Jörg Zipprick: "In Teufels Küche"
Ein Restaurantkritiker packt aus
Kreative Küche oder
molekularer Humbug?
"Die Sterne lügen nicht!" Das jedenfalls behaupten die Astrologen. Jörg
Zipprick, der sich in seinem Buch nicht ohne eine gewisse Arroganz, oder
sagen wir besser: Selbstgewissheit, als menschlicher Lügendetektor
präsentiert, glaubt dagegen, etliche Sterne, die diverse Kochmützen
zieren, der Lüge überführen zu können, der Lüge und des Betrugs am Gast.
Laut Zipprick werden zahlreiche Sterne den Avantgardeköchen denn auch
weniger für besondere kulinarische Leistungen verliehen sondern eher als
Karnevalsorden für ihren molekularen Mummenschanz.
"Ein Restaurantkritiker packt aus", so lautet der Untertitel des Buches,
und was dieser Kritiker da alles herausholt aus seinem Schatzkästlein an
Erfahrungen, das kann sich sehen und vor allem lesen lassen. Es kann
einem aber auch mitunter den Appetit verderben. Schonungslos kratzt
Zipprick an der blendenden Fassade der neuen Götter in Weiß. Die
verbogene Gabel auf dem Umschlag lässt den Leser denn auch gleich an
Scharlatanerie denken. Besonders auf die sogenannte molekulare Küche hat
sich Zipprick eingeschossen. Beinahe jeder Satz in seinem Buch stellt
eine Provokation schweren oder minderen Kalibers dar, und viele seiner
Aussagen regen zum Nachdenken über die eigenen Essgewohnheiten, über den
Einkauf von Lebensmitteln oder über die Glaubwürdigkeit der in allen
Medien präsenten "Starköche" an. Zipprick prangert beispielsweise
an, dass Fernsehkochidole wie Alfons Schuhbeck Instantpulversuppen - mit
dem werbeträchtigen Namen "Escoffier" etikettiert - für teures Geld
anpreisen. Suppen, die sich in ihrer Qualität kaum von den
handelsüblichen Billigstprodukten unterscheiden. Doch Schuhbeck ist
nicht der einzige Heuchler unter den besternten Fernsehköchen,
Lafer und andere Fernsehkollegen sind wohl kaum besser. Und Ferran
Adrias (angeblich bester und kreativster Koch der Welt) berühmtes "Power-Pulver"
enthält nach Jörg Zippricks Angaben unter anderen die "Zutaten" E 322, E
331, E 400, E 406, E 407, E 415, E 418, E 461, E 473, E 475, E 509, E
578, E 327 sowie Maltodextrin! In der Neujahrsausgabe der "Süddeutschen
Zeitung", die dem Meister aller Meister unverständlicherweise eine
Plattform zur Selbstbeweihräucherung bot, schwafelt Adria über die
Unvollkommenheit natürlicher Lebensmittel, über die "Champions
League" der Köche, über den herrlichen Wahnsinn seiner
Menues und anderen Schwachsinn.
Im Folgenden lassen wir nun Jörg Zipprick selbst zu Wort kommen und
bringen eine Auswahl von bemerkenswerten Zitaten des Autors oder von
anderen Personen, die des Autors kritische Haltung zur Avantgarde-Küche
teilen.
"In
Deutschland sind nicht die größten Meister der Herde, sondern
diverse Fernsehköche die Könige der Szene." "Der Michelin verfügt auch
deshalb über den Nimbus der Unfehlbarkeit, weil er seine Bewertungen
nie begründet." "Die Gastronomie ist rein zahlenmäßig eine Brutstätte
der Inflation."
"Spitzenlokale sind keine Orte für Essgenuss mehr, sie sind
Messehallen der Selbstaufwertung." "Früher war wirklich alles besser.
Köche wollten kochen, keine Zusatzstoffe zusammenrühren. Keiner kochte
Eselsschweißaromen." "Die Techniken der sogenannten
Molekulargastronomie sind in der Industrie seit Jahren und Jahrzehnten
bekannt. Kein Koch hat hier irgendetwas erfunden." "Eine Pflicht zur
Deklarierung von Zusatzstoffen würde die Küche ihrer Magie berauben."
"Misstrauen Sie ruhig allzu kühnen Kreationen, die Ihre Mutter nicht
als Nahrungsmittel erkannt hätte. Kochen Sie lieber selbst. Ignorieren
Sie ruhig die Produkte mit den Porträts der Spitzenköche. Und denken
Sie daran: Nicht alle Menschen sagen die Wahrheit, nur weil sie eine
weiße Weste tragen."
Dem ist kaum etwas hinzuzufügen, und dies war nur eine winzige Auswahl
von Aussagen, die den Tenor des Buches bestimmen. Kaufen Sie das Buch,
und lesen Sie selbst. Es lohnt sich wahrhaftig, auch wenn der eine oder
andere Leser dem Autor vielleicht nicht in allen Punkten beipflichten
wird.
(Werner Fletcher; 03/2011)
Jörg Zipprick: "In Teufels Küche. Ein
Restaurantkritiker packt aus"
Eichborn, 2011. 288 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Wolfgang Kühnelt: "Angerichtet. Das schaurig-schöne Dasein als
Restaurantkritiker"
"Angerichtet" ist kein herkömmlicher und bekömmlicher Restaurantführer,
sondern eine unterhaltsame, wenn auch beinharte Abrechnung.
Autobiografisch und sarkastisch, depressiv und euphorisch beschreibt der
Kritiker Wolfgang Kühnelt die kulinarischen
Qualitäten
der Steiermark. Er ist weltweit der erste Journalist, der einen
Besuch in der Pizzeria "San Daniele" in Graz wagt. Und er ist der
letzte, der bei Dreihaubenkoch Didi Dorner im Landhaus Stainach das
geeiste Rührei und den Schokodom verspeisen darf. Er findet beim
angeblichen Italiener ein großes Stück Plastik in der Lasagne und trinkt
in der Buschenschank Sauvignon blanc aus der Muskateller-Flasche. Für
seine Leser riskiert er nicht nur Magenverstimmungen, sondern auch
erboste Anrufe von beleidigten Wirten. Vom Stuhleck am Semmering bis an
die Grenze zu Slowenien hat sich der Autor durch nahezu 200 Lokalitäten
getestet. Und während er auf dem Land immer wieder freudige
Überraschungen entdeckt, warten in
Graz jede Woche neue gruselige Beisl-Abenteuer auf ihn. (Leykam)
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Cornelius Lange, Fabian Lange: "Das große Fressen. Ein
kulinarischer Trip ans Ende der Nahrungskette"
Wir haben die Liebe zum Essen entdeckt. Und wenn wir etwas machen,
dann machen wir es gründlich. Also blanchieren, tranchieren,
molekularisieren alle wie die Lemminge, gerade so, als ob wir gar
nichts Anderes mehr im Kopf hätten - und schon gar nicht auf dem
Teller. Höchste Zeit also, dass jemand mit Kompetenz, Stil und
satirischem Blick innehält und einfach einmal laut in die Runde
fragt: Haben wir wirklich einen guten Geschmack, oder sind wir nur
ein Volk von Simulanten? Welche Kräfte wirken in einer Nation, die
sich holterdipolter aus der Eisbeinvergangenheit ins Sushi-Zeitalter
bewegt
hat? Und was bedeutet es eigentlich, wenn wir bei unserem
Lieblingsinder zwischen hundert verschiedenen Pizzabelägen wählen
können, unser Gaumen aber nur vier Geschmacksarten unterscheiden
kann?
In "Das große Fressen" schlagen Cornelius und Fabian
Lange einen gnadenlos-komischen Bogen von der Nahrungsaufnahme
unserer frühesten Vorfahren und anderen mehr oder weniger
sympathischen Mitgeschöpfen bis zu den schwärzesten Kapiteln unserer
schönen neuen "Soviel Sie essen können"-Gegenwart. (Eichborn)
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Thomas
Hillenbrand: "Teufelsfrucht. Ein kulinarischer Krimi"
Der ehemalige Sternekoch Xavier Kieffer hat der Haute
Cuisine abgeschworen und betreibt in der Luxemburger Unterstadt
ein kleines Restaurant, wo er seinen Gästen Huesenziwwi,
Bouneschlupp und Rieslingpaschtéit serviert. Doch dann bricht
eines Tages ein renommierter Pariser Gastro-Kritiker tot in seinem
Restaurant zusammen - und plötzlich steht Kieffer unter
Mordverdacht.
Als dann noch sein alter Lehrmeister spurlos verschwindet,
beschließt der Luxemburger, die Ermittlungen selbst in die Hand zu
nehmen; sie führen ihn bis nach Paris und Genf. Dabei stößt er auf
eine mysteriöse, außergewöhnlich schmackhafte Frucht, auf
gewissenlose Lebensmittelkonzerne und egomanische Fernsehköche.
Immer tiefer taucht Kieffer in die von Konkurrenzkampf und
Qualitätsdruck beherrschte Gourmetszene ein - und erkennt, was auf
dem Spiel steht. (Kiepenheuer & Witsch)
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Paul Greenberg: "Vier Fische. Wie das Meer auf unseren Teller
kommt"
Ob wild oder gezüchtet, frisch oder in Dosen, auf Tellern oder in
Algenpapier: Wir essen mehr Fisch als jemals zuvor. Aber was ist die
Geschichte hinter dem Fisch auf unserem Tisch?
Der preisgekrönte Autor und passionierte Angler Paul Greenberg nimmt
uns mit auf eine Reise über die Flüsse und Meere dieser Welt und
erzählt die Geschichte jener vier Fischarten, die mittlerweile
überall die Speisekarten beherrschen: Lachs, Barsch, Kabeljau und
Tunfisch. Er besucht norwegische Großfarmen, die jährlich 500 000
Tonnen Lachs produzieren - mit Hilfe genetischer Techniken, die
ursprünglich bei der Schafzucht zum Einsatz kamen. In Alaska
besichtigt er die einzige Gerechter-Handel-Fischerei der Welt. Er
erklärt, warum die Meerestiere zunehmend mit Quecksilber und anderen
Schadstoffen belastet sind, und schildert, wie der Mittelmeerbarsch
zu einer global nachgefragten Ware werden konnte.
Greenberg stellt viele der Fragen, die immer mehr Menschen beim
Anblick einer Speisekarte oder der Tiefkühltruhe unseres Supermarkts
beschäftigen: Was ist der Unterschied zwischen Wild-, Zucht- und
Biofisch? Welchen Fisch können wir bedenkenlos essen? Was bedeutet
Überfischung eigentlich? Lassen sich Fische wirklich domestizieren
wie andere Tiere auch, oder sollten wir generell aufhören, Fisch zu
essen? Fische,
so Greenbergs Fazit, sind unser letztes wirklich "wildes"
Nahrungsmittel. Womöglich nicht mehr lange. Nur wenn wir besser
verstehen, unter welchen Bedingungen und um welchen Preis Fisch auf
unseren Tellern landet, werden wir dem Lebensraum - und der
Nahrungsquelle - Meer mit neuer, dringend gebotener Achtung
begegnen. (Berlin Verlag)
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Felix
Benz: "Wok 'n' Roll. Scharfe Storys aus der
internationalen Spitzengastronomie"
Wenn Felix Benz am Herd steht, fliegt das Messer. Gemüse zack
zack, Fleisch anbraten, anrichten, fertig! Eben noch am
Schreibtisch seines Kinderzimmers, jetzt in der
Vorbereitungsküche eines Züricher Spitzenlokals. Und von dort um
die ganze Welt. Felix Benz hat überall gearbeitet und viel
erlebt: von der Decke fallende Kakerlaken, im Sand versinkende
Freiluftküchen, hungrige Popstars und echte Löwen.
Und festgestellt, dass sich eine Kühlkammer bei Weitem nicht nur
eignet, um Gemüse frisch zu halten. (Lübbe)
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