Leonard Susskind: "Der Krieg um das Schwarze Loch"
Wie ich mit Stephen Hawking um die Rettung der Quantenmechanik rang
"Schokoladenmousse" bis
ins Allerkleinste oder Die beunruhigenden Folgen des
Raumzeitkontinuums der Quantenfeldtheorie
"Nur ein ganz ungewöhnlicher Mutant oder ein Mensch, der in einer
extrem merkwürdigen Familie aufgewachsen ist, könnte von Natur aus die
Verdrahtung besitzen, um die Quantenmechanik zu verstehen."
(Leonard Susskind)
Schwarze Löcher sind real, realer zumindest als die geschichtlichen
Überlieferungen aus dem "Black Hole von Kalkutta", einem
berühmt-berüchtigten Kerker im kolonialen Indien, in dem in der Nacht
vom 20. Juni 1756 ein grauenvolles Massaker stattgefunden haben soll.
Das Universum ist voll von ihnen, und sie gehören wohl zu den
bizarrsten, gewaltigsten und spektakulärsten Körpern der Astrophysik. Es
handelt sich um besonders kompakte und dichte Objekte, aus denen nicht
einmal das Licht zu entkommen vermag. Verstehen lassen sich diese
Merkwürdigkeiten der Natur nur sehr schwer. Die Gravitation nimmt bei
ihrer Deutung eine entscheidende Rolle ein. Allerdings hilft das
Verständnis um herabfallende Steine und kreisende Planeten hier nicht
mehr viel weiter. "Ihren rechtmäßigen Platz hat die Gravitation bei
den Schwarzen Löchern", schreibt der Physiker Leonard Susskind,
Felix-Bloch-Professor für Theoretische Physik an der Stanford
University und Mitglied der Amerikanischen Akademie der Künste und
Wissenschaften. "Schwarze Löcher sind nicht nur dichte Sterne; sie
sind vielmehr die ultimativen Informationsspeicher, in denen die Bits
so dicht gepackt sind wie ein zweidimensionaler Haufen Kanonenkugeln,
aber in einem vierunddreißig Größenordnungen kleineren Maßstab."
Genau um diese gespeicherten Informationen entbrannte ein "Krieg" oder
besser ein Widerspruch bzw. Konflikt, der das Lager der angesehensten
Physiker spaltete. Auf der einen Seite Stephen
Hawking, der behauptete, dass Information in diesen ultimativen
Fallen unwiederbringlich verloren sei, da "Schwarze
Löcher letztendlich verdunsten und verschwinden, ohne von dem, was
hineingefallen war, eine Spur zu hinterlassen". Auf der anderen
Seite der Autor des gegenständlich besprochenen Buchs, der sich dieser
so scheinbar harmlosen Behauptung vehement entgegenstellte, da sie doch
das ganze Gebäude der modernen Physik untergraben würde. Ein elementares
Naturgesetz, die Erhaltung der Information, wäre gefährdet.
"Über Kosmologen sagt man, sie seien oft im Irrtum, aber nie im
Zweifel. Wenn das zutrifft, dann ist Stephen nur zur Hälfte ein
Kosmologe: nie im Zweifel, aber kaum jemals im Irrtum. In diesem Fall
irrte er. (...) unabhängig wie groß er auch immer sein mag, hat
Stephen Hawking mindestens einmal den Überblick über seine Bits
verloren, und dadurch entstand der Krieg um das Schwarze Loch."
(Leonard Susskind)
Das Buch handelt von diesem interessanten geistigen und scharfen
intellektuellen Kampf und der Frage: Wie rettet man die Physik vor der
Anarchie des Informationsverlustes? Vorweg: Es ist allerhand abstrakte
Hirnakrobatik von Nöten, denn hier "wird eine Welt erklärt, die
unseren Sinnen bei weitem verschlossener ist als die Quantenmechanik
und die Relativitätstheorie." Entmutigend? Behauptete doch schon Richard
Feynman: "Wer glaubt, die Quantentheorie verstanden zu haben,
hat sie nicht verstanden." Der Autor selbst setzt noch eines drauf:
"Um die Quantenwelt zu grokken, benötigt man eigentlich abstrakte
Mathematik: unendlichdimensionale Hiberträume, Projektionsoperatoren,
unitäre Matrizen und eine Menge weiterer avancierter Konzepte, die zu
erlernen einige Jährchen erfordert." Doch Leonard Susskind ist es
gelungen, ein Buch zu schreiben, das dem physikalisch interessierten
Laien immerhin über weite Strecken einen durchaus verständlichen Blick
hinter die Gedankengebäude der Wissenschaftler ermöglicht.
Auf mehr als 500 dichtgepackten, informativen Seiten erklärt Susskind,
warum Hawkings Behauptung so problematisch war. Er beginnt mit
grundlegenden Erläuterungen zur Gravitation und zu Einsteins
Relativitätstheorie, mäandert danach durch die Grundlagen der
Quantenmechanik und der Schwarzloch-Physik, um sich letztendlich bis zur
Erklärung der Stringtheorie zu steigern. Das Buch ist zugleich die
Chronik einer Entdeckung, nämlich des Holografischen Prinzips - eine der
unintuitivsten Abstraktionen der gesamten Physik. Einschlägige
Vorkenntnisse von der Materie sind bei der Lektüre generell von Vorteil.
Allerdings gelingt es dem Autor, selbst abstrakte Dinge wie die Entropie
eines Schwarzen Loches plastisch und anschaulich zu erklären. Ein
weiteres großes Plus: Susskind beschäftigt sich nicht nur mit
wissenschaftlichen, sondern er fängt auch emotionale Aspekte ein und
würzt das Ganze mit einer gehörigen Portion Humor. Herausgekommen ist
eine intellektuell anspruchsvolle Herausforderung, die zuweilen eine
Neuverdrahtung im "Oberstübchen" erforderlich macht, aber trotzdem nicht
entmutigt. Ganz nach dem Motto: "Neugier ist wie ein Juckreiz - sie will
gekratzt werden.“
(Heike Geilen; 02/2011)
Leonard Susskind: "Der Krieg um das
Schwarze Loch.
Wie ich mit Stephen Hawking um die Rettung der Quantenmechanik rang"
(Originaltitel "The Black Hole War. My Battle with Stephen Hawking to
Make
the World Safe for Quantum Mechanics")
Übersetzt von Friedrich Griese.
Suhrkamp, 2010. 541 Seiten.
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Noch ein Buchtipp:
Christopher Potter: "Sie sind hier. Eine handliche Geschichte des
Universums"
"Sie sind hier" steht auf Orientierungsplänen im Park, am Bahnhof, im
Einkaufszentrum, und ein roter Pfeil zeigt auf einen Punkt, Ihren
Standort. Stellen Sie sich nun den Kosmos vor. Und der rote Pfeil zeigt
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Unendlichkeit ...
Durch Raum
und Zeit vom
Urknall bis heute: Christopher Potter erzählt eine erfrischend
andere Kosmologiegeschichte. Originell und unterhaltsam führt er uns zu
den modernen Fragen der Astronomie. Was ist das überhaupt, was wir
Universum nennen, und was hat ausgerechnet der Mensch in der Unendlichkeit
verloren? Hat das Universum einen Anfang und ein Ende? Und wenn ja, wie
kann aus Nichts eigentlich Alles werden und am Ende aus Allem wieder
Nichts? Wenn wir Antworten haben wollen, müssen wir den Kosmos in seiner
ganzen Pracht kennenlernen. Dann müssen wir Naturwissenschaften und
Geisteswissenschaften gleichsam befragen, dann müssen wir die Angst vor
dem Unendlichen bezwingen, genau wie die Angst vor dem Nichts. Erst dann
können wir sagen: Wir sind hier, das ist unser Standort. Genau zwischen
Allem und Nichts. (Piper)
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