zu den Problemen der Definitionen
der hier genannten Begriffe, zu Problemen der interpersonalen
Kommunikation, Krankheitsdefinitionen mit Bezug zu körperlichen und
psychischen Erkrankungen und schließlich auch auf den Übergangsbereich
der psychosomatischen Erkrankungen, die er im Sinne der systemischen
Theorie lieber als sozialsomatische Erkrankungen bezeichnet wissen
möchte. Aus diesen Definitionen heraus entwickelt der Autor anschließend
eine Typologie sowie eine grundlegende Idee, wie Therapien für diese
Bereiche gestaltet sein müssen. Es ist dabei interessant zu sehen, wie
es ihm gelingt, den Begriff "Diagnose" fast durchgängig zu vermeiden -
auch bei den rein körperlichen Gebrechen.
Im Zusammenhang mit der Betrachtung der Erkrankungen zieht er auch die
Systemtheorie heran, die er auf die Körper selbst und die sozialen
Systeme anwendet, wobei er ebenfalls sehr grundlegende Begriffe der
Kybernetik Zweiter Ordnung erläutert und zur Grundlage der Betrachtung
macht. Dies führt dazu, dass man in der Folge immer wieder Variationen
einer Grafik sieht, die helfen sollen, die Positionen in einem gegebenen
Familien- und/oder Therapiesystem genauer zu bestimmen und daraus
Therapieansätze zu entwickeln.
Das ist sehr viel Kleinklein und zwar in teilweise etwas ausufernder
Form, während griffige Fallbeispiele eher zu kurz kommen, was man bei
systemischen Titeln nicht unbedingt gewohnt ist und was hier nach
Meinung des Rezensenten einen tatsächlichen Mangel darstellt. Man hätte
hier viele Worte sparen können, um zu den gleichen Aussagen zu kommen,
die am Ende das Fazit dieses Titels bilden. Eine dieser Aussagen bezieht
sich auf die Gefahr eines zu klar festgelegten Gesundheitsbegriffs,
welcher der politischen Operationalisierung Tür und Tor öffnen könnte,
wie dies etwa Stefan
Blankertz in seinem Titel "2068" beschrieben hat. Diesen Aspekt
führt der Autor leider nicht weiter aus, obwohl sein zum Teil etwas
uninformierter Bezug zu Aspekten der
traditionellen chinesischen Medizin das eigentlich nahelegen
würde.
Die Idee der Begriffsklärung ist lobenswert und auch die Weiterführung
der Ideen zur eigentlichen Therapie, aber in dieser Form ist das Ganze
eigentlich nicht sonderlich überzeugend.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2012)
Fritz
B.
Simon: "Die andere Seite der Gesundheit.
Ansätze einer systemischen Krankheits- und Therapietheorie"
Carl-Auer Verlag, 2012. 207 Seiten.
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