Emilio Salgari: "Sandokan"
Die Tiger von Mompracem
Die Geschichte von Sandokan,
dem "Tiger von Malaysia" ist wohl den meisten Zeitgenossen aufgrund des
gleichnamigen Films bekannt, weniger allerdings wahrscheinlich die
Tatsache, dass das Buch über die Geschichte dieses Piratenführers dessen
Wirkungsstätte in der zweiten Ausgabe nach Mompracem verlegt, wo dieser
"Held" seine Basis hat, von der er aus den Kolonialflotten
Schwierigkeiten bereitet.
Emilio Salgari, der auch als der "italienische
Karl May" oder "italienische
Jules Verne" bezeichnet wurde, hat einige Generationen
italienischer Knaben mit seinen Träumen von fernen Ländern und
aufregenden Reisen fasziniert. "Sandokan" gehört dabei sicherlich zu
seinen international bekanntesten Titeln.
Die Geschichte beginnt am 20. Dezember 1849, und es ist - natürlich -
eine dunkle und stürmische Nacht. Der Piratenführer Sandokan, genannt
"der Tiger von Malaysia", hört von einer wunderschönen Frau auf der
Insel Labuan, die alle "die Perle von Labuan" nennen. Diese "Perle" ist
wohl Engländerin und lebt nun auf der neu errichteten Kolonialbastion
der Engländer, denen Sandokan aus unterschiedlichen Gründen sehr
feindselig gegenübersteht. Zusammen mit einigen seiner Getreuen bricht
er ins Feindesland auf, um sich die vielbesprochene Dame näher
anzusehen.
Doch auf dem Weg zu seinem Ziel wird sein Schiff von einem englischen
Kreuzer aufgebracht, und es kommt zu einem erbitterten Kampf auf See, in
dessen Verlauf Sandokan in die Brust geschossen wird und schließlich
über Bord geht.
Er wird in einem englischen Bett wach, und zwar jenem des
Kolonialverwalters von Labuan, der gleichzeitig der Onkel der bereits
erwähnten Dame ist.
Unter Verwendung eines falschen Namens lässt sich Sandokan im Haus
seines Feindes gesund pflegen und kommt dabei dessen Nichte näher. Kurz
nachdem er ihr seine wahre Identität enthüllt und erfahren hat, dass sie
ihn dennoch liebt, muss er fliehen, da ihn einer seiner einstigen Gegner
wiedererkannt hat.
Nur mit sehr viel Glück, und etwas Hilfe seines Assistenten Yanez, der
in einer etwas bescheideneren Umgebung von seinen Wunden genesen ist,
kann er die Insel schließlich verlassen.
Zurück bei seinen "Tigerchen", wie er seine Piraten nennt, ersinnt er
einen Plan, seine "Perle" aus der Austernschale der Festung ihres Onkels
zu befreien, was mehr durch
Glück und Tollkühnheit als durch wirkliche Planung auch gelingt.
Daran anschließend gibt es wildes Verfolgen, Gefangenwerden und wieder
Freikommen bis zum Ende des Buches.
Diesem Roman kommt aus heutiger Sicht sicherlich in erster Linie
medienhistorische Bedeutung zu, weil er zeigt, wie stark sich die Figur
des Helden in einer Erzählung verändert hat.
Ann Lawson Lucas und Michele Mari versuchen in ihren Begleittexten zu
dieser Ausgabe, dem Buch - und Salgaris Werk insgesamt - eine
weiterreichende literarische Bedeutung zuzuschreiben. Dies kann nicht so
ganz überzeugen, aber ihre quellenkundlichen Aussagen, sowie ihre
Hinweise zum historischen Hintergrund sowie zur Wirkungsgeschichte sind
auf jeden Fall interessant.
Somit stellt "Sandokan" für alte und neue Nostalgiker klassischer
Abenteuererzählungen des ausgehenden 19. und beginnenden 20.
Jahrhunderts sicherlich eine kleine Lesefreude dar.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 04/2011)
Emilio Salgari: "Sandokan. Die Tiger von
Mompracem"
(Originaltitel "Le Tigri di Mompracem")
Aus dem Italienischen von Jutta Wurm.
Unionsverlag, 2011. 462 Seiten.
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Emilio Salgari, geboren am 21. August 1862 in Verona, verfasste knapp einhundert Abenteuerromane, von denen etwa fünfzig verfilmt wurden. Reich wurde damit vor allem sein Verlag. Wegen wirtschaftlicher Nöte, der Geisteskrankheit seiner Frau und seiner drohenden Erblindung beging er am 25. April 1911 in Turin Selbstmord mit einem Rasiermesser, nach Art des japanischen Harakiri.