Baha Taher: "Die Oase"
Ende des 19. Jahrhunderts
beherrscht Großbritannien das größte Kolonialreich aller Zeiten.
Ägypten ist ein Teil davon, und die Verwaltung dieser Gebiete bringt
immer wieder eigene Probleme mit sich, die des Öfteren mit
Waffengewalt angegangen werden.
Machmud ist einer der Polizisten, die für die Besatzer die Ordnung
aufrechterhalten, obwohl er eigentlich in seinem Herzen oft lieber auf
der Seite der Rebellen wäre; er zögert aber immer wieder vor dem letzten
entscheidenden Schritt. Das größte Ausmaß findet seine Rebellion in der
Heirat mit Catherine, einer jungen irischen Witwe, womit er eine weitere
rebellische Stimme gegen die Briten im Haus hat und gleichzeitig auch
bestimmte konservative Kreise im eigenen Land vor den Kopf stößt.
Diese rebellische Grundhaltung bleibt Machmuds Vorgesetzten natürlich
auf Sicht nicht verborgen, und so wird er zum Distriktkommandanten der
Siedlung an der Oase von Siwa befördert, wo schon viele seiner Vorgänger
bei dem Versuch, für die Obrigkeit Steuern und Abgaben zu kassieren, ihr
Ende gefunden haben. Eine Situation, bei der die Vorgesetzten nur
gewinnen können. Entweder schafft er es, die Rebellen zu überzeugen, und
er ist fern, und das Geld
kommt, oder die Rebellen töten ihn, man kann eine Strafexpedition
losschicken und ist ihn los.
Catherine will auf Teufel komm raus mitkommen, obwohl ihr alle davon
abraten, weil sie in Siwa hofft, ihre Studien zu
Alexander dem Großen abschließen zu können, der bei der Oase
seinen Bestattungspunkt gefunden haben soll. Aber Catherines Anwesenheit
und ihr Auftreten in Siwa erschweren Machmuds Aufgabe sehr, und statt
die Eheleute einander wieder näher zu bringen, wächst eine immer größere
Kluft zwischen den beiden, während sie sich innerlich immer wieder mit
ihren eigenen Schuldkomplexen aus der Vergangenheit auseinandersetzen.
Und alles wird noch viel komplizierter, als Catherines kranke Schwester
Fiona in der Oase zu ihnen stößt.
Die Geschichte wird zunächst im Wechsel der beiden Figuren Machmud und
Catherine erzählt, und später kommen auch noch zwei Bewohner der Oase
hinzu, was eigentlich ganz interessant ist. Eine längere Passage vom
Geist Alexanders vermochte hingegen nicht so ganz zu fesseln. Außerdem
verliert die Erzählung ab der Ankunft Fionas deutlich an Fahrt und
Dichte, obwohl eigentlich mehr passiert, so dass das Buch nach einem
guten Anfang am Ende nicht so ganz befriedigen kann.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2011)
Baha Taher: "Die Oase"
(Originaltitel "Wahat al-Ghurub")
Aus
dem Arabischen von Regina Karachouli.
Unionsverlag, 2011. 333 Seiten.
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Baha Taher, geboren 1935 in
Karnak, veröffentlichte anno 1964 seine erste Kurzgeschichte. Sechs
Romane, weitere Kurzgeschichten und nichtfiktionale Arbeiten folgten.
Nach vielen Jahren des Exils in der Schweiz, wo er als Übersetzer der UN
in Genf tätig war, ist Baha Taher wieder nach Ägypten zurückgekehrt. Für
seinen Roman "Die Oase" erhielt Baha Taher im Jahr 2008 den "International
Prize for Arabic Fiction".
Weitere Buchtipps:
Chalid al-Chamissi: "Im Taxi. Unterwegs in Kairo"
Kaum ein Berufsstand Ägyptens ist näher am Puls der Gesellschaft als die
250.000 Kairoer Taxifahrer. Wer wissen will, was die Menschen umtreibt,
liest keine Zeitung, sondern nimmt das Taxi und hört auf das, was ihm
der Fahrer erzählt: "Wir leben in einer einzigen Lüge und glauben
daran. Die Regierung ist nur dazu da zu prüfen, ob wir die Lüge
wirklich schlucken, finden Sie nicht auch?"
Im Taxi
plaudert, diskutiert, feilscht und streitet Chalid al-Chamissi mit
Fahrern, die im kleinen öffentlichen und doch abhörfreien Raum ihrer
Wagen ihren Frust über das korrupte Regime und die allgegenwärtigen
Missstände in Ägypten loswerden - mit immerhin einem Zuhörer: ihrem
Fahrgast. Aus achtundfünfzig kurzen, pointenreichen Episoden entsteht
ein großes Mosaik der ägyptischen Gesellschaft von heute, eine Hommage
an die oft verschmähte Kultur der Straße. Nicht selten haben dabei die
politischen Einsichten der Taxifahrer mehr Tiefgang als das ewige
Geschwätz der Regierenden.
Der Autor wurde 1962 in Kairo geboren. Chalid al-Chamissi studierte
Politikwissenschaften an der Universität Kairo und der Sorbonne. Er
arbeitet als Journalist für ägyptische Zeitungen und hat sich als
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Produzent, Regisseur und Drehbuchautor tätig. (Lenos)
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Mansura Eseddin: "Hinter
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Gamila und Salma - zwei Lebenswege, die im Nildelta beginnen.
Im "Weißen Haus", in einem Dorf im Nildelta, sind Gamila und Salma
gemeinsam aufgewachsen. Heute kommt Gamila als Studentin im kurzen,
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bürgerliches Leben und will aus der Enge ihrer unerfreulichen Ehe ins
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Salma fasst den Mut, ihre Familiengeschichte zu schreiben. Sie kehrt
zurück ins Weiße Haus. Dort ist es still geworden. Nur Mutter und Tante
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ihrer Dienstboten und Arbeiter. Die Ziegelfabrik machte die Familie
reich, die Revolutionen des Landes ruinierten sie wieder.
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dringt sie vor zu jenen Ereignissen, durch die sie und ihre engste
Freundin Gamila auf immer in Schuld verstrickt sind.
Mansura Eseddin, 1976 im Nildelta in
Ägypten geboren, studierte Journalismus an der Universität Kairo
und arbeitet bei "Akhbar al-Adab", einem der wichtigsten
Literaturmagazine Ägyptens. Ihre Romane sind in zahlreiche Sprachen
übersetzt. Im Jahr 2010 wurde sie als eine der besten arabischsprachigen
Autoren unter 40 ausgewählt. 2010 war sie als einzige Frau für den "International
Prize for Arabic Fiction" nominiert. (Unionsverlag) zur
Rezension ...
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