Peter Rosei: "Geld!"
Die Finanzkrise hat die
Literatur erreicht
Im Herbst des Jahres 2011 sind etliche Romane erschienen, die sich mit
diesem Thema befassen, etwa "Bankster" des isländischen Autors Guðmundur
Óskarsson, ein im Oktober 2008 begonnenes und im April 2009 beendetes
Tagebuch des jungen und bislang äußerst erfolgreichen Bankangestellten
Markús. So wie auch andere seiner Kollegen, welche die letzten Jahre wie
die Maden im Speck gelebt und unendlich viel Geld gescheffelt haben,
verliert Markús Anfang Oktober 2008 seinen Arbeitsplatz bei einer
irischen Bank. Seine Freundin verliert ihre Anstellung ebenfalls, und so
ist das Tagebuch ein lebensnahes Porträt zweier junger Menschen, deren
gesamte Lebensplanung durch die Bankenkrise aus den Fugen gerät. Es ist
ein melancholisches Buch, an dessen Ende man den Gedanken hat, der
männliche Protagonist könnte, obwohl er es noch längst nicht selbst
wahrnehmen kann, aus seiner durch die Finanzkrise verursachten
Arbeitslosigkeit mehr gewonnen und gelernt haben, als er selbst für
möglich hält.
Ganz und gar nicht melancholisch, sondern eher scharfsinnig, böse und
komödiantisch präsentiert sich Peter Roseis Roman, der seine Leser in
die Zeit vor dem großen Zusammenbruch führt.
In einem geschickt gesponnenen Beziehungsgeflecht werden Menschen und
Charaktere aus der Welt des großen Geldes beschrieben. Menschen, die um
ihrem Reichtum kein Aufsehen machen, die ihn nur vermehren wollen.
Daneben stehen die sogenannten Aufsteiger und ihre Frauen, die sozusagen
im Schatten des großen Geldes auch reich werden wollen.
Da ist Georg Asamer, 60 Jahre alt und Eigentümer einer großen
Werbeagentur. Zusammen mit einer Haushälterin lebt er im 13. Wiener
Bezirk Hietzing in einer großen Villa. Asamer ist ein Unternehmer vom
alten Schlag, der sich immer bewusst war, dass sein Erfolg auf der
Arbeit seiner Mitarbeiter beruht. Da er bislang keinen Nachfolger hat,
wählt er den jungen Andy Sykora als seinen Nachfolger aus. Der stellt
sich bald als aalglatter, nur an seinem eigenen Vorteil orientierter
Mensch heraus. Die Führung der Firma wird ihm bald zu langweilig, und er
beginnt, an der Börse zu spekulieren.
Und da ist Hansjörg Falenbruck, Erbe eines Schweizer Pharmakonzerns, der
vor Jahren nach einer kurzfristig abgesagten Hochzeit vor der Bürde des
väterlichen Erbes in die Südsee geflohen ist und dort ein Hotel führt.
In just diesem Hotel verbringen Andy Sykora und seine Frau Elena, eine
ehemalige Sekretärin Asamers, ihre Flitterwochen. Elena riecht das große
Geld und wird im Verlauf des Romans einige Jahre später zum Konzernerben
wechseln.
In einem weiteren Strang erfährt der Leser von Irma Wonisch, jener Frau,
die Hansjörg Falenbruck nicht heiraten wollte. Irma ist Erbin aus einer
begüterten Wiener Familie, bewegt sich vorzugsweise in Künstlerkreisen
und experimentiert gerne mit ihrer Sexualität.
Irgendwann lernt sie den Börsenmakler Tom Loschek kennen. Sie ist von
diesem Mann fasziniert, und obwohl sie nicht wenig von Geld versteht,
übergibt sie ihm die Verfügung über ihr ganzes Vermögen. Und der
Börsenmakler wiederum hat interessante Investitionsideen: "Amerika!
Immobilien! Die braven Leute wollen sich ein Eigenheim bauen. Jeder
sein warmes Nest. So viel Geld haben sie aber nicht, um das zu
schaffen. Also brauchen sie Kredit, und den gibt man ihnen, nicht zu
knapp."
Wie das ausgegangen ist, wissen wir.
Peter Roseis Charaktere sind ebenso selbstgefällig wie eitel und in
ihrer Geldgier völlig maßlos. Fein arbeitet der Autor den Unterschied
zwischen dem alten Geldadel und den neureichen Hasardeuren heraus, doch
letztlich geht es allen nur um eines: "Geld!".
Fazit:
Peter Rosei ist ein unterhaltsamer, gleichwohl kritischer und
stellenweise regelrecht komischer Roman gelungen.
(Winfried Stanzick; 10/2011)
Peter
Rosei: "Geld!"
Residenz Verlag, 2011. 168 Seiten.
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Ein weiteres Buch des
Autors:
"Die Globalisten"
"Wir versuchen doch alle nur, auf der goldenen Kugel zu tanzen, ganz
egal, wie und wohin sie rollt“, meint der Schweizer Geschäftsmann
Weill, Spezialist für Import/Export, im Wiener Café "Imperial"
philosophisch zu seinem Partner Blaschky. Währenddessen fantasiert der
abgehalfterte Dichter Josef Maria Wassertheurer am Brunnenmarkt über
sein nächstes Meisterwerk, und im fernen Sankt Petersburg erwartet ein
geheimnisvoller Herr Tschernomyrdin den entscheidenden Anruf. Das
kriminelle Netzwerk der Globalisten spannt sich von Zürich und Paris
nach Bukarest und Moskau bis ins idyllische Salzkammergut.
Mit leichter Hand hat Rosei ein Satyrspiel geschaffen, das die
Wirklichkeit zur Deutlichkeit entstellt - so bösartig, dass es zum
Lachen ist. (Residenz)
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Weitere Buchtipps:
Guðmundur Óskarsson: "Bankster"
Es ist das Jahr 2008. Die Finanzkrise erschüttert das isländische
Bankwesen, Island steuert auf die Staatspleite zu. Ohne vorherige
Ankündigung verliert Markús über Nacht seinen Arbeitsplatz bei einer
Bank. Völlig perplex angesichts der Tatsache, dass künftig der Verzehr
von foie gras bei Kerzenschein in ferne Vergangenheiten verbannt sein
soll und dass 24 Stunden täglich ohne Arbeit bewältigt werden müssen,
stürzt Markús in eine schwere Lebenskrise. Seine Freundin Harpa verliert
ebenfalls ihre Stelle als Bankangestellte, nimmt aber sofort einen
Stelle als Aushilfslehrerin an. Dass sie ihn immer wieder vorsichtig auf
seine Arbeitssuche anspricht, macht die Sache für ihn nicht besser. Auch
ein kurzer Ausflug in die aufkeimende isländische Bürgerbewegung hilft
nicht weiter. Markús klammert sich an sein Tagebuch, dem er seine
Beobachtungen zur Lage der Nation anvertraut. Er scheint sich in seiner
neuen Rolle zunehmend einzurichten. Doch Harpa hat ein Geheimnis, und
als sie ihn von einem Tag auf den anderen verlässt, wird sein Leben
erneut auf den Kopf gestellt. Das Schicksal des Liebespaares Markús und
Harpa, die für die größten isländischen Banken arbeiten und beide
während der Wirtschaftskrise 2008 ihre Arbeit und Zukunft verlieren.
Mit einnehmendem Humor und mit liebevollem Blick für seine Protagonisten
erzählt Óskarsson von der persönlichen Krise eines jungen Mannes, dessen
Leben durch die weltweite ökonomische Krise aus den Fugen gerät. Es ist
zugleich das eindrucksvolle Porträt einer fortschrittsverwöhnten und
profitgierigen Gesellschaft, deren ökonomischer Optimismus und blinder
Wachstumsglaube jäh erschüttert werden. (Frankfurter Verlagsanstalt)
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Brigitte
Reisenberger, Thomas Seifert: "Schwarzbuch Gold. Gewinner und
Verlierer im neuen Goldrausch"
Der Goldpreis jagt von einem Rekordhoch zum nächsten. Doch schützt Gold
tatsächlich vor der nächsten Krise? Immer mehr Menschen bezahlen die
wachsende Gier nach Gold mit dem Leben. Über Jahre hat sich der
Goldpreis kaum bewegt, doch nach dem Beinahezusammenbruch des
Weltfinanzsystems stieg die Nachfrage nach Goldbarren weltweit enorm und
der Preis auf mehr als das Doppelte.
Experten warnen schon vor der ultimativen Goldblase. Und auf die
Goldminen in aller Welt wirken sich der hohe Preis und die steigende
Nachfrage massiv aus: Neue Gebiete werden erschlossen, die Goldgewinnung
wird immer schwieriger und aufwändiger. Ausbeutung, Umweltzerstörung,
Menschenrechtsverletzungen, Vertreibung und Gewalt sind die Folgen. Kann
dieser Fluch der Ressourcen gebrochen werden? Wie wird sich der
Goldpreis entwickeln? Wer sind die Käufer und Produzenten der Zukunft?
Die Autoren wagen zielsichere Prognosen, haben mit Analysten und
Experten gesprochen und sind in eindrucksvollen Reportagen von Rumänien
über Ghana, Südafrika und Kambodscha bis nach Indien, China und Dubai
all den brisanten Fragen rund
um
den neuen alten Mythos Gold nachgegangen. (Zsolnay)
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Robert
Kurz:
"Weltmacht und Weltkrise. Die Grenzen des Kapitalismus"
Die Weltwirtschaftskrise wird wahrgenommen wie ein Kinospektakel mit
eingebautem glücklichen Ende. Doch die Krise liegt im System. Die
kapitalistische Dynamik hat sich erschöpft. Wir sind auf dem Weg in eine
große Weltdepression.
Statt langfristige Entwicklungen zu beobachten, lassen wir uns vom
kurzfristigen Zeithorizont der Märkte und den unmittelbaren Erwartungen
der Marktteilnehmer leiten. Dieser selbst auferlegten Froschperspektive,
die sich auch in der aktuellen Krisenliteratur
spiegelt, setzt Robert Kurz historische Tiefenschärfe entgegen.
Er beschreibt die ökonomischen Einschnitte der Nachkriegsgeschichte
nicht als Resultat von Wirtschaftspolitik, sondern umgekehrt die
Wirtschaftspolitik als Reaktion auf eine blinde Dynamik des Weltmarkts.
Während die gängigen Erklärungsmuster die Krise auf "Exzesse" von
gierigen Bankmenschen zurückführen, zeigt Robert Kurz, dass in
Wirklichkeit eine auf Schulden aufgebaute Konjunktur künstlich aus den
Finanzblasen ernährt wurde. Dabei entwickelte sich die Weltmachtökonomie
der USA mit ihrer Konzentration substanzloser Kaufkraft zum "schwarzen
Loch" der Weltwirtschaft. Aber auf Dauer ist eine nur noch fiktive Wert-
und Geldschöpfung nicht tragfähig.
Wer Robert Kurz liest, hat die Weltwirtschaftskrise verstanden, und zwar
als innere Konsequenz der Entwicklung des Weltmarkts und des globalen
Finanzsystems. (Eichborn)
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Christian Welzbacher: "Der
radikale Narr des Kapitals"
Goethe nannte ihn einen "radikalen Narrn" - Christian
Welzbachers Essay zeigt Jeremy Benthams Ideen des "Panoptikum" und der
"Auto-Ikone" im Kosmos einer bürgerlichen Kulturgeschichte voller
Abgründe und Skurrilitäten, deren spätkapitalistische Nachwirkungen wir
heute tagtäglich spüren. (Matthes & Seitz)
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Christina von Braun: "Der
Preis des Geldes. Eine Kulturgeschichte"
Das unverzichtbare Grundlagenwerk: In ihrer brillanten Analyse der
Geschichte des Geldes stellt Christina von Braun die Frage in den
Mittelpunkt, warum wir an die Macht eines Systems glauben, das kaum
jemand mehr versteht. Es steht im Zentrum unseres Lebens. Doch hat das
Geld als Zahlungsmittel im Zeitalter virtueller Werte, von Aktien,
Schecks etc. überhaupt noch einen Sinn? Seit seiner Entstehung hat es
sich immer mehr zu einem abstrakten Zeichensystem entwickelt: von der
Münze über Schuldverschreibungen, Wechsel bis zum Papiergeld und
elektronisch notierten Geld.
Immer mehr Menschen zweifeln am System des Kapitalflusses und besinnen
sich auf alternative Zahlungsmittel, regionale Währungen, Tauschhandel
etc.
Christina von Braun zeichnet die Geschichte des Geldes nach und
untersucht u.A. die Entwicklung der Lohnarbeit, der Prostitution
oder warum Männer und Frauen sehr unterschiedlich mit Geld
umgehen. Als Quellen nutzt sie Interviews ebenso wie literarische Texte
und Fernsehserien. (Aufbau-Verlag)
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