Nicolas Barreau: "Eines Abends in Paris"
Es kommt nicht oft vor,
dass mich als Leser ein Autor mit einem Liebesroman faszinieren kann.
Hanns-Josef
Ortheil ist das mit seinen ambitionierten Liebesromanen der
vergangenen zehn Jahre gelungen, und auch das Vorgängerbuch Barreaus
"Das Lächeln der Frauen" hatte diese Qualität.
Dennoch stellt Barreaus Roman "Eines Abends in Paris" alle seine
Vorgänger noch in den Schatten. Das Buch hüllt den Leser von Beginn an
in eine zarte und geheimnisvolle Liebesgeschichte
ein, wie man sie ansprechender, spannender und liebevoller kaum erzählen
kann.
Der sympathische Ich-Erzähler des Romans ist Alain Bonnard. Seit einiger
Zeit hat er, der zunächst einen ganz anderen Beruf ausgeübt hat, von
seinem Onkel ein kleines Programmkino im Paris übernommen, das
"Cinéma Paradis", dessen Spezialität es ist, anspruchsvolle Filme
zu vertretbaren Preisen für ein ausgewähltes Publikum zu zeigen. Alain
hat einige Mitarbeiter, die stundenweise für ihn arbeiten. Weder
sie noch er selbst können mit ihrem zum Beruf gemachten Steckenpferd
reich werden. Doch das stört ihn nicht. Er möchte den Menschen mit den
Filmen, die er zeigt, Träume schenken, die ihren Alltag erhellen. Und er
mag all die Menschen, die in sein Kino kommen. Viele von ihnen kennt er
persönlich, besonders jene, die regelmäßig kommen.
Regelmäßig kommt seit einiger Zeit auch eine junge schöne Frau in einem
roten Mantel. Mittwochabends, wenn Alain eine Reihe von klassischen
Liebesfilmen zeigt, ist sie da, und sie sitzt immer auf einem bestimmten
Platz in der Reihe 17. (Diese insgesamt 25 in dem Roman erwähnten
Liebesfilme sind für alle Filmfreunde in einem Anhang des Roman noch
einmal aufgeführt, von "Außer Atem" bis "Zusammen ist an weniger
allein").
Die Frau im roten Mantel übt auf Alain Bonnard eine große
Anziehungskraft aus. Eines Abends nach dem Film spricht er sie an und
lädt sie zu einem Essen ein. Sie sagt zu. Einige Tage später bei einem
Essen zeigt sich, dass die Anziehungskraft gegenseitig ist. Es knistert,
und als Alain Melanie nach Hause bringt, küssen sie sich. Den Kopf und
das Herz voller Liebe, vergisst er Melanie nach ihrem Nachnamen zu
fragen, und sie tauschen auch keine Telefonnummern aus. Da Melanie eine
Woche zu ihrer Tante aufs Land fährt, verabreden sie sich für den
Mittwoch nach ihrer Rückkehr.
In dieser Woche der Abwesenheit der geliebten Frau, von der er nichts
weiß außer ihrem Vornamen, geschieht im Leben Alains etwas Umwerfendes.
Ein berühmter Hollywoodregisseur, Allen Wood, (eine Hommage an Woody
Allen und seinen Film
"Midnight in Paris"), steht mit einer nicht weniger berühmten
Schauspielerin, Solene Avril, vor seiner Tür und bittet ihn,
entscheidende Szenen seines neuen Films im "Cinéma Paradis" drehen zu
dürfen.
Alain sagt zu. Als er abends mit der berühmten Schauspielerin einen
Spaziergang macht, werden sie von Paparazzi fotografiert, und Alain wird
am nächsten Tag in der Presse als neuer Liebhaber des Filmsternchens
gehandelt.
Als Melanie, die Frau im roten Mantel, weder am nächsten Mittwoch noch
an irgendeinem anderen der kommenden Tage im Kino auftaucht, wird Alain
nervös. Möchte sie ihn nicht mehr sehen? Ist ihr irgendetwas geschehen?
In einer größeren Aktion befragt er tagelang die Bewohner des Hauses,
vor dem er Melanie nach ihrem ersten Rendezvous geküsst hatte und in dem
sie dann verschwunden war. Doch niemand kennt die junge Frau dort, und
die ganze Sache wird immer mysteriöser. Sein Freund Robert, ein
Astrophysiker, mit dem er alles bespricht, und der in Liebessachen eher
der nüchterne Typ ist, rät ihm, die Frau zu vergessen. Doch dann sieht
Alain sie kurz wieder, sie läuft allerdings vor ihm davon.
In einer spannend aufgebauten Handlung wartet der Leser nun, mit dem
verliebten Alain mitfiebernd, auf den Ansatz einer Lösung des Rätsels um
Melanie - und er wird nicht enttäuscht.
"Eines Abends in Paris" ist ein anspruchsvoller Liebesroman mit
unzähligen Reminiszenzen an den Film und natürlich an Paris, die Stadt
der Liebe. Ein Buch voller Schönheit und voller Geheimnisse, die den
Leser bis kurz vor dem Ende in Atem halten.
(Winfried Stanzick; 11/2012)
Nicolas Barreau: "Eines Abends in Paris"
Übersetzung von Sophie Scherrer.
Thiele Verlag, 2012. 368 Seiten.
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Nicolas Barreau, geboren 1980 in Paris, hat Romanistik und Geschichte an der Sorbonne studiert und ist heute freier Autor. Mit seinen im Thiele Verlag erschienenen erfolgreichen Romanen "Die Frau meines Lebens" (2007) und "Du findest mich am Ende der Welt" (2008) hat er sich ein begeistertes Publikum erobert. Sein Buch "Das Lächeln der Frauen" (2010) brachte ihm den internationalen Durchbruch und war in mehreren Ländern auf der Liste der meistverkauften Bücher.