Richard Wagner: "Belüge mich"
Hatte sich der seit 1987 nach
einem Arbeits- und Publikationsverbot in seinem Heimatland Rumänien in
Deutschland lebende Autor Richard Wagner in seinem vorigen Roman "Das
reiche
Mädchen", einem Buch über Freiheit, Liebe, Tod und Schuld sowie
die Grenzen und Auswüchse eines ideologisch verbrämten
"Multikulturalismus", mit dem Leben und gesellschaftlich wichtigen
Fragen in Deutschland befasst und auch in seiner im Jahr 2009
erschienenen Streitschrift "Es
reicht" polemisch, radikal und klar gegen den Ausverkauf unserer
Werte argumentiert, gilt seine literarische Aufmerksamkeit im teilweise
wohl auch autobiografisch geprägten Roman "Belüge mich" der rumänischen
Vergangenheit.
Ähnlich wie die Literaturnobelpreisträgerin
Herta Müller in ihren Romanen geht auch Wagner davon aus, dass die
Vergangenheit für seine zwischen Deutschland und Rumänien pendelnden
Protagonisten nicht vergangen ist.
Die Hautperson Sandra Horn, in den 1980er-Jahren von Rumänien nach
Deutschland gekommen, soll im Mai 2005 nach Bukarest fahren, um dort im
Auftrag jener Frauenzeitschrift, bei der sie als Journalistin arbeitet,
eine Frauenzeitschrift zu gründen. Gleichzeitig zerbricht eine
langjährige Beziehung zu dem Deutsch-Rumänen Remus, der mit seiner neuen
Freundin nach Neuseeland auswandert.
In Bukarest trifft Sandra Horn den mittlerweile als wohlbekannter
Wirtschaftsanwalt tätigen Marcel Toma wieder, der ihr zwecks Erwerbs
einer rumänischen Zeitschrift die nach wie vor von gewissen Seilschaften
besetzten Türen öffnet. Dessen Frau Vicky, vor Sandras Ausreise deren
beste Freundin, baut gemeinsam mit Sandra Horn die neue Zeitschrift auf,
doch dessen ungeachtet beginnt Sandra eine Affäre mit Marcel.
Auf der Suche nach bedeutenden Frauengestalten der 1930er-Jahre, die für
Zeitschriftenartikel interessant wären, kommt Sandra stetig ihrer
eigenen Familiengeschichte auf die Spur, und sie taucht regelrecht in
die damalige Welt mit dem alles beherrschenden Tango
ein.
Sandra Horn erlebt sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart
eine Welt voller Verrat, Leidenschaft, voller geheimnisumwitterter
Verwicklungen zwischen Familie und Politik.
Und sie spürt, dass die Vergangenheit nicht vergangen ist; sie wirkt mit
durchaus zerstörerischen Tendenzen bin in Sandras Gegenwart fort.
Richard Wagner erzählt wohl von eigenen Erfahrungen, wenn er Mara,
Sandras Mutter, sagen lässt:
"Wir waren mundtot gemacht und ständig zum Sprechen aufgerufen, als
gelte es, unser Mundtotsein regelmäßig zu überprüfen. So war es egal,
ob wir sprachen oder schwiegen, denn beides gehörte uns nicht mehr.
Das Sprechen gehörte der Macht und das Schweigen der Opposition, und
uns selbst blieb nichts darüber hinaus, wir konnten weder sprechen
noch schweigen, wir hatten weder eine Sprache noch eine
Sprachlosigkeit, uns gab es nicht mehr."
Richard Wagners großer Roman ist der literarische Versuch, dieses aus
der Vergangenheit bis in die Gegenwart andauernde "Mundtotsein"
aufzuheben, ihm die Poesie des gesprochenen und engagierten Wortes
entgegenzusetzen und die fortwährende Macht der Lüge und des Verrats zu
beenden.
(Winfried Stanzick; 02/2011)
Richard Wagner: "Belüge mich"
Aufbau Verlag, 2011. 305 Seiten.
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Ein weiteres Buch des
Autors:
"Herr Parkinson"
Richard Wagners radikale Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung.
Wie lebt man mit einer Krankheit, die selbst die alltäglichsten Dinge
sabotiert? Wie leben die Anderen damit? Was bedeutet Krankheit
überhaupt? Mit dem unbestechlichen Blick des Schriftstellers erzählt
Richard Wagner von seiner Parkinson-Erkrankung. Zunächst ganz
zurückhaltend wird dieser gelassene und unberechenbare "Herr Parkinson"
über die Jahre zum schicksalhaften Gegenüber des Autors und erlangt
immer mehr Macht über dessen Leben. (Knaus) zur
Rezension ...
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