Wolfgang Seidel: "Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?"
Weltgeschichte - alles, was man wissen muss
Alles, was man wissen will
Eine Zusammenfassung der Weltgeschichte auf etwas mehr als vierhundert
Seiten - verlockend, denn wer möchte nicht über die wichtigsten
Zusammenhänge der Menschheitsentwicklung informiert sein?
Wolfgang Seidel lässt seinen Abriss
mit der Stein- und der Bronzezeit beginnen und führt den Leser
anschließend durch die wesentlichen Stationen der Antike, durch das
Mittelalter und schließlich in die Neuzeit bis ins 21. Jahrhundert
hinein.
Die großen Abschnitte der Geschichte sind in einzelne, griffig
aufgemachte Kapitel gegliedert, die mit einer kurzen Zusammenfassung des
jeweiligen Themas beginnen. Einzelne Absätze mit jeweils eigenen
Überschriften gehen anschließend auf militärisch-politische
Entwicklungen, kulturelle und wissenschaftliche Fortschritte,
wirtschaftliche Aspekte, Religion und andere Besonderheiten innerhalb
der betrachteten Periode ein. In der Randspalte findet der Leser zu
jedem dieser Absätze eine Jahreszahl oder einen entsprechenden Zeitraum.
Eine Weltkarte in den Buchklappen vorne und hinten zeigt die wichtigsten
und im Buch auch abgehandelten Orte auf. Das Buch endet mit einem
ausführlichen Schlagwort-Verzeichnis.
"Alles, was man wissen muss"; da begehrt das Herz des kritischen und
mündigen Lesers etwas auf, denn, erstens, wer ist "man", und zweitens,
wer schreibt diesem "man" vor, was er oder sie wissen muss?
"Man" wird dann bei der Lektüre aber doch besänftigt, denn der Autor hat
die Inhalte sorgfältig zusammengestellt und gibt in der Tat einen recht
umfassenden Überblick über die Weltgeschichte. Ein gewisser
Eurozentrismus lässt sich dem Buch, das doch eine Weltgeschichte sein
soll, nicht absprechen; die "anderen" bedeutenden Kulturen, von jenen
des Nahen Ostens, Ägypten inklusive, abgesehen, kommen im Verhältnis
doch etwas kurz. Dennoch gewinnt der Leser auch von ihnen einen Eindruck
im Sinne eines roten Fadens durch ihre jeweilige Geschichte, und mit dem
Fokus auf der europäischen Geschichte kommt der Autor letztlich wohl den
Bedürfnissen und Interessen des Großteils der Leser entgegen.
Nebst den üblichen Themen der Geschichte, also vor allem Dynastien,
Kriegen und anderen Formen von Bewahrung und Erweiterung bestimmter
Territorien, kommen ungewöhnliche, aber interessante Aspekte zum Zug,
etwa die erste Weltausstellung, das Zusammentreffen von Stanley und
Livingstone oder auch die Institution der "freien Reichsstadt" ab 1150.
Das Buch ist sehr abwechslungsreich, in einem griffigen Stil und auch
mit Humor geschrieben. Wer möchte, kann einzelne Themen herausgreifen;
eine Lektüre "am Stück" ist nicht erforderlich.
Ein durchaus informativer, spannender und bunter Parforceritt durch die
Weltgeschichte!
(Regina Károlyi; 10/2011)
Wolfgang
Seidel: "Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?
Weltgeschichte - alles, was man wissen muss"
Eichborn, 2010. 444 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Alexander Demandt: "Es hätte auch anders kommen können.
Wendepunkte deutscher Geschichte"
Was wäre geschehen, wenn die Römer 9 n. Chr. den Cherusker-Fürsten
Arminius besiegt hätten? Wenn Karl Martell 732 den Arabern
unterlegen wäre? Wenn der Bauernkrieg von 1525 Erfolg gehabt hätte? Wenn
der Erste
Weltkrieg vermieden und Hitler
einem Attentat zum Opfer gefallen wäre?
Was auf den ersten Blick als müßiges Gedankenspiel erscheinen mag,
entpuppt sich rasch als überaus anregende, unterhaltsame Einführung in
die komplexe und so schicksalhafte deutsche Vergangenheit.
Alexander Demandt unternimmt einen Parforceritt durch die
zweitausendjährige Geschichte der Deutschen, an dessen Ende man um viele
Erkenntnisse reicher ist. Er zeigt Irrwege und "Sonderwege" auf,
beleuchtet ungenutzte Chancen und vermeidbare Katastrophen. Eine Reise
in die Vergangenheit, die informiert, bildet, unterhält und zum
Nachdenken anregt. (Propyläen Verlag)
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Christoph
Schulte-Richtering: "Schnick, Schnack, Schnuck. Schulte-Richterings
Kleine Weltgeschichte"
Aufstieg und Fall, Glück und Schicksal, Triumph und Untergang: Es sind
die großen Ereignisse und herausragenden Figuren der Weltgeschichte,
denen sich Christoph Schulte-Richtering in 44 knappen und amüsanten
Kapiteln widmet: von Kaiser
Nero bis zur Finanzkrise, von Luther bis zum Mauerfall. Dabei
versteht es der umfassend gebildete Fernsehautor, die Kreuzzüge wie
einen Krimi zu erzählen, Shakespeares
Werk wie eine Seifenoper und aus der Französischen
Revolution ein Quiz zu machen. Am Beispiel eines armen Elefanten
wird erläutert, warum Zar Iwan zu Recht "der Schreckliche" hieß, daneben
zeigen etliche Illustrationen mit viel Witz, was die Popkultur der
Weltgeschichte zu verdanken hat: Ohne sie hätten "ABBA" nie "Waterloo"
schreiben, Brad Pitt nie den Achilles spielen können, und alle Pizzerien
dieser Welt, die sich nach "Marco Polo" nennen, hätten bedeutend
langweiligere Namen. Ob es um Karl
den Großen, Karl den Kahlen oder Karl den Käfer geht: Dieses Buch
erklärt ebenso pointiert wie universell, wie die Welt so geworden ist,
wie wir sie heute kennen. (Rowohlt Berlin)
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Ulli Kulke:
"Abenteuer Weltgeschichte" (Ab
10 J.) zur
Rezension ...
20 entscheidende Ereignisse von der Steinzeit bis heute
Erwin
Chargaff: "Abscheu vor der Weltgeschichte" zur
Rezension ...
Arne Karsten, Olaf B. Rader: "Große Seeschlachten. Wendepunkte der
Weltgeschichte"
Von Salamis bis Skagerrak
Wer die Meere beherrscht, beherrscht
die Welt: Seit der Antike hat diese Einsicht dazu geführt, dass Flotten
ausgerüstet wurden, die erbittert um die Hoheit über Meere,
Küsten und Kontinente kämpften. Das glänzend erzählte Buch schildert die
hochdramatischen Verläufe der wichtigsten Seeschlachten und geht ihren
Voraussetzungen und Folgen nach. Eine ungewöhnliche Weltgeschichte aus
maritimer Perspektive.
U-Boote und Raketen haben im 20. Jahrhundert der klassischen Seeschlacht
- Schiff gegen Schiff - ein Ende bereitet. Aber zur Nostalgie besteht
angesichts der Blutbäder kein Anlass. Seit der Antike haben Griechen und
Römer, Byzanz und Venedig,
Spanier und
Briten immer größere Ressourcen in die Seekriege gesteckt. Arne Karsten
und Olaf Rader beschreiben die wichtigsten Gefechte - von der
Abwehrschlacht der Athener bei Salamis über den englischen Sieg Nelsons
bei Trafalgar bis hin zum Falklandkrieg - und zeigen, wie aus ihnen
Staaten, Weltreiche, technische und sogar künstlerische Innovationen
hervorgegangen sind.
Ihr Buch verbindet auf meisterhafte Weise den Sinn für die
kriegsentscheidenden Details mit dem souveränen Überblick über Aufstieg
und Niedergang der Imperien. (C.H. Beck)
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Alain Schnapp: "Die
Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer der Archäologie"
Alain Schnapp untersucht die verschlungenen Wege, die die Menschheit von
der Antike bis zum 19. Jahrhundert beschritten hat, um sich ihrer
Vergangenheit bewusst zu werden.
Alain Schnapp erzählt die aufregende Geschichte der Archäologie
in den Zivilisationen der Menschheit. Die vielfältigsten Zeugnisse
antiker Kulturen kommen dabei ebenso zur Sprache wie die zahlreichen
Vorurteile und Hindernisse, die zu überwinden waren.
Es ist nicht die Geschichte einer stetig fortschreitenden Entwicklung,
sondern die von Wiederentdeckungen und oft in die Irre führenden
Deutungen vergessener Beobachtungen. Da gab es etwa den Streit um den
Wert der Gegenstände als Quellen gegenüber der schriftlichen
Überlieferung, das Dogma der Abstammung der Menschheit von Adam, das
chronologische Gerüst, das auf der Sintflut aufbaute, oder die
schwierige Zusammenführung von Menschheitsgeschichte und
Naturgeschichte. Aber dank einiger Forscher, die über Jahrhunderte das
sehr hohe Alter der Menschheit verteidigt haben, ist die Archäologie
eine eigenständige Disziplin geworden. (Klett-Cotta)
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Leseprobe:
Keramik-Kulturen in der Kupferzeit
Die ältesten Kupferabbaustätten in Europa befinden sich auf dem Balkan.
Sie stammen aus der Zeit um 4500 v. Chr. Betreiber der Minen waren
vermutlich Führungsschichten einer bandkeramischen Kultur des Balkans
namens Vincÿa. Man lebte in vergleichsweise dichtbesiedelten Dörfern und
betrieb auf ausgesprochen fruchtbaren Böden intensiv Ackerbau. Dazu
gehörte eine differenzierte Sozialstruktur mit einer immer reicher
werdenden Oberschicht. Die Grabbeigaben eines Gräberfeldes am
bulgarischen Warnasee enthalten neben hervorragend gearbeiteten
Keramiken und Kupfergegenständen auch die ersten Goldschmiedearbeiten
weltweit, vor allem Schmuck, Beschläge und reliefartige Tierfiguren.
Das früheste in Mitteleuropa gefundene Kupferbeil ist dagegen rund 1000
Jahre jünger (um 3500 v. Chr.) und stammt aus einer Fundstätte in der
Nähe von Altheim bei Landshut in Niederbayern.
Ötzi
Das relativ leicht zu schmelzende und zu bearbeitende Kupfer kommt in
Anatolien um 8000, in Mitteleuropa um 4300 v. Chr. auf. Gut 1000 Jahre
später trug der mittlerweile bekannteste Vertreter der späten
Jungsteinzeit ein Kupferbeil bei sich: Die Gletschermumie Ötzi gibt ein
anschauliches Bild eines Menschen aus unserem geografischen Raum in der
Hoch-Zeit der Keramik-Kulturen. Mit seinen grasgepolsterten Schuhen,
seiner Bekleidung, seinen leichten Jagdwaffen und seinem "Rucksack"
erinnert er am ehesten an das Bild, das man sich von einem "Indianer"
macht. Hier tritt uns ein Mensch aus dem Übergang zwischen Jungsteinzeit
und Metallzeit gegenüber. Ötzi ist ein typischer Vertreter der halbwegs
sesshaften, Ackerbau und Viehzucht betreibenden vorindogermanischen
Siedlerkultur der Keramik-Zeit. Das bisschen Metallverarbeitung, das er
und seine Zeitgenossen beherrschten, hat die jungsteinzeitlichen
Lebensstrukturen nicht tiefgreifend verändert.
Glockenbecherkeramiker
Glockenförmige Tonbecher sind das "Leitfossil" sonst wenig fassbarer
Gruppen, die sich von Südspanien her hauptsächlich entlang der Küsten
bis nach Mitteleuropa ausbreiteten; möglicherweise kamen sie aber auch
aus dem Donauraum und zogen durch ganz Europa. Glockenbecherleute, deren
Auftreten um 2600 erstmals belegt ist, kannten bereits die
Kupferverarbeitung. Auch ihre Bestattungsrituale waren typisch: Die
Toten wurden nach Geschlechtern unterschiedlich, stets immer in
Hockerstellung und mit dem Gesicht nach Osten beigesetzt.
Schnurkeramiker (Streitaxtleute)
Die Schnurkeramiker verzierten Gefäße durch in den weichen Ton
eingedrückte Schnüre. Sie überschneiden sich zeitlich mit den
Glockenbecherkeramikern, bestatteten Tote in Hockerstellung, aber immer
mit dem Gesicht nach Süden, Frauen linksseitig, Männer rechtsseitig.
Letztere bekamen Waffen und Streitäxte ins Grab gelegt. Diese
charakteristischen Streitäxte, nach denen sie auch benannt sind, waren
keine Kampfwaffen, sondern Statussymbole. Die
Schnurkeramiker/Streitaxtleute tauchten vergleichsweise plötzlich auf
("wie aus dem Nichts") und verbreiteten sich sehr schnell. Ob sich hier
eine kulturelle "Revolution" abspielte oder eine "Invasion", ist schwer
zu sagen. Die Schnurkeramikkulturen waren von Zentralrussland bis in die
Schweiz und nach Holland verbreitet - also über ein riesiges Gebiet, in
dem die Bestattungsgewohnheiten und die Kunst"normen" der
Keramikverzierungen noch einheitlicher waren als bei den Bandkeramikern.
Sehr umstritten ist übrigens, ob die Schnurkeramiker/Streitaxtleute
bereits die ersten Indoeuropäer
waren, also die ersten Gruppen, aus denen in Europa Germanen, Kelten und
Slawen hervorgingen. Die Schnurkeramiker waren die letzte
Jungsteinzeitkultur auf europäischem Boden. Diese relativ sesshaften
Bauern kannten das Rad und Zugtiere und konnten Kupfer verarbeiten. In
der Spätphase der Schnurkeramiker und Glockenbecherkeramiker kommt um
2200 die Kenntnis der Bronzeverarbeitung nach Europa.
Was danach geschah: Knapp 1000 Jahre später, kurz vor Beginn der
Eisenzeit, erscheint eine letzte Neuerung in Europa, die
Urnenfelderkultur. Wie der Name sagt, werden in der Urnenfelderkultur
die Toten verbrannt und in Urnen bestattet - ein signifikanter,
flächendeckender Wandel. Von der Urnenfelderkultur geht ab 1200 v. Chr.
der Vorstoß der indoeuropäischen Völker nach Italien aus, möglicherweise
auch der Verwüstungszug über den Balkan, die Ägäis und Anatolien
("Zerstörung Trojas").
Später dann auch die keltische Hallstatt-Kultur. 3761 : Beginn der
jüdischen Zeitrechnung Auf dieses Jahr legte der jüdische Patriarch
Hillel um 360 n. Chr. die Schöpfung der Welt fest und begründete so in
der Spätphase der römischen Kaiserzeit die heute gültige Zeitrechnung
nach dem jüdischen Kalender. Hillel orientierte sich an den
"Zeitangaben" im Alten Testament, zum Beispiel an der Lebenszeit der
Patriarchen. Demgemäß entspricht das Jahr 2009/2010 unseres
Gregorianischen Kalenders dem Jahr 5770 des jüdischen Kalenders. Dieses
Weltschöpfungsdatum hat nichts mit modernen archäologischen Datierungen
zu tun. Dennoch entsprechen die fast 6000 Jahre seither ungefähr der
menschlichen Geschichte seit dem Ende der Steinzeit.