Anselm Bilgri: "Gottesentrümplung"
Warum es nicht verrückt ist, heute religiös zu sein
Respektabel
"Wozu sind wir auf der Welt? Wie ist diese entstanden? Wo geht die
Reise des Universums, aber auch eines jeden einzelnen Individuums hin?
Wie gestalten wir optimal das Zusammenleben der Menschen? Wie gelingt
die Balance im Leben? Gibt es ein Jenseits?
Was geschieht beim Sterben eines Menschen?"
Diese Fragen und noch einige weitere finden sich auf dem Klappentext des
Schutzumschlages. Fragen, die wohl für immer einer befriedigenden
Antwort harren werden, und Anselm Bilgri kann sie auch nicht
beantworten, wenngleich der Verlagstext uns das suggerieren möchte. Und
der Autor vermag auch keine Kunst religiöser Lebensführung zu
vermitteln, wie im Klappentext verheißen. Sein Buch wird den der Religion
gegenüber eher reserviert eingestellten Leser nicht aufrütteln aus der
Lethargie des Unbeteiligtseins, und den nach spiritueller Erkenntnis
Hungernden werden seine Texte nicht sättigen können. Anselm Bilgris Buch
ist respektabel, zeugt von redlicher Bemühung, mehr aber auch nicht.
Davon abgesehen und insgesamt betrachtet ist dem Autor jedoch ein gut
lesbares und auch informatives Werk gelungen, nur ein wenig zu
facettenhaft bzw. fragmentarisch sind mir die Themen auf den "roten
Faden" gereiht, der dem Leser dadurch manchmal verloren geht. Das
Wesentliche gerät hin und wieder aus dem Blickfeld, die Essenz von
Bilgris Aussagen wird gelegentlich etwas verwässert. Man findet
allerdings mitunter auch Sätze, die ins Volle treffen. Anselm Bilgris
Kernaussage, sein oft wiederholtes Credo lautet: "Gott ist die
bedingungslose Liebe als Prinzip der Welt. Er lässt ihr den Lauf, ja
er ist ihr Lauf. Gott und die Welt gehören zusammen, ohne dass sie
identisch sind." Der Titel "Gottesentrümplung" wurde vom Autor
gewählt, um anzudeuten, dass - will man sich Gott heute nähern - erst
einmal eine Menge von tradiertem Gerümpel und Ballast aus dem Weg
geräumt werden muss.
Das Buch versucht Hilfestellungen verschiedenster Art zu geben, um diese
Entrümplung zu bewerkstelligen, nicht immer überzeugend, doch redlich
bemüht. Und wohltuend ist auch die sympathische Wärme, von der die
Ausführungen des Autors durchstrahlt sind. Bilgri versucht auch nicht,
seinen Lesern bestimmte Wertvorstellungen oder Ansichten aufzudrängen.
Er bietet ihnen ein kunterbuntes Allerlei aus Historischem, Aktuellem,
Philosophischem, Psychologischem und manchmal auch Fragwürdigem, wenn er
etwa seine aktuelle Aufgabe wie folgt formuliert: "Die christlichen,
sagen wir neutraler: abendländischen Werte in der konkreten Form der
Benediktsregel in einer rettenden Übersetzung für eine wertegeleitete
Unternehmensführung hilfreich vorzutragen."
Wie er sich die Kirche der Zukunft vorstellt, verrät uns Anselm Bilgri
dann am Ende seiner Ausführungen: "Ich träume von einer Kirche, die
nicht so viel von Gott
lehrt, sondern ihn lebt. Die ihren Gläubigen ermöglicht. Ihn zu
erfahren - in den regelmäßigen Feiern, an den Lebenswenden, in
Meditation, im Erschließen ihres großen Schatzes an Mystik. Ich träume
von einer Kirche, die. sich als ein Weg unter vielen versteht."
(Werner Fletcher; 07/2011)
Anselm Bilgri: "Gottesentrümplung. Warum
es nicht verrückt ist, heute religiös zu sein"
Gütersloher Verlagshaus, 2011. 256 Seiten.
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