Martin Suter: "Allmen und die Libellen"
Millionärssohn
- Pleitier - Trickdieb - Kunstdetektiv: ein Bildungsroman?
Mit Johann Friedrich von Allmen entführt uns der Schweizer
Erfolgsautor wieder in die Welt der Reichen - und Reichgeglaubten! -
seines Heimatlandes. Der Protagonist und Namensgeber dieses Romans, der
der Auftakt zu einer
"Allmen"-Reihe werden soll, ist ein hoch gebildeter und weitgereister
Feingeist, spricht fließend eine Handvoll Sprachen,
verkehrt in besten Kreisen und genießt Kunst und Kultur bis ...
Ja, bis ihm langsam das reichlich ererbte Geld ausgeht, das einst sein
Vater durch Grundstücksspekulationen angehäuft hat.
Doch weiterhin baut der erwachsene Sohn auf den Schein, gibt reichlich
Trinkgeld und spart weder beim Chauffeur noch beim Premierenabonnement
auf guten Plätzen im Parterre des Opernhauses. Denn er hatte
gelernt, das bisschen Geld, über das er noch
verfügte, in seine Kreditwürdigkeit zu investieren
anstatt in seinen Lebensunterhalt. Das langjährig gehegte
Ansehen schützt vor schnellem Verdacht: Denn Diebstahl und
Verkauf von Kunstwerken traut dem weltgewandten Gentleman
im Maßanzug und mit besten Manieren niemand zu. Doch auch mit
dieser letzten Einnahmequelle lässt sich ein Leben auf
höchstem Ausgabenniveau nicht dauerhaft sichern. Das
herrschaftliche Anwesen muss verkauft werden; Allmen lebt mit seinem
tüchtigen Faktotum, dem Guatemalteken Carlos, im Wintergarten
des Gärtnerhauses.
Nach einem Opernabend nimmt sein Leben eine neue Wendung. Jojo, Mitte
dreißig und nach der Scheidung aus New York in die
heimatliche Schweiz zurückgekehrt, schleppt Allmen in die
Seevilla ihres Vaters ab. Dort entdeckt der kunstsinnige Hochstapler
fünf Jugendstil-Schalen des französischen
Künstlers Émile Gallé. Der Verkauf
dieser seltenen Kunstwerke könnte seinen Geldbedarf
für einige Zeit stillen, wie aber lässt sich diskret
veräußern, was bereits vor zehn Jahren geraubt wurde?
Gemeinsam mit dem treuen Bediensteten Carlos klärt Allmen ein
brutales Kunstverbrechen auf. Mit dem Geld
aus der Belohnung (und einer
weiteren, nicht ganz legalen Quelle) kann er wieder gut leben, die
neuen Erfahrungen verhelfen ihm zum ersten Beruf seines Lebens:
Kunstdetektiv.
In diesem ersten Band der angekündigten Reihe des neuen
Ermittlerduos Allmen und Carlos legt Martin Suter viel Gewicht auf
Beschreibungen, erleichtert in zwar vielen, dennoch pointiert knappen
Sätzen das Kennenlernen einer kulturell und meist auch
finanziell bestens dotierten Welt, die den meisten Lesern fremd sein
dürfte - außer man hat vielleicht schon seinen Roman
"Der
letzte Weynfeldt"
gelesen. Auch dort verhilft ein Liebesabenteuer einem in die Jahre
gekommenen kunstsinnigen Spross aus wohlhabendem Haus zu neuen Energien.
Der feine Witz, die ironische Annäherung an das
begüterte Milieu und die Sympathie für den
weltgewandten Hochstapler, der als
(verhältnismäßig) Kleinkrimineller den
brutalen Kunsträuber zur Strecke bringt, entsteht in genialen
Dialogen, in denen sich die schrägen Typen aus Martin Suters
literarischem Universum manifestieren und die haarscharf gerade lang
genug sind, um Spannung und Neugier auf mehr zu erzeugen.
Man darf also gespannt sein, welche Abenteuer auf Allmen und seinen
Begleiter warten, wenn die Geldvorräte aus diesem Fall
verprasst sind.
(Wolfgang Moser; 01/2011)
Martin Suter: "Allmen und die Libellen"
Diogenes, 2011. 272 Seiten.
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Hörbuchausgabe:
Gelesen von Gert Heidenreich.
Diogenes, 2011. 4 CDs, Spieldauer ca. 4 Std. 4 Min.
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Ein weiteres Buch des
Autors:
"Allmen und der rosa Diamant"
Es wird ernst: der erste große Fall für "Allmen International
Inquiries". Es gilt, einen seltenen Diamanten aufzuspüren, viele
Millionen
wert. Ein Fall, in dem nichts ist, wie es scheint. Noch dazu ein Fall
von
globalem Interesse. Das Duo muss unter Beweis stellen, wie sehr es die
Kunst des
Hoch- und Tiefstapelns beherrscht - unter Profibedingungen.
Die Allmen-Serie geht weiter: Ein sehr wertvoller rosa Diamant ist
verschwunden,
und ebenso ein mysteriöser Russe mit Wohnsitz in der Schweiz, der
verdächtigt
wird, ihn entwendet zu haben. Das Duo Allmen/Carlos soll ihn ausfindig
machen,
und die Spur führt von London über diverse schäbige Zürcher
Außenquartiere
zu einem Grandhotel im deutschen Ostseebad Heiligendamm, und zurück zum
Gärtnerhaus
der Villa Schwarzacker. Wo es bald sehr ungemütlich wird ... (Diogenes)
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Noch ein Buchtipp:
Markus Krajewski: "Der Diener. Mediengeschichte einer Figur zwischen
König
und Klient"
Diener sind weitestgehend verschwunden, zumindest in menschlicher
Gestalt. Längst
sind die Funktionen von Kammerdienern und Faktoten, von Domestiken wie
Gehilfen
aller Art größtenteils an die Dinge
übertragen: sei es im Haushalt, sei es im
Virtuellen.
Anhand von einzelnen Fallgeschichten - etwa zur barocken
Palastarchitektur, zu
den Laboren der Experimentalwissenschaften, an Beispielen aus
der
Literatur wie
dem digitalen Alltag - zeichnet Markus Krajewski die spannende
Transformation des Dieners nach. Er legt damit zum ersten Mal eine
systematische,
historische Epochen wie disziplinäre Grenzen übergreifende
Kulturgeschichte der
Subalternen vor, die ebenso eingängig wie unterhaltsam
geschrieben ist. (S. Fischer)
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