Jacques Berndorf: "Die Grenzgängerin"


BND-Agent Karl Müller wird nach Tripolis geschickt, weil eine verlässliche Quelle vor Ort dringend den Wunsch verspürt, im Zuge der Unruhen das Land zu verlassen. Doch dort angelangt, findet Müller eine ganz unerwartete Situation vor, und sein Kontakt mit Berlin bricht ab. Die beiden Agenten Takamoto und Dehner werden direkt nach ihrer Rückkehr von anderen Auslandseinsätzen über diese Situation verständigt, und gegen alle Anordnungen beschließt Svenja Takamoto, auf eigene Faust nach Tripolis zu reisen, dicht gefolgt von ihrem Kollegen Dehner. Dort folgen sie dann der Spur ihres Kollegen und seines Ziels bis zu einer abenteuerlichen Aktion im Hauptflughafen von Tripolis.

In Deutschland hat sich inzwischen Amtsleiter Krause taktisch aus dem direkten Dienst in seine Wohnung zurückgezogen, um mit seltsamen Angriffen aus der Rechnungs- und Rechtsabteilung des Diensts umzugehen. Anscheinend möchte jemand die bestehenden Strukturen des BND zerschlagen und schreckt auch nicht davor zurück, die geheimen Dinge des Dienstes in das Licht der Netzöffentlichkeit zu zerren.
In diese volatile Situation kehren die drei Agenten zurück und sehen sich bald von einem ominösen Sicherheitsdienst namens "SURE" verfolgt, während sie gleichzeitig einer Spur nachzugehen beginnen, die Dehner bei seinem letzten Auftrag aufgetan hat. Eine unbekannte Frau hat eine Tonne C4-Sprengstoff gekauft und scheint sich damit auf dem Weg nach Deutschland zu befinden - was nun wirklich nicht gut aussieht.

Fieberhaft und gegen allerlei innere Widerstände beginnen die Ermittlungen zu dieser Frau und ihren Plänen, und gleichzeitig wird daran gearbeitet, die inneren Gegner zu neutralisieren, bevor diese den BND komplett handlungsunfähig machen.

Alles in allem bietet "Die Grenzgängerin" eine ebenso spannende wie interessante Ausgangssituation, und der Roman beginnt auch entsprechend. Die Geschichte entwickelt sich schnell, und gelegentliche Einschübe aus Dienstleiter Krauses und Müllers Privatleben neben dem Dienst lassen die Figuren ein wenig "runder" erscheinen - dabei Krause mehr als Müller. Doch auf den letzten 50 Seiten beginnt der Roman quasi auseinanderzufallen. Immer öfter sagen Charaktere Dinge, die im laufenden Dialog keinen Sinn ergeben oder aber in der gegebenen Situation absolut redundant sind. Daneben gibt es immer wieder Sprünge im Dialog und auch von Szene zu Szene, was beim Lesen zunehmend irritiert.

Die Auflösungen der inneren Probleme und der Geschichte um die "Grenzgängerin" sind dann zum Teil lückenhaft, zum Teil unbeschreiblich banal sowie unglaubwürdig und lassen den Leser am Ende vergleichsweise ratlos zurück.
Vergleicht man die reißerischen Auftaktszenen zu Beginn und in der Mitte mit dem bemüht bis erzwungen wirkenden Finale, beschleicht einen das Gefühl, es hätten zwei Autoren an dem Buch geschrieben.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2012)


Jacques Berndorf: "Die Grenzgängerin"
Gebundene Ausgabe:
Heyne, 2012. 400 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen
Digitalbuchausgabe:
Heyne, 2012.
Digitalbuch bei amazon.de bestellen

Weitere Lektüretipps:

Nils Aschenbeck: "Agent wider Willen. Frank Lynder, Axel Springer und die Eichmann-Akten"

Frank Lynders Leben schien vorherbestimmt. Er sollte die väterliche Buchhandlung in Bremen übernehmen. Er interessierte sich für die Natur - und für Frauen. Politik war ihm eigentlich egal. Doch es kam anders: Als Jude beschimpft und von den Nazis bedroht, flüchtete er anno 1938 nach London. Er trat als Freiwilliger der Army bei und wurde 1941 Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes - Abteilung Political Warfare Executive: "schwarze Propaganda". In London erreichte ihn schließlich auch die Nachricht, dass seine Mutter in Theresienstadt umgekommen war, von den Nazis zu Tode gequält. Nach dem Krieg berichtete er als Journalist für den Hamburger German News Service aus den zerstörten deutschen Städten, wurde dann 1954 Mitarbeiter bei Axel Springer. Im Hamburger Verlagshaus lernte er Axels Springers Schwester kennen und lieben. Sie heirateten, und Lynder war nun Teil der Springer-Familie. 1961 reiste Frank Lynder im Auftrag des BND nach Jerusalem, zum Eichmann-Prozess, um aus dem Hotelzimmer eines DDR-Anwalts brisante Eichmann-Unterlagen zu entwenden. Der westdeutsche Staat befürchtete, dass die DDR das Thema Eichmann ausnutzen wollte, um das Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen, um die Nazi-Vergangenheit von Politikern propagandistisch zu benutzen. Der Aktenraub sollte dem die Grundlage entziehen.
Frank Lynder wollte nur Buchhändler sein. Stattdessen hat ihn das Leben in die große Politik gestoßen: Mitarbeiter einer Abteilung des britischen Geheimdienstes, Spitzeltätigkeit für den deutschen Bundesnachrichtendienst, rechte Hand von Axel Springer. Ganz nebenbei schrieb er Bücher. Worüber? Über Kriminalfälle und Spione. (Marixverlag)
Buch bei amazon.de bestellen

Stefanie Waske: "Mehr Liaison als Kontrolle. Die Kontrolle des BND durch Parlament und Regierung 1955-1978"
Die parlamentarische Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes begann in Deutschland sehr früh. Mit der Übernahme der Organisation Gehlen als Bundesnachrichtendienst 1956, erhielt das Parlament die Aufgabe zu kontrollieren. In der Praxis blieb die Kontrolle hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die wichtigsten Gründe lagen darin: Die Regierungskontrolle versagte zeitweise; die Parlamentarier besaßen keine verbrieften Rechte und nahmen ihre Aufgabe nicht immer wahr. Außerdem bestand ein verzweigtes Netz von Abhängigkeiten zwischen Politik und Geheimdienst. Die Arbeit zeichnet den Weg der Reformen nach und wertet dazu bisher unzugängliche Quellen aus. (VS Verlag für Sozialwissenschaften)
Buch bei amazon.de bestellen