Gerbrand Bakker: "Der Umweg"
Gerbrand
Bakkers Roman "Der Umweg" ist eine schnörkellose, geradlinige
Erzählung über eine Flucht. Eine Flucht aus einem
Leben, das aus verschiedenen Gründen unerträglich
geworden ist.
Der niederländische Autor, im deutschsprachigen Raum durch
seinen Roman "Oben ist es still" bekannt geworden, hält sich
nicht mit Belanglosigkeiten oder Ausschmückungen auf, er
konzentriert sich auf das Wesentliche. Auch wenn das bedeutet, dass er
dem Leser nur eine Teilsicht auf die Sache erlaubt. Vor der Kulisse
dieser Teilsicht geht er dafür bestechend scharf und tief in
seiner Figurenzeichnung vor.
Emilie oder eigentlich Agnes hat ihr Leben in den Niederlanden
verlassen. Den Hintergrund erfährt man mit Verlauf des Buches,
ohne dabei vom Autor mit pikanten Einzelheiten gefüttert zu
werden; stilistisch grandios gelöst. Sie flieht nach Wales
und mietet sich in ein Bauernhaus am Land ein, wo sie sich mit ihrer
Arbeit über Emily Dickinson beschäftigen will.
Das erlaubt dem Autor einen kompromisslosen Rückzug ins
Innenleben der Protagonistin, der nur von Zeit zu Zeit durch diverse
Gegebenheiten und Begegnungen unterbrochen wird.
Die Ausländerin, von den meisten Dorfbewohnern skeptisch
beäugt, macht sich mit verschiedenen Auftritten nicht
besonders beliebt, was sie aber nicht weiter stört.
Gleichzeitig entwickelt Gerbrand Bakker weitere
Erzählungsstränge, wie den des eher hilflos suchenden
Ehemanns in
den
Niederlanden, oder die Aufarbeitung der Beziehung zum
Onkel der Protagonistin. Das alles ergibt ein literarisches
Bildgeflecht, das sich nur langsam aus einer Art Nebelsuppe
löst, um am Ende wieder im Nebel zu verschwinden.
Als Emilie/Agnes eines Tages einen jungen Besucher eine
Übernachtungsmöglichkeit bietet und der junge Mann
sich fast unmerklich bei ihr einnistet, spürt sie, wie sie
langsam aber sicher von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Durch das
Nichtzulassen der Sehnsüchte und inneren Bedürfnisse,
beginnt sie, an dieser Selbstkasteiung zu zerbrechen.
Wunderbar, wie Gerbrand Bakker hier still und leise, mit einer
gehörigen Portion Untertreibung, ein existenzialistisches
Drama ablaufen lässt. Aber gerade das macht diese
Prosa so stark. Kurze Sätze und unheimlich viel
Unausgesprochenes dominieren das spannende und eindringliche
Psychogramm einer Frau, die, in eine für sie ausweglose
Situation geraten, am Ende den einzigen für sie annehmbaren
Weg geht.
Ein ganz starkes Stück Literatur. Absolute Empfehlung.
(Roland Freisitzer; 03/2012)
Gerbrand
Bakker: "Der Umweg"
(Originaltitel "De omweg")
Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke.
Suhrkamp, 2012. 229 Seiten.
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Hörbuchausgabe:
Jumbo Neue Medien, 2012.
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Gerbrand
Bakker, 1962 in Wieringerwaard geboren, studierte
niederländische Sprach- und Literaturwissenschaft in
Amsterdam, arbeitete als Übersetzer von Untertiteln und ist
Diplomgärtner.
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Jasper und sein Knecht" zur
Rezension ...
"Tage im Juni"
Die Königin kommt. Und das Dorf im nördlichsten
Zipfel der Niederlande steht kopf. Mitten drin im Trubel dieses
Junitages 1969 ist die Familie Kaan. Zwei der Söhne schwenken
Fähnchen vor dem Gemeindehaus, und der kleinen Tochter auf dem
Arm ihrer Mutter Anna streicht Königin Juliana
höchstpersönlich über die Wange.
Vierzig Jahre später ist es ruhig geworden auf dem Hof der
Kaans. Drei Generationen leben jetzt dort, das alte Bauernpaar, Sohn
Klaas und seine Familie. Aber Vieh gibt es außer dem Stier
und dem Hofhund keines mehr. Und dass Altbäuerin Anna sich
regelmäßig mit einer Flasche Eierlikör und
ihrer Seelenlast im Gepäck auf den Heuboden
zurückzieht - wo ihr lediglich der stoisch kauende Stier
Gesellschaft leisten darf -, wird von der Hofgemeinschaft
stillschweigend akzeptiert. Nur die fünfjährige Dieke
wundert sich. Was vor vierzig Jahren dem Leben ihrer Familie eine
völlig andere Richtung gegeben hat, offenbart sich dem Leser
erst nach und nach. (Suhrkamp)
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"Komische Vögel. Tiertagebuch"
"Es geht aufwärts mit der Welt. Endlich gibt es einen
Tarifvertrag für die Strandesel von Blackpool. Nun warten wir
noch auf kostenlose Physiotherapie für Störche und
natürlich die Verteilung von Zeckenzangen an Schafe. Wenn wir
all das haben, ist die Welt perfekt."
Gerbrand Bakker erzählt in "Komische Vögel"
liebevoll, originell und witzig von allerlei Haus- und Nutztieren, von
renitenten Wiederkäuern und anschmiegsamen Plagegeistern, von
wundersamen Begegnungen und seltsamen Vorfällen und von
Menschen, die im Umgang mit Tieren nicht immer die Überlegenen
sind. (Insel)
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"Oben ist es still"
Helmer van Wonderen räumt auf. Er verfrachtet seinen
bettlägerigen Vater ins Obergeschoß des alten
Bauernhauses, entrümpelt das Erdgeschoß, streicht
die Wände und schafft neue Möbel an. Das
Gemälde mit den schwarzen Schafen,
die Fotografien von Mutter und die alte Standuhr kommen nach oben, alle
Pflanzen, die blühen können, auf den Misthaufen. Und
da Vater ihm nicht den Gefallen tut, einfach zu verschwinden, sich von
einem Windstoß hinwegfegen zu lassen oder wenigstens zu sterben,
richtet der Sohn sein Leben unten neu ein. Doch die ländliche
Ruhe währt nicht lang, denn Helmers Neffe Henk, der
pubertierende Sohn seines verstorbenen Zwillingsbruders, soll bei
seinem Onkel das Arbeiten lernen ...
Genau in der Beobachtung von Mensch und Natur, subtil in der Anspielung
und von zärtlicher Skurrilität, entwickelt Bakkers
trockener, lakonischer Erzählstil von der ersten Seite an
einen unwiderstehlichen Sog. (Suhrkamp)
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