Thomas Thiemeyer: "Das verbotene Eden"
David und Juna
Ein neuer großer Zyklus,
der in einer bedrohlichen Zukunft spielt
Bei dem vorliegenden Roman des 1963 geborenen Autors Thomas Thiemeyer
handelt es sich um den Einstieg in einen neuen Erzählzyklus, der in
einer nicht allzu fernen Zukunft in Mitteleuropa spielt. Im Jahr 2015
wurde ein mittels Gentechnik erzeugtes Grippemittel auf den Markt
gebracht, das eine absolut unerwartete Nebenwirkung hat: Es lässt Männer
und Frauen sehr aggressiv aufeinander reagieren, was innerhalb kürzester
Zeit zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, der Zerschlagung weiter Teile
der Infrastruktur und der endgültigen Trennung der Geschlechter in die
der Natur stark verbundenen und matriarchalischen Gottheiten
zugewendeten Frauengruppen und der zum Teil mönchisch lebenden und von
einer Inquisition gelenkten männlichen Gruppierung, die versucht, aus
den noch vorhandenen technischen Mitteln einen Vorteil zu erzielen,
führt. Außerdem gibt es noch verschiedene "Clans", die ihre
Kraft je nach Bedarf an die Inquisition verkaufen, sonst aber eher nach
eigenen Regeln leben.
Zwischen den "Hexen", wie die Inquisition sie nennt, und den Männern
gibt es eine Art Stillhalteabkommen seit den letzten großen
gewalttätigen Auseinandersetzungen, aufgrunddessen die Männer "Ernten"
einfahren dürfen, um ein Zehntel der Nahrungsmittel der Frauen
einzusammeln und empfangsfähige Frauen im so genannten "Schandkreis"
begatten dürfen, um so den Fortbestand der menschlichen Rasse zu
sichern. Die Mädchen, die danach geboren werden, bleiben bei den Frauen;
die Knaben werden an die Männer übergeben und wachsen meist in den
Klöstern auf. Jahrelang hält diese Vereinbarung, doch nun haben einige
Männer eher geplündert als geerntet, Frauen Gewalt angetan und sogar
einen Tempel zerstört, was einige Frauen auf die Idee bringt, dass ihre
Soldatinnen, die Brigantinnen, den Männern mit wesentlich mehr
Gewalt begegnen sollten. Juna, eine der Brigantinnen und die
Tochter der Hohepriesterin der Frauen, die selbst das erste so
angegriffene Dorf gesehen hat und bei einem Scharmützel beteiligt war,
stimmt dieser Sicht zu; auch wenn ihre Mutter das eher anders sieht.
In einem Kloster wird der junge David oft von seinen Mitbrüdern
verlacht, weil er sich mehr den Büchern widmet als der Feldarbeit oder
der militärischen Übung, um eventuell ein Ritter vom Orden der Heiligen
Lanze zu werden, einer Eliteeinheit der Inquisition.
Sein Lebensgefährte Amon ist in diesem Kreis bereits Mitglied und
bekleidet eine relativ hohe Stellung. Aber David kümmert sich lieber um
die Restauration und das Kopieren von Büchern, die in der Zeit nach den
"Dunklen Jahren" mehr und mehr zur Mangelware werden. Als aber Amon nach
dem Kampf gegen die Brigantinnen um Juna schwer verletzt zurückkommt,
soll David ihn zur Hauptstadt fahren, damit er dort dem Inquisitor
direkt Bericht erstatten kann. Und dort bekommt David einen neuen
Auftrag, den er nicht ablehnen kann. Wenig später wird er zusammen mit
einem Techniker Gefangener einer Brigantinneneinheit, die ihn in die
Hauptstadt der Frauen bringt, wo Juna ein Buch auffällt, aus dem sich
der Gefangene laut selbst vorliest: "Romeo
und
Julia". Und über die Sprache Shakespeares beginnt sie sich David
anzunähern, der in ihr ein Ebenbild der Illustrationen seines Buches
sieht. So beginnt eine neue Variante der "größten Liebesgeschichte aller
Zeiten" in einer düsteren Zeit, in der die Liebe zwischen Mann und Frau
überhaupt nicht mehr normal erscheint.
Da es sich bei "Das verbotene Eden. David und Juna" um den ersten Band
eines Zyklus handelt, darf man als Leser natürlich keinen
Handlungsabschluss erwarten. Die Geschichte ist als Endzeitdrama ähnlich
interessant wie als Liebesgeschichte, wobei die Zeichnung der
Gesellschaft in dieser mittelalterlichen Form vielleicht ein wenig
unglaubwürdig wirkt, was jedoch dem Erzählfluss keinen Abbruch tut. Der
Roman ist gut und interessant erzählt und weckt Neugier auf die
Fortsetzung.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 09/2011)
Thomas Thiemeyer: "Das verbotene Eden.
David und Juna"
PAN, 2011. 460 Seiten.
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